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Datenschutz bei elektronischen BüchernWenn das E-Book schnüffelt

Die Netzbürgerrechtsorganisation EFF hat überprüft, was Amazon, Google und Co. von Lesern elektronischer Bücher speichern. Deren Neugier scheint groß zu sein.

Anonymität des Lesers: Der traditionelle Bibliotheksbesuch ist deutlich sicherer als das digitale Äquivalent. Bild: dpa

Bücher aus Papier sind, wenn man sie einmal mit dem Internet vergleicht, ein Hort der Privatsphäre. Kein Fremder käme auf die Idee mitzuspeichern, welche Kapitel ein Schmökerfreund genau liest, was sie oder er lieber überblättert und welche Stellen man anstreicht. Bei diesem vollanalogen Medium konnte sich der „Nutzer“ bislang höchstens bei der Titelauswahl durch die Einkaufsliste beim Buchhändler oder das Ausleihverzeichnis der Bibliothek verraten – die Lektüre selbst blieb fremden Augen verborgen.

Dieser Form des kuscheligen Print-Datenschutzes droht nun ein jähes Ende: E-Books, das digitale Äquivalent zum Gedruckten, werden zu einem ähnlich nachverfolgbaren Medium, wie es das Web längst ist.

Das zeigt eine https://www.eff.org/pages/reader-privacy-chart-2012neue Untersuchung, die die amerikanische Sektion der Netzbürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) nun vorgelegt hat. Sie vergleicht, welcher Geräte- und Diensteanbieter welche Daten – laut Geschäftsbedingungen – mitspeichern darf oder kann. Und das ist eine ganze Menge.

„In nahezu allen Fällen gibt man beim Lesen von E-Books mehr von seiner Privatsphäre auf, als wenn man in einer Bibliothek oder einem physischen Buchladen nach Lesenswertem stöbert oder ein Papierbuch zuhause liest“, schreiben die Macher. Hinzu kommt, dass die Anbieter sich nahezu ohne Ausnahme hinter kaum zu verstehenden AGB-Paragraphen verstecken.

„Vage und langatmige Antworten“

„Die Antworten auf häufige Datenschutzfragen sind in vielen Fällen frustrierend vage und langatmig.“ Insgesamt sieben E-Book-Läden mit amerikanischer Präsenz von Amazon bis Google, das Internet Archive und den von diversen weiteren Anbietern verwendeten Adobe Content Server nahm sich die EFF vor.

Zu den untersuchten Punkten gehörte die Frage, ob Suchanfragen nach Büchern und Einkäufe gespeichert werden, ob das Lesen nachverfolgt wird und ob es möglich ist, einmal gespeicherte Daten wieder löschen zu lassen. Die Antworten auf diese Fragen sind auch deshalb wichtig, weil das E-Book-Geschäft nach wie vor massiv boomt: So besitzt von fünf Amerikanern mittlerweile einer ein passendes Lesegerät, in Deutschland wächst die Nutzerzahl ähnlich flott. Aus der Studie ergibt sich, dass mindestens fünf Dienste Suchanfragen speichern.

Das Ablegen der Einkaufsliste gehört ebenfalls zum guten Ton. Das Zusehen beim Schmökern wird jeweils nur vage definiert. Amazon Kindle, Kobo und Google Books speichern mindestens die letzte Seite, die man gelesen hat, Google Books sogar deren fünf – plus die Werke, die man im Web betrachtet hat.

Beim Löschen sieht es finster aus

Bei Sony ist aus den Datenschutzbedingungen nicht ersichtlich, ob und was gespeichert ist, ebensowenig beim Barnes & Noble Nook, den es mittlerweile auch in Europa gibt. Beim Löschen sieht es ganz finster aus: Nur Anbieter Kobo erlaubt das schnelle Ändern persönlicher Informationen, konkurrierende Dienste lassen schon mal frühere Versionen auf dem Server liegen.

Die Datenweitergabe für Marketing- und Werbezwecke ist ein weiteres Problem: Bei allen E-Book-Verkäufern bis auf Google und Adobe Content Server muss ein explizites „Opt-Out“ an den Anbieter übermittelt werden, damit das nicht passiert. Teilweise wird aber zum Glück nur mit aggregierten Daten gearbeitet: also mit Informationen ganzer Nutzergruppen.

Google teilt Infos auch mit seinen anderen Diensten, wie dies mittlerweile bei vielen Angeboten des Suchriesen der Fall ist. Natürlich behalten sich die Firmen auch vor, Leserdaten an Ermittlungsbehörden weiterzureichen.

