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Amazons GeschäftsmodellKindle mit Nassrasierer-Strategie

Der E-Commerce-Riese Amazon verdient mit seinen E-Book-Readern und Tablets kaum. Stattdessen will Firmenchef Jeff Bezos mit Inhalten Gewinne machen.

Risikoreicher Ansatz: Amazon-Chef Bezos will mit dem Kindle langfristig Geld verdienen. Bild: dapd

Als Amazon-Chef Jeff Bezos vor gut einer Woche den internationalen Rollout seiner jüngsten E-Book-Lesegeräte verkündete, machte er auch bei der britischen BBC Station. Das dabei entstandene //:Interview ließ die IT-Branche aufhorchen.

Bezos, als Frohnatur bekannt, räumte freimütig ein, dass der E-Commerce-Konzern Geräte wie den neuen Reader Kindle Paperwhite oder das Tablet Kindle Fire HD „zum Selbstkostenpreis“ („at our cost“) verkaufe. „Dementsprechend arbeiten wir kostendeckend.“ Schon im Vormonat bei der großen Vorstellung der neuen Geräte für den US-Markt hatte Bezos etwas Ähnliches angedeutet: Damals sagte er, Amazon wolle nur etwas verdienen, „wenn die Leute unsere Geräte benutzen, nicht wenn sie sie kaufen“.

Die Strategie, die das Unternehmen fährt, ist simpel: Amazon macht es wie beim Nassrasierer. Dort läuft es bereits seit über 100 Jahren so. Die „Hardware“, also der Rasierer selbst, wird vergleichsweise billig abgegeben, um die Kundschaft zu locken. Die „Software“, also die Rasierklingen, lässt man sich dagegen gut bezahlen - und da die ständig ausgetauscht werden müssen, entwickelte sich ein Bombengeschäft.

Die Software ist bei der Kindle-Produktlinie das Inhaltematerial, das Amazon anbietet. Da wäre zum einen die, zumindest auf dem US-Markt, mittlerweile größte E-Book-Bibliothek, wo man Bestseller-Bücher für 10 bis 15 Dollar erhält. Dann verkauft Amazon auch noch erfolgreich MP3-Dateien und versucht sich im Handel mit digitalen Filmen und Serien.

Gegenmodell zu Apple

Außerdem gibt es eine Videoflatrate in den USA: Für 75 Dollar im Jahr erhält man im Shop bestellte Produkte nicht nur schneller und stets kostenlos, sondern darf sich per „Amazon Instant“ auch noch in einer wachsenden Filmbibliothek sattsehen und kostenlos E-Books ausleihen.

Amazon setzt auf ein ganz anderes Modell als Konkurrent Apple. Dort werden mit jedem verkauften Stück Hardware, sei es nun ein iPhone oder ein iPad oder ein Mac-Rechner, dicke Gewinne mit einer unternehmensweiten Marge von 25 Prozent (Juni 2012) und mehr gemacht. Aber etwa im E-Book-Sektor ist Apple hinten.

Risikolos ist Amazons Ansatz, den Markt mit billiger Hardware zu übernehmen, nicht. So verdiente der Konzern im letzten gemeldeten Quartal bei einem Umsatz von 12,83 Milliarden Dollar nur noch schlappe 7 Millionen - die Investitionen fraßen den Gewinn auf. Und auch der groß angekündigte Einstieg ins Buchgeschäft, wo Amazon unter verschiedenen Imprints selbst zum Verleger wird, läuft nicht recht rund.

So zahlte der Konzern einen Vorschuss von 800.000 Dollar für die Biografie der US-Schauspielerin und Regisseurin Penny Marshall („Big“, „Jumpin' Jack Flash“). Das Werk soll sich gedruckt in den ersten vier Wochen nur 7000 Mal verkauft haben, weil große Buchhandlungen und Supermärkte wie Barnes & Noble oder Walmart den Titel nicht führen - sie fürchten, von Amazon überrollt zu werden.

Gutes tun, das sich nur auf den ersten Blick nicht rechnet

Trotzdem darf man Jeff Bezos