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Syrien-KonfliktDie EU-Außenminister sind sauer

Frankreich und Italien sehen durch den Syrienkonflikt Europas Sicherheit gefährdet, sie wollen ein EU-Sondertreffen einberufen. Die EU will außerdem die Hilfe für Flüchtlinge aufstocken.

Die EU nimmt sie wahr. Immerhin. Syrische Flüchtlinge im jordanischen Mafraq. Bild: reuters

PAPHOS/BRÜSSEL afp/dapd | Wegen der blutigen Krise und des eskalierenden Flüchtlingsdramas in Syrien appellieren Frankreich und Italien für eine baldige Krisen-Sondersitzung der EU-Staaten. In einem gemeinsamen Brief forderten die Außenminister beider Länder ihre europäischen Kollegen auf, eine wirksame Krisenstrategie zu entwerfen, um ein „starkes Signal an die Welt zu senden“ und der syrischen Bevölkerung Mut zu machen. Zum Auftakt des zweitägigen EU-Außenministertreffens im zyprischen Paphos wurde zudem Wut über die Untätigkeit des UN-Sicherheitsrates laut.

„Ich verstehe eigentlich nicht, dass ... bei einer derartigen Situation die Weltgemeinschaft nicht wenigstens zusammenfindet, um die Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten zu stoppen“, schimpfte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn über die Blockadehaltung Russlands und Chinas. „Das ist ein richtiges Versagen des Sicherheitsrates.“ Ein Militäreinsatz stehe zwar nicht zur Debatte, aber sofern nicht rasch andere Sanktionen verabschiedet würden, „die auch wirklich greifen, werden noch sehr viele Menschen ihr Leben verlieren“. Bis zur Lösung der Krise in Syrien könne es dann „vielleicht noch Monate“ dauern, sagte Asselborn.

Aufbauend auf dem Treffen in Paphos warben der französische Außenminister Laurent Fabius und sein italienischer Kollege Giulio Terzi für ein baldiges Sondertreffen, dass sich ausschließlich der Syrien-Frage und einer gemeinsamen Strategie widmen solle. Die Krise sei inzwischen „an einem Wendepunkt“ angekommen und für die Zeit nach Staatspräsident Baschar Assad müsse eine Übergangslösung her. „Die Wochen dieses verkommenen Regimes sind gezählt“, schreiben die Minister. Daher gelte es, die Zusammenarbeit mit der syrischen Opposition wie auch die humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung effektiver zu organisieren.

Zudem warnten Fabius und Terzi in ihrem Brief, ein „dauerhaft instabiles“ und durch politische und religiöse Konflikte geteiltes Syrien könne „weitere Unsicherheit in die gesamte Region bringen“ und den Frieden im Nahen Osten gefährden. „Sollten wir in Syrien versagen, wäre die Stabilität im Nahen Osten gestört und Europas Sicherheit – in all ihren verschiedenen Aspekten von Terrorismus über die Verbreitung von Waffen, illegale Einwanderung und Energiesicherheit – wäre ernsthaft bedroht.“

Seit März 2011 wurden bei den Kämpfen zwischen Rebellen und Regierungstruppen Schätzungen von Aktivisten zufolge mehr als 26.000 Menschen getötet. Das UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR geht davon aus, dass bislang rund 235.000 Syrer vor der Gewalt in ihrer Heimat in die Nachbarländer flohen. Innerhalb des Landes sind EU-Diplomaten zufolge inzwischen mehr als eine Million Menschen auf der Flucht.

„Ernste Herausforderungen“ im Bereich Migration

Die hohe Zahl der Flüchtlinge, besonders in den letzten Tagen, werde wahrscheinlich zu „ernsten Herausforderungen“ im Bereich Migration führen, warnen Fabius und Terzi. Die EU müsse daher weiter an einer Beilegung des anhaltenden Konfliktes in Syrien und an einem Übergang in die Zeit nach Präsident Baschar al-Assad arbeiten.

Auch SPD-Bundestagsfraktionsvize Gernot Erler rief die EU auf, endlich eine gemeinsame Linie bei der Flüchtlingshilfe zu finden. Die Lage in Syrien wachse sich zu einer„ humanitären Katastrophe“ aus, sagte Erler der Nachrichtenagentur dapd in Berlin. Rund 235.000 Syrer hätten wegen der anhaltenden Kämpfe bereits das Land verlassen, hinzu kämen etwa 1,2 Binnenflüchtlinge. „Wir brauchen dringend Mittel und Wege, diesen Menschen zu helfen“, mahnte der SPD-Politiker.

