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Kosten für Stuttgart 21 explodierenTeurer Spatenstich

Wegen erwarteter Mehrkosten von 1,5 Milliarden Euro fordern die Gegner von Stuttgart 21 ein Ende des Projekts. Es sei besser, die Mittel anderweitig zu investieren.

Am Mittwoch will der Aufsichtsrat der Bahn über mögliche Mehrkosten für Stuttgart 21 und Konsequenzen daraus beraten. Bild: dpa

BERLIN taz | Ein Ausstieg aus dem umstrittenen Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 würde nach Ansicht der Gegner des Vorhabens etwa 300 bis 400 Millionen Euro kosten – und damit machbar sein. „Eine Wende bei dem Projekt ist notwendig“, sagte der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, Eisenhart von Loeper, am Montag in Berlin.

Er widersprach damit dem Chef der baden-württembergischen SPD-Landtagsfraktion, Claus Schmiedel, der ein Ende des Projekts wegen angeblicher Ausstiegskosten von bis zu drei Milliarden Euro für undenkbar hält. Man könne nicht einfach den Wert der Bauaufträge für dieses Projekt addieren und das Ergebnis dann als Kosten für einen Ausstieg bezeichnen, so von Loeper. „Es ist ja noch nichts gebaut worden.“ Wenn die Bahn voreilig Aufträge vergeben habe, trage sie selbst die Schuld daran.

Am Mittwoch will der Aufsichtsrat der Bahn über mögliche Mehrkosten für Stuttgart 21 und Konsequenzen daraus beraten. Dem Aufsichtsrat werde ein Kostenplan in Höhe von sechs Milliarden Euro vorgelegt, so von Loeper. Bislang sind 4,5 Milliarden Euro für den Umbau des Bahnknotens in Stuttgart veranschlagt. Dadurch sollen weite Flächen bisherigen Bahngeländes in der Stuttgarter Innenstadt neu bebaut werden können.

„Die zu erwartenden Kostensteigerungen sind nicht akzeptabel, weder für die Bahn noch für den Bund oder das Land Baden-Württemberg“, sagte Michael Ziesak, Chef des ökologisch orientierten Verkehrsclubs Deutschland. Ziesak forderte die Einstellung aller Bauarbeiten in Stuttgart, bis ein unabhängiges Gutachten über die zu erwartenden Kosten vorliegt.

Ausgebremste Bahnprojekte

Sollte diese Stadtentwicklungsmaßnahme im Südwesten Deutschlands fortgesetzt werden, würden viele wichtige Bahnprojekte in Deutschland ausgebremst. Dazu zählt Ziesak den Ausbau der Strecken Karlsruhe–Basel, Frankfurt–Mannheim, Frankfurt–Fulda sowie den Verkehrsknoten Hamburg und Köln. „Werden jetzt sechs Milliarden Euro allein in einen Bahnhof gesteckt, der nur dem Prestige dient, droht das System Schiene in Deutschland zu kollabieren.“

Für Werner Reh vom Umweltverband BUND wäre ein Abbruch von Stuttgart 21 eine „Riesenchance“. Klimaschutz im Verkehr sei nur möglich, wenn die Kapazität des Schienengüterverkehrs in Deutschland verdoppelt werde. Dazu gehöre auch, die wachsende Container-Lawine aus den Seehäfen von der Straße auf die Schiene zu bringen. Die Investitionen dafür müssten schnell kommen.

Der Fahrgastverband Pro Bahn hat eine alternative Bahnhofsvariante wieder ins Spiel gebracht: eine Kombination aus Tief- und Kopfbahnhof. Aus Sicht des Fahrgastverbands bringt die Kombilösung „die notwendige Leistungssteigerung auf der Schiene“ für künftige Verkehrszuwächse am Bahnknoten Stuttgart. Diese Lösung sei vorschnell verworfen worden, kritisierte Pro Bahn. Nun sei es „höchste Zeit, die Notbremse zu ziehen und endlich realistische Ziele anzustreben“.

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7 Kommentare

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  • B
    berufsschullehrer

    Wenn Stuttgart bessere Schienenverbindungen und Europa die Schnellbahn Stg-Ulm braucht, dann spart doch einfach Geld - Kopfbahnhof sanieren, Güterzugumfahrung mit ICE-Halt in Untertürkheim zusätzlich, Neubaustrecke erst durchs Filstal, wenige Tunnel, schnell realisierbar.

    Ach so - dieser Provinzflughafen hat ja schon eine S-Bahn. Das reicht. FRA per ICE für Fernflüge.

    Vorbild - Kassel mit Wilhelmshöhe, Köln mit Deutz-Tief.

    Außerdem haben - München, Zürich, Leipzig.....alle ihre Kopfbahnhöfe behalten - sind die alle doof?

    Oder ging es da einfach mehr um die Bahn und die Fahrgäste - also quasi um uns?

    Wenn der Büromangel übermächtig seil sollte - überbaut die Bahn - wie in Paris-Montparnasse.