Und wer beispielsweise bei Kobo oder Sony ein Magazinabo geschlossen hat, muss damit rechnen, dass seine Daten auch bei dem jeweiligen Verlag landen. Ein weiteres Ärgernis, das die EFF-Untersuchung herausstellt, ist die fehlende Kompatibilität zwischen den Plattformen. So lässt sich beispielsweise Amazons hauseigenes „AZW“-Kopierschutzformat nicht auf andere Geräte übertragen, im Gegenzug beherrschen die Kindles standardmäßig den sonst so beliebten „EPUB“-Standard nicht.

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9 Kommentare

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  • A
    annonymous

    Bei Amazon teure Bücher kaufen, die es durch die Zensur geschafft haben?

     

    Besser: Lesen.to / avaxhome.ws

    = Kostenloser unzensierter Zugriff auf die Weltliteratur (hundertausende von Büchern). Nur Vorsicht vor irreführender Werbung dort.

     

    Aber bitte direkt an den Lieblingsauthor (oder an die Taz) den Betrag spenden, den es einem wert ist.

     

    Wissen oder Waren kostenlos für alle? Sowas muss im Kapitalismus natürlich immer in der Illegalität laufen.

     

    Join us now an share the software!

  • V
    Vivien

    Es ist auch gar nicht nötig bei den genannten Großen seine eBooks zu kaufen. Es gibt auch kleinere Anbieter, da gibt man gar nichts Preis: new-ebooks.de bspw.

  • V
    Vivien

    Es ist auch gar nicht nötig bei den genannten Großen seine eBooks zu kaufen. Es gibt auch kleinere Anbieter, da gibt man gar nichts Preis: new-ebooks.de bspw.

  • RB
    Rainer B.

    Schon bei der Installation eines eBooks muss man diesem Administratorrechte einräumen.

    Zusammen mit den zu installierenden Scripting-Komponenten gibt man seine Festplatte damit praktisch im Internet frei.

  • H
    harry

    @Dr. Klöbner

     

    lieber herr doktor,

     

    sie haben einen teil aus der gesamtproblematik isoliert herausgepickt. mit diesem feature, so wie sie es schildern, kann man sicher leben. es gibt aber andere aspekte, die nicht zu vernachlässigen sind. und somit gehört diese funktion auch ins beobachtungsfeld der kritik. für die datensammelriesen sind solche, scheinbar harmlosen userinformationen in der summe bedeutsam. mir ist das nicht gleichgültig, nur weil es praktisch ist.

  • B
    bempo

    @Dr. Klöbner:

    Herzlichen Glückwunsch zum frisch gewaschenen Hirn, Herr Doktor! Was war das früher auch für eine Plackerei, die jeweils letzte Seite des gerade gelesenen Papier-Buches wiederzufinden, wollte man nicht jedesmal wieder auf Seite 1 anfangen! Puh!

  • H
    haben!

    Ist doch egal! Das ist neu, glänzt schön, blinkt und leuchtet - das wollen wir!

  • A
    andyconstr

    Heute ist es kommerzielle Schnüffelei, morgen die des Überwachungsstaates.Das man unter Umständen nichts unbeobachtet mit seinen PC machen kann dürfte wohl jedem klar sein, das sich aber George Orwell heimlich beim illegalen lesen von dem Kapital einschleicht, hätte man früher nicht für möglich gehalten.

  • DK
    Dr. Klöbner

    It's not a bug, it's a feature. Amazon merkt sich in der Tat die zuletzt aufgeschlagene Seite, und das ist auch gut so! So kann ich jederzeit an der letzten Stelle weiterlesen, auch wenn ich zwischendurch in einem anderen Buch oder einer Zeitschrift gelesen habe. Nennt sich "Whispersync" und wird von Amazon sogar explizit beworben. Dadurch kann man nämlich den Lesefortschritt auf allen seinen Geräten synchronisiseren. Egal, ob ich zu Hause auf dem Kindle lese oder unterwegs auf dem Handy, ich kann immer an der richtigen Stelle wieder aufsetzen, ganz automatisch. Lesezeichen, die ich selber explizit setze, werden genauso abgeglichen.

     

    Anders als die üble Schnüffelei, die Facebook teils selbst durchführt, teils über die APIs beliebigen Schadprogrammierern überläßt, ist dieser Abgleich nicht schädlich, sondern für mich als Anwender sinnvoll und nützlich.