piwik no script img

„Skyfall“ – Der neue BondAuf Martini könnte man verzichten

Im neuen Bond ist alles drin, was einen Bond ausmacht – das Girl, der Bösewicht, die exotischen Schauplätze. Aber der Film fühlt sich anders an.

Tiefe und Resonanz erwartet man nicht in einem Bondfilm. Bild: dapd

Das Sterben gehört zu einem Bond-Film wie der geschüttelte Martini. 1.299 Todesfälle in 22 Filmen verzeichnet die Bond-Statistik, und legendär ist der Zynismus, mit dem 007 seine Gegner zuerst tötet und ihnen dann ein cooles Sprüchlein hinterherschickt.

In „Skyfall“ nun wird die Handlung umrahmt und angetrieben von gleich zwei Fast-Todesfällen, und auf einmal werden sie ernst genommen, sind Auslöser für tiefe Schuld- und Rachegefühle und verändern nachhaltig Freundschaften und Arbeitsbeziehungen. Klingt das noch nach einem Bond-Film?

Für einige mag das ein Schock sein. Im neuen Bond ist alles drin, was der Form nach einen Bond ausmacht: das Girl, der Bösewicht, der beiläufige Sex, die exotischen Schauplätze, die Explosionen und Verfolgungsjagden, Q, M und sogar Moneypenny – aber es fühlt sich alles ziemlich anders an. Und auch diejenigen, die für immer an Sean Connery und seinem Toupet festhalten wollen, müssen zugeben, dass „Skyfall“ allein schon durch die Raffinesse beeindruckt, wie hier bei Einhaltung aller Genrevorgaben etwas ganz Neues geschaffen wird.

Der Vorspann kommt noch wie aus dem Lehrbuch daher, mit einer Verfolgungsjagd durch Istanbul, bei der Bond und sein Gegner von Autos auf Motorräder wechseln, von der Straße auf das Dach des Basars und schließlich auf einen Zug, auf dem dann ein Bagger steht, der über weitere Autos rollt.

Ein Stunt folgt auf den anderen, die Gesetze der Physik werden gedehnt, die Zweifel, ob das, was man sieht, menschlich möglich ist, betäubt, und dann fällt ein Schuss – und Bond stürzt in die Tiefe und in die Titelsequenz. Letztere ist so liebevoll und aufwendig gestaltet, wie man das lange nicht mehr gesehen hat: Mit einem Wirbel von Szenen, die an Hitchcocks freudianische Träume in „Spellbound“ erinnern oder an Orson Welles' „Dritten Mann“.

Da fallen Karten, schwarze Männer drohen mit Pistolen, und natürlich räkeln sich auch die nackten Frauenleiber-Silhouetten, während Adele ihren so großartig an Shirley Bassey angelegten „Skyfall“-Song singt. Kurzum: der Film hat kaum begonnen, aber als Zuschauer fühlt man sich so gut bedient, als würden einem das Popcorn und die Cola direkt an den Platz gebracht – und dazu gäbe es noch eine Fußmassage.

Tiefe und Resonanz

Das Neue an „Skyfall“ manifestiert sich erst nach und nach, nicht zuletzt in einer Handlung, die man tatsächlich nachvollziehen kann, und einem Thema, das der spektakulär gefilmten Action so etwas wie Tiefe und Resonanz verleiht, Dinge, die man in einem Bond-Film eigentlich gar nicht erwartet.

Wie unter dem Mantel des Althergebrachten die Subversion stattfindet, lässt sich besonders gut an Javier Bardems Bösewicht Silva beschreiben. Auf den ersten Blick erfüllt er das Muster komplett: sein absurd blondiertes Haar verlinkt ihn zu anderen Bond-Gegenspielern, er tritt als Herrscher eines kleinen Inselreichs auf und befehligt mit Fingerschnippen eine sich immer wieder neu rekrutierende Armee von Helfern.

Bardem verleiht dieser Figur eine irritierende Mischung aus Härte und Emotion, aus Sadismus und Sensibilität. Von seinem ersten Auftritt an begreift man, dass dieser Bösewicht über eine ganz besondere Waffe verfügt: Er lässt nicht kalt. Als er spät im Film eine Prothese abnimmt und zu erkennen gibt, dass er in Wahrheit in die lange Reihe der entstellten und verkrüppelten Bond-Schurken gehört, ertappt man sich fast dabei, Mitgefühl mit ihm zu empfinden.

