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Die Überraschung

Bundesweit hat Hannovers CDU gesucht. Eine prominente Person „mit Ecken und Kanten“ sollte es sein. Im besten Fall wollte man eine Frau, um nach der Landtagswahl-Schlappe bei der Oberbürgermeisterwahl im September zumindest die Landeshauptstadt zu erobern. Herausgekommen ist Matthias Waldraff, 61, Anwalt, seit dem 25. Januar CDU-Mitglied.

Der Parteivorstand hat ihn bereits nominiert, Mitte März muss ihn die Basis noch per Urwahl bestätigen.Vorangegangen ist eine verzweifelte Suche – profilierte Köpfe fehlen der Hannover-CDU. Zwischenzeitlich galt Ex-Sozialministerin Aygül Özkan als Wunschkandidatin für den Kampf ums Rathaus, dann verlor sie ihren Hannover-Wahlkreis bei der Landtagswahl grandios.

Eine Überraschung ist der CDU mit Waldraff durchaus gelungen. Politisch ist der bislang zwar nicht aufgefallen, dafür machte er als Anwalt Schlagzeilen: Die Ärztin Mechthild B. verteidigte er in mehreren Verfahren wegen Totschlags an Krebspatienten, bis diese nach jahrelangen Prozessen Suizid beging. Zeitweise vertrat er den Jugendlichen Marco W., der in der Türkei wegen Vergewaltigung angeklagt war. In Hannover, kündigt Waldraff auf seiner Homepage an, wolle er sich jetzt der Probleme der Bürger widmen, so wie er die seiner Mandanten „in harter Arbeit“ löse.

Überrascht hat die Personalie besonders die Genossen, die seit 1945 das Stadtoberhaupt stellen: Waldraff hatte man eher dem eigenen Lager zugerechnet. Auch, weil er Helmut Kohl 1999 in der CDU-Parteispendenaffäre wegen Untreue anzeigte. Er erlebe täglich, wegen welcher Kleinigkeiten Steuerbehörden Verfahren gegen Bürger einleiteten, erklärte Waldraff damals. SPD-Kontrahent Stefan Schostok hat ihm schon mal den Kontakt zur „sozialen Realität“ abgesprochen.  THA

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