    Geht alles. Kostet weniger. Geht viel schneller und erhält die Schienenkapazität der Netze.

    Wie die Vorredner sagen - eigentlich ist das Geld woanders viel wichtiger - Güterverkehr, Bahn in der Fläche ausbauen, 2. Gleis Gäubahn, Oberrheinstrecke, Netzsanierung, Knoten Köln und HH, vielleicht mal neue und zuverlässige Züge usw.

    Bitte haltet den Widerstand in Stg aufrecht!

    Ihr könnt euch hoffentlich 20-25 Jahre Baustellenchaos sparen.

    Ich hoffe und wünsche uns allen, dass dieser überteuerte Irrweg vermieden werden kann.

  • T
    tfunker

    "Der Fahrgastverband Pro Bahn hat eine alternative Bahnhofsvariante wieder ins Spiel gebracht: eine Kombination aus Tief- und Kopfbahnhof."

     

    Das ist auch, was Geißler im Schlichterspruch "anordnet". Ich verstehe nicht, wieso man nicht in einer Volksabstimmung diesen Kompromiss zur Wahl gestellt hat (als Kampagne "pro Schlichterspruchvariante"). Dann hätte es Frieden geben können. Stattdessen ist das Land weiter gespalten, die einen verstehen, dass großen Mist fabriziert wird und die anderen, die sich einbilden, dass

  • PM
    Peter Meisel

    Die drei Nornen sind das Problem: Angela Merkel - Liz Mohn - Friede Springer

    Friede sei mit Dir! Friede Springer lässt über Kai Diekmann eine Meinung bilden. Es scheint als Trans-Parenz (parieren) für Helmut Kohl ein "Ehrenwort" zu genügen. Wir erleben die Wahrheit wie durch Milchglas. Die Bahn erschein mir zur Geldwäsche gut für Immobilienspekulationen wie S21. BW hat Steuer CD's immer abgelehnt. Das Abkommen mit der Schweiz darf BW nicht unterstützen! Damit erreichen die Steuer Hinterzieher Amnestie und Anonymität. Friede, die mit dem Wulff tanzt. Dem Blatt gelingt es einen CDU Berufspolitiker zum Präsidenten hoch zu schreiben und auch wieder herunter zu holen. Mir wird die Bedeutung von unabhängig - überparteilich klar: Sie ist unabhängig reich und steht über der Partei, CDU? Nach dem Stresstest hat Heiner Geißler gemeinsam mit SMA (CH), den Kompromiss "Frieden in Stuttgart" vorgeschlagen und Tags darauf finde ich auf der Titelseite ihres Meinungs-Machers BILD, den Verriss: Stuttgart 21 "Geißlers irrer Kompromiss". Die Medien Göttin, Friede Springer ist Mitglied in der CDU und eine Freundin der Götterbotin Angela Merkel. Am 8.1.2009 heißt es in BILD "Friederike weiß, dass ich sie liebe!" (Günther Oettinger). Am 30.3.2009 unterschreibt er den S21 Finanzierungsvertrag. Irren ist systemimmanent aber umkehrbar.

  • KP
    Karl Pfaff

    Ach was explodiert denn da. Das ist doch erst ein Viertel der bisherigen Kosten. So richtig explodiert das Projekt erst, wenn die Herrenknecht-Tunnelbohrmaschinen zum Einsatz und die ersten Hänge ins Rutschen kommen, oder auch ein wenig Mineralwasser aus dem Bauloch sprudelt. Wir Stuttgarter werden doch locker dieses lächerlich Berliner Flughäfele toppen können. Das machen wir schon mit unserer Neubaustrecke nach Ulm. Stuttgart 21 wird vielmehr unser Griechenland. Wir können alles - auch Insolvenz.

  • K
    KlausK

    Es waren u.a. genau die Ausstiegskosten, mit denen die S21-Befürworter vor der Volksabstimmung die Wähler verunsichert und geködert haben.

    Schmiedel bläst nun wieder in dasselbe Horn, wobei er nicht glaubwürdiger wird.

    Übrigens schätzten die S21-Freunde die Ausstiegskosten zur Zeit der Abstimmung auf 1,5 Mrd., der Betrag, um den das Projekt jetzt sowieso schon teurer wird...

  • ER
    es reicht !!!!

    Montagsdemo 18h - jeden Montag 18h entweder Marktplatz, Stuttgart 18h oder Hauptbahnhof, Stuttgart

     

    www.bei-abriss-aufstand.de

  • P
    poopinger

    Mittlerweile is doch eh allen Klar, warum die Bahn damals so radikal vorgegangen ist, und trotz Demonstrationen und Naturschutz und PuPaPe immer auf die Fortsetzung des Baus pochte.

    Die haben damals genau gewusst, dass das Ganze ein paar Milliarden teurer wird als sie zugaben und wollten das Projekt so schnell wie moeglich zum 'Point of no return' treiben.

    Illegales Assi-Pack is des. Also eigtl. gibt's da ueberhaupt keine Diskussion, alle Mehrkosten muessen von der Bahn getragen werden