Und außerdem gibt es da noch diese Szene, die noch im Nachhinein zum Staunen bringt: Provokativ befummelt Silva den in seine Hände geratenen Bond und das Drehbuch legt diesem einen Witz in den Mund, der es wagt, den Ausweg einmal nicht in der Homophobie zu suchen.

Die Geheimdienstchefin so würdevoll

Wie gesagt, die vertrauten Elemente sind da, fühlen sich aber anders an: M, von Judy Dench bisher kühl, bissig und überlegen gespielt, wird in „Skyfall“ zur zentralen Figur und sichtbar als eigensinnige, verletzliche Frau. An einer Stelle muss sie sich sogar „Emma“ nennen lassen. Aber noch nie hat man die Geheimdienstchefin so würdevoll und leidenschaftlich gesehen.

Und Daniel Craig schließt in „Skyfall“ das mit „Casino Royal“ begonnene Projekt ab, aus dem „Alpha male“ Bond einen Underdog zu machen. Mit blutunterlaufenen Augen, mager, das Gesicht von schlechtem Schlaf gezeichnet, rennt, schießt und prügelt er sich durch den Film und agiert trotz oder gerade wegen des gelegentlichen Ziehens in der Schulter so überzeugend, dass man auf das Martini-Getue glatt verzichten könnte. Man würde diesem Bond sogar abnehmen, dass er zwischendurch ein Buch liest.

„Skyfall“ gleicht den von Tom Ford geschneiderten Anzügen, die Craig trägt: auf Pomp wie unsichtbare Autos oder explodierende Kulis (O-Ton Q: „So etwas machen wir nicht mehr“) wird verzichtet, der 60er-Jahre-Hedonismus und auch der Humor finden sich auf sparsame Portionen reduziert, und heraus kommt etwas, das zugleich teuer und ökonomisch, klassisch und absolut modern erscheint.

In dieser Umgebung wirkt das Auftauchen des Aston Martin DB5, des legendären Bond-Autos, fast wie ein Connery-Cameo – aber statt es in einer kurvenreichen Verfolgungsjagd zu schinden, fahren in diesem Auto eine ältere Dame und ein erwachsener Mann, der ihr Sohn sein könnte, einsam durch die schroffe Landschaft Schottlands. Es ist sehr stimmungsvoll und bewegend. Ist man noch in einem Bond-Film? Nie war man mehr in einem Bond-Film!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • B
    Bondfrau

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Ich bzw. wir waren absolut begeistert von "Skyfall". Ich bin kein fanatischer Bond- Fan, die alten James Bonds gehören irgendwie "dazu" und repräsentieren einfach auch viel Zeitgeist. Na, und einige waren ja auch wirklich spannend, natürlich oft- immer ätzend frauenfeindlich, aber das waren ja nicht nur die Filme.....Es war das erste Mal das ich wg. "Bond" im Kino war- und war wirklich tief beeindruckt- den Artikel der Taz finde ich treffend. Bond ist wieder auferstanden- der frauenverschlingende Bond, der nach jedem Kampf wieder gut aussieht, ist doch passe´, das paßt nicht mehr in unsere Zeit-ist doch langweilig und ein ausgedientes Modell der 60iger Jahre.Da sahen die Frauen und der Haushalt auch anders aus...propper, alles paletti. Wir brauchen andere Helden.. Kurz zusammengefaßt: der Film ist wirklich spannend, anregend, tolle Aufnahmen, hat Witz und sogar eine gewisse "Tiefe"- und verbindet die alte Bond- Ära gelungen mit der Jetztzeit und den Irrungen und Wirrungen der Frauen und Männer hier und heute- "bondmäßig".

