Syrische Rebellen im Libanon: „Verwundete bringen sie umsonst“
Über Schmuggler bekommen die syrischen Rebellen Waffen und Geld. Für die Salafisten im Libanon ist der Kampf vor allem ein religiöser. Ein Besuch in Tripoli.
TRIPOLI taz | Von draußen ist die Glasfront des Ladenbüros am Rand von Tripoli abgedunkelt, von drinnen fällt der Blick auf Wohnblocks aus Rohbeton. Abu Saddam sitzt an der Wand, rings um ihn ein Dutzend älterer Männer. Sie nippen an ihren Teegläsern und rauchen.
Das enge Büro gehört eigentlich einem sunnitischen Lokalpolitiker, doch derzeit wird es vorrangig genutzt, um militärische Unterstützung für den syrischen Aufstand zu koordinieren. „Wir tun, was wir können“, sagt Abu Saddam. „Wir würden jedem helfen, der uns hilft, Baschar al-Assad loszuwerden.“
Tripoli ist überwiegend von Sunniten bewohnt. Ihr Hass auf das Assad-Regime sitzt tief und reicht bis in die Zeit der syrischen Besatzung des Libanon zurück. Deshalb widmet Abu Saddam inzwischen seine gesamte Zeit dem syrischen Aufstand. Unter anderem veranlasst er, dass Waffen nach Syrien geschmuggelt werden: „Wir schmieren die Soldaten auf beiden Seiten. Wenn man Geld hat, ist alles möglich.“
Woher das Geld kommt, was genau er liefern lässt, verrät er nicht. Er zieht nervös an seiner Zigarette, schielt aus dem Fenster. Schon zwei Mordanschläge seien auf ihn verübt worden, sagt er. Das Assad-Regime hat nach wie vor viele Verbündete im Libanon.
„Wir verstehen viel vom Kämpfen“
Abu Saddam hat allen Grund, sich in Acht zu nehmen. Er tut weit mehr, als den Rebellen Waffen zu beschaffen. Er sorgt auch dafür, dass sie damit umzugehen lernen. Seit einigen Wochen bietet er bei Tripoli Trainings für Mitglieder der Freien Armee Syriens (FSA). „Unter ihnen sind zwar viele Deserteure, doch die haben keine Ahnung von Guerillakriegsführung“, erklärt er.
„Wir Libanesen verstehen eine Menge vom Kämpfen. Wir bringen ihnen zum Beispiel bei, wie man Checkpoints überfällt.“ Außerdem hätten die Rebellen jüngst neue Waffen erhalten, darunter schwere Doshka-Maschinengewehre. „Damit konnten sie nicht umgehen. Also haben wir ein paar von ihnen gezeigt, wie man sie bedient.“
Dann wird ihm das Gespräch zu heikel. Derzeit regiert Beirut eine prosyrische Koalition, auch Teile der Sicherheitsbehörden kooperieren mit Damaskus. Doch können sie bisher nicht verhindern, dass die FSA den Nordlibanon als Rückzugsgebiet nutzt. Zwar sind die logistischen Strukturen schwach, doch greifen die Sunniten in Tripoli verstärkt direkt in den Konflikt ein, auch radikale Kräfte nutzen ihn für ihre Zwecke. „Der Aufstand in Syrien ist gut für uns“, sagt Sheikh Bilal Dikmak. „Die Rebellen werden nie vergessen, wer sie gefördert hat.“
Der Salafistenprediger pflegt enge Kontakte zu Al-Qaida-nahen Gruppen im Nordlibanon. Für ihn ist der syrische Konflikt vor allem ein religiöser Kampf: auf der einen Seite die Sunniten, auf der anderen ein von Alawiten dominiertes Regime. Viele Menschen in Tripoli sehen das so. „Es gibt Zorn“, sagt er, „sehr viel Zorn.“ Längst sickern Kämpfer aus dem Libanon nach Syrien ein, um mit den Rebellen zu kämpfen, darunter gesuchte Extremisten. Bilal Dikmak schätzt, dass bisher 300 Männer aus Tripoli nach Syrien gegangen sind. „Weitere werden noch losziehen“, sagt er. „Wer mich um Rat fragt, den ermutige ich zu gehen.“
Immer wieder wird über die Grenze hinweg geschossen
Die Verstrickung mit dem Konflikt nebenan ist für das kleine Land gefährlich: Syriens Armee schießt immer wieder über die Grenze. Erst vor wenigen Tagen wurden mehrere Dorfbewohner im Nordlibanon getötet. Wegen der geografischen Nähe nutzen die Rebellen in Homs die Schmugglerpfade als Nachschub- und Fluchtwege.
Die meisten Syrer, die man in Tripoli trifft, stammen aus der Stadt in Westsyrien. So wie Abu Omar. Der hoch gewachsene, schlanke Mann kauert in der Kantine eines Privatkrankenhauses in einem Vorort. Bevor er sich den Rebellen anschloss, war Abu Omar Geschäftsmann. Jetzt kümmert er sich von Tripoli aus um logistische Fragen: Er sorgt dafür, dass Verwundete aus Syrien in den Libanon gelangen, und für medizinische Hilfe und Waffen in die umgekehrte Richtung. „Wir schauen, was die Leute brauchen, das schicken wir dann rüber“, sagt er. Das lässt er von professionellen Schmugglern machen: „Verwundete bringen sie umsonst, Waffen nicht.“
Auch Abu Omar will nicht zu viel preisgeben. Er schweigt und blickt nach draußen. Etwa zehn Rebellen mit Gipsbeinen und Armschlingen sonnen sich in ihren Rollstühlen. Ein junger Mann tritt zu ihnen. Er stammt auch aus Homs, man kennt sich. Abu Assaf, ein desertierter Hauptmann, hat öfter in Tripoli zu tun. Jetzt brachte er seine Frau und drei Kinder in Sicherheit. „Unser Haus wurde zerstört“, sagt er. „jetzt sind sie Flüchtlinge.“ Er selbst will nicht bleiben: Am 20. Juli beginnt der Ramadan. Spätestens dann will er wieder in Syrien sein. Die FSA plant, im Fastenmonat ihre Angriffe zu verstärken.
„Uns fehlen aber noch Waffen, daher versuche ich, im Libanon welche aufzutreiben“, sagt er. „Wir brauchen Nachtsichtgeräte und Geschosse, mit denen wir Helikopter treffen können.“
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