Bislang hat die Europäische Union in 17 Sanktionsrunden Einreiseverbote und Kontensperren gegen mehr als 150 Unterstützer des Assad-Regimes verhängt. Für über 50 syrische Firmen gilt zudem ein EU-weites Geschäftsverbot, der Transport von Öl, Waffen und anderen Industriegütern ins Konfliktgebiet ist europäischen Firmen schon seit langem verboten.

Die EU-Kommission bereitet zudem die Freigabe von zusätzlichen 50 Millionen Euro humanitärer Hilfe vor, um die zivilen Opfer der Krise zu unterstützen. „Die humanitäre Lage in Syrien verschlechtert sich fast täglich, nachdem die Feindseligkeiten in einen Bürgerkrieg umgeschlagen sind“, erklärte die zuständige EU-Kommissarin Kristalina Georgieva am Freitag in Brüssel. Wenn EU-Parlament und die Mitgliedsländer das Geld freigegeben haben, erreicht der Gesamtbetrag der EU-Kommission für die Opfer des Syrien-Konflikts 119 Millionen Euro.

„Bereits jetzt sind Zehntausende Syrer nach Libanon, Jordanien, Irak und in die Türkei geflohen“, sagte Georgieva. „Dies erfordert nun massive und wirksame humanitäre Hilfe für diejenigen, die dringend auf medizinische Hilfsgüter und Artikel wie Babynahrung angewiesen sind.“ Die Kommissarin rief alle Konfliktparteien auf, „das Leben der Zivilisten zu verschonen, die ohne eigenes Verschulden zwischen die Fronten geraten sind“.

Mit den weiteren 50 Millionen Euro aus dem EU-Budget soll unter anderem die medizinische Versorgung für Verwundete und Notfallpatienten, die medizinische Grundversorgung, Unterkünfte, Nahrungsmittel, die Wasser- und Sanitärversorgung sowie Haushaltsartikel für Binnenvertriebene in Syrien und Flüchtlinge im Ausland finanziert werden.

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9 Kommentare

 / 
  • KS
    Kritische Stimme

    Die EU-Aussenminister koennen nur sauer auf sichselbst sein weil sie den Syrienkrieg heimlich angezettelt haben und damit Europas Sicherheit gefaehrdet haben

  • A
    Ant-iPod

    @Jörn:

     

    Nur mal zu meinem Verständnis... der Diktator verfügt über ein jahrzehntelang angehäuftes Waffenarsenal und die Opposition im Wesentlichen noch immer lediglich über ihre mitgenommenen Dersteurswaffen und eroberte Waffen aus Gefechten mit den Schergen des Regimes.

    Die vielgerühmten "Waffenlieferungen an die Opposition" bezeichnet die FSA als "bisher leere Versprechungen" (vgl. Internetseite der FSA und Facebookseiten der syrischen Revolution).

     

    Ein Waffenembargo ist somit keine Friedensmaßnahme, sondern einseitige Parteinahme zugunsten des Diktators.

     

    Überdies halte ich es für absolut korrekt, dass die Lösung nur eine politische sein kann.

    Hierzu liegen eindeutige Forderungen der Opposition auf dem Tisch, bsw. dass Assad zurücktreten muss.

    Ferner hat u.a. the-day-after einen Vorschlag ausgearbeitet, wie die Übergangszeit bis zur Neuordnung des Landes geregelt werden kann.

     

    Von Regime-Seite ist da bisher nur ein peinliches Schweigen zu vernehmen.

    Zwar hat man einen Minister zur nationalen Versöhnung ernannt, aber der ist intellektuell offensichtlich suboptimal ausgestattet und hat keine einzige ernst zu nehmende Maßnahme ergriffen.

    Ebenso Assad selbst - er hat in diversen Interviews zwar Verhandlungen "angeboten" aber gleichzeitig alle diejenigen, mit denen er eigentlich verhandeln müsste kategorisch davon ausgeschlossen.

    Es gibt keine politische Initiative seitens des Assad-Regimes, sondern nur Gewalt.

     

    Wir haben im Prinzip nur drei Möglichkeiten:

    1. Wir unterstützen Baschar Al-Assad dabei, die Opposition zu unterdrücken und sein verbrecherisches Regime weiterzuführen.

     

    2. Wir sorgen dafür, dass Baschar Al-Assad's Regentschaft baldmöglichst endet. Die militärischen Mittel dazu haben wir und könnten theoretisch auch die Opposition ernsthaft bewaffnen - was jedoch die Frage aufwirft, wer die Waffen mit welcher Autorität hinterher wieder einsammelt... das ist also keine wirklich ideale Strategie, erst recht, wenn man bedenkt, dass es kleine, radikale Splittergruppen in der Opposition gibt, die zwar nicht für die Mehrheit stehen, aber sicher nicht freiwillig ihre Waffen abgeben werden. Die Syrer kämpfen nicht deswegen gegen einen schmierigen Despoten, damit sie von einer anderen Minderheit hernach regiert werden.

     

    3. Wir schauen weiterhin zu, heucheln Betroffenheit und erwirken damit aktiv (ja, das ist dann die Folge unseres Handelns!!!), dass die Gewalt in Syrien noch lange andauert, die Zahl der Toten weiterhin ansteigt, das Land im Chaos versinkt und der Versöhnungsprozess immer schwieriger wird.

     

    Das können wir auch nicht den Russen oder Chinesen in die Schuhe schieben, denn die bestimmen nicht darüber, was wir außenpolitisch tun.

    Sicher wäre eine einheitliche Meinung in der UNO wünschenswert - aber die kann nicht erzwungen werden und weder Russland, noch China, noch die USA scheren sich um die UNO, wenn ihre Interessen bedroht sind.

     

    Oder glauben Sie allen ernstes, die USA warten auf eine UNO-Resolution, wenn der Iran die Straße von Hormus vermienen sollte?

    Die Russen haben auch kein UNO-Votum abgewartet, als sie sich von Georgien "angegriffen" sahen und bsw. Abchasien als selbstständiges Land anerkannt haben. Die Chinesen bauen derzeit massiv ihre militärische Präsenz und Flottenstützpunkte in Südost-Asien aus... denken Sie die interessieren sich dabei für die UNO oder den Weltfrieden? Fragen sie mal die Toten "Piraten" in der Malaka-Straße danach... und was die Indonesier davon halten...

    Oder die zigtausenden von landvertriebenen Kleinbauern in Afrika, die den Agrarkonzernen weichen mussten, damit die von China gemieteten Ackerflächen genutzt werden können... alles ganz "legal" und im Sinne der UNO-Charta... oder?

     

    Kurzum:

    Politische Lösung wäre toll, ist mit Assad aber offensichtlich nicht zu machen. Sollen wir dann "sauer" sein und schmollend warten, bis er vielleicht seine Meinung ändert?

    Wieviele Syrer auf beiden Seiten müssen noch sterben, damit wir einsehen, dass Assad seine Meinung nicht ändern wird?

  • J
    Jörn

    Position der UNO

     

    Der UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hat heute wieder betont, dass

     

    a) nur eine politische Lösung sinnvoll ist

    b) ein striktes Waffenembargo für alle Seiten installiert werden sollte

     

    Er warf der Staatengemeinschaft vor, vor allem eigene Interessen zu vertreten. Damit meinte er nicht nur China und Russland.

     

    So tragen eben nicht nur Assad sondern auch die Staaten, die die Rebellen mit Waffen oder logistisch unterstützen Schuld an den massenhaften Morden in Syrien.

  • BE
    Björn Eriksson

    @Henner Kröper

     

    Außerhalb?

     

    Anscheinend ist den Franzosen der grobe Unfug, den sie damals bei ihrem Völkerbundmandat anstellten, noch nicht groß genug. Wie sonst wäre zu erklären, dass sie nun das von religiösen Konflikten geteilte Syrien, das sie selbst damals in überheblicher Manier geschaffen hatten, nun zugunsten der Muslimbrüder korrigieren wollen, welche bereits seit 1979 mit ihren Terroranschlägen in Syrien zeigen, wo das Bartl den „Most“ holt.

     

    Wäre tatsächlich humanitärer Tatendrang für die in arge Not geratenen unbewaffneten Zivilisten ihr Beweggrund, könnten sie schon längst tätig werden, wie Anti-Pod zutreffend aufgezeigt hat. Dass sie dies nicht tun, zeigt die pure Heuchelei.

     

    Innerhalb, Herr Kröper, innerhalb!

  • HK
    Henner Kröper

    Auch viele Europäer sind sauer da wir in Syrien bereits versagt haben.

    „Sollten wir in Syrien versagen, wäre die Stabilität im Nahen Osten gestört.

    Die Usa und Ihre Vasallen destabilisieren den gesamten nahen Osten und wollen jetzt stabilisieren. Manchmal frage ich mich ob ich innerhalb oder außerhalb der Psychatrie lebe.

  • A
    Ant-iPod

    Hört bitte auf, Ihr "Mahner" in Europa und Nordamerika, die Schuld bei Russland und China zu suchen.

    Ihr könnt zu jeder Zeit und an jedem Ort wesentlich mehr machen und habt Euch dagegen entschieden.

     

    Ihr lasst es ja nicht einmal zu, dass Syrer mit Einladungen aus Schengen-Ländern ein Visa erhalten und einreisen dürfen, damit sich ihre Angehörigen in Europa um sie kümmern können und sei es nur für wenige Monate....

     

    Es gibt überhaupt keinen Grund "sauer" zu sein - handelt lieber, als über die vermeintliche Ungerechtigkeit der Welt zu jammern. Die Flüchtlinge in Jordanien, dem Libanon und der Türkei brauchen unsere Hilfe.

    Die syrischen Flüchtlinge im Landesinneren ebenfalls.

     

    Auch gibt es im Norden Syriens längst befreite Gebiete, in denen ihr humanitär tätig werden könntet und niemand würde Euch daran hindern.

     

    Nicht sauer sein, sondern die Probleme anpacken!

  • A
    aurorua

    USA und Israel planen die Zerstörung iranischer Atomanlagen durch einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Womöglich noch in diesem Jahr. Bedingung dafür, Syrien muss als Verbündeter Irans bis dahin wirtschaftlich und militärisch am Boden liegen. Daran wird das uneinige Europa aber auch gar nichts ändern.

  • T
    theo

    Hat sich denn diesmal jemand

    Gedanken gemacht, wie die Zeit nach

    Assad aussehen soll???

     

    Wenn als nächstes ein türkisch-kurdischer

    Krieg folgt und der radikale Islamismus

    um sich greift, sieht die Sache auch

    nicht wirklich rosig aus.

    Die Christendiskriminierung in Ägypten spricht

    Bände. Jetzt das auch noch in Syrien?

    Wenn Hizbolla mit Raketen und a. Massenvernichtungs-

    waffen ausgerüstet ist,

    Syrien radikal gegen Israel eingestellt ist,

    Ägypten mit Merkels U-Booten gegen Israel

    vorprescht, der Iran den Hauptschlag führt,

    Saudi-Arabien und die Türkei völlig unkontrollierbar

    würden, sehe ich die Zeichen des Einsatzes

    von Atomwaffen vorstellbar!!!

     

    Das außenpolitisch dümmste Signal Mohammed Mursis

    war die Militarisierung. In dieser Region

    herrscht schon jetzt viel zu viel Druck.

    Deeskalation ist angesagt, anderenfalls

    muss man wohl auch einen Kriegstreiber

    als Präsident Ägyptens wähnen.

     

    Die Ottonormalbevölkerung!!!! hätte mit

    Waffen versorgt werden müssen, damit eben

    nicht die religiösen Radikalen die Weichen stellen

    und Assad von selber das politische Geschick

    der Demokratie und nicht den Religiösen

    überantwortet.

    Assad muss durch logische Argumentation klar gemacht

    werden, dass wenn er nicht freiwillig geht

    ein mit saudischen und iranischen Mitteln

    militärisch geknechtetes Volk wie in Iran entstehen kann. Vielleicht will er genau das.

    Einzig das Volk und keine Gruppierung

    hat die maßgebliche Macht.

    Nach dem Umsturz müssen alle religiösen

    Kräfte in eine Staatsreligion eingeordnet werden

    mit freier geistlichen Rechten, aber unter

    Verzicht aller weltlichen Rechte der Gerichte.

     

    Nach der Konstitutierung einer neuen

    säkularen Verfassung, einer intakten Regierung

    und eines intakten Parlaments

    müssen die Auslandseinmischungen

    aufhören.

  • SS
    susi sorglos

    Frankreich und Italien sehen durch den Syrienkonflikt Europas Sicherheit gefährdet......

     

     

     

    Um wieviel mehr gilt dies für die isrealische Politik samt VETO-Rückendeckung der USA