  • Y
    yepp

    @Bjalla

     

    James Bond war seit jeher eine Persiflage, eine Show - aber eine unterhaltsame Show - nicht mehr, nicht weniger, und das war gut so

     

    Daraus nun eine Charakterstudie machen zu wollen ist einfach nur albern (welche Straehnchenfarbe hatte der Boesewicht nochmals....?), - weil es an den Haaren herbeigezogen daherkommt, munter in Belangloses reingedeutet wird und dann auch noch schlecht gemacht ist. - Da akzeptiere ich dann lieber noch unseren sehr verehrten Herrn Aussenminiter Westerwelle als tragischen Helden :P

  • B
    Bjalla

    @freak: JA! Daniel Craig ist ein anderer Bond als noch Connery; er hat Kanten ist nicht so glatt und "kulitiviert", aber genau dass fand ich an den früheren Bonds nervig, aalglatte Saubermänner, die einen dreckigen Job machen, dabei übermenschlich agieren und tolles Spielzeug haben und nebenbei noch ein paar Frauen konsumieren. Ja, Thierry Blanc, Bonds sind frauenfeindlich und transportieren ein widerwärtiges Schwarz-Weiß-Denken, ABER: seit Casino Royale errodiert diese Weltsicht. Craig ist ein Mensch (mit Emotionen und charkterlichen Facetten) und keine smarte Killermaschine in Diensten Ihrer Maiestät. Seit nach Brosman dieser "Kalter-Kriegs-Plott-Habitus" aufgebrochen wurde, freue ich mich auf einen neuen Bond und schau mir nicht nur halb widerwillig die alten in der Glotze an (dem Gatten zuliebe). Nach dem alten Denkmuster noch 10 weitere Filme zu produzieren wäre weltfremd. Ich finde gut, dass die Verantwortlichen das realisiert haben. Leere Anzüge mit smartem Witz und seichtem Text gibt es genügend in der Welt, da muss sich Bond nicht (mehr) einreihen.

     

    "Möchten Sie Ihren Martini geschüttelt oder gerührt?" - "Sehe ich aus als ob mich das interessieren würde?!"

  • M
    M....K....

    ganz einfach, die Antwort auf die Frage: "NEIN", warum?

  • TB
    Thierry Blanc

    Bondfilme sind frauenfeindlich, faschistoid und rassistisch! Wie kommt die TAZ dazu, völlig unkritisch über einen 'western-culture-is-superior'-Film zu berichten? Der letzte Bond war ausnahmsweise politisch korrekt (CIA-unterstützte Usurpation von Ressourcen in einem Entwicklungsland), aber das haben wohl nur die Wenigsten bemerkt.

    Korrigiert der neue Bond dies und lehrt uns wieder, warum England mit den USA an der Seite die Welt beherrschen darf?

  • K
    killedbill

    @freak

     

    "ich kenne einige die das genauso sehen wie ich, nur in den medien traut sich niemand mal zu sagen was sache ist."

     

    was ist denn Sache? Ich bin der Meinung dass Casino Royale der beste Bond seit Goldeneye war. Klar ein Quantum Trost war weniger gut, aber nur weil man Craig nicht mag ist es noch lange keine ausgemachte "Sache" dass er der schlechteste Bond aller Zeiten ist.

  • S
    Schroedingers

    "der 60er-Jahre-Hedonismus und auch der Humor finden sich auf sparsame Portionen reduziert, und heraus kommt etwas, das zugleich teuer und ökonomisch, klassisch und absolut modern erscheint. "

     

    Jungejunge - was fuer eine Rezension.

     

    Ich habe die ersten beiden Craig-Bond Filme gesehen und war nicht gerade begeistert. Sollte "modern" gleichzusetzen sein mit so extrem schnell, dass unuebersichtlich, humorlos, unsouveraen und in der Welt verloren, so mag der Rezensent recht haben - eine Werbung fuer die kommenden Bond-Craigs ist das aber nicht.

    Was das aber noch mit einem 007 zu tun haben soll, ist mir schleierhaft

  • F
    freak

    wie sich einfach kein zeitung traut etwas gegen Daniel Craig den schlechtesten Bond aller zeiten zu sagen.

    Er hat keinen Stil und keinen Charme und das ist es was Bond mehr aus macht als ein Auto oder eine Frau.

    ich kenne einige die das genauso sehen wie ich, nur in den medien traut sich niemand mal zu sagen was sache ist.

    nicht das mich jemand falsch versteht es sind immernoch gute action filme und ich schaue gerne gute action filme, aber sie verdienen den namen Bond nicht!

  • K
    Karsten

    So kurz vor dem Start einfach mal ganz viel spoilern... Damit hätte man wenigstens bis zur Premiere in Deutschland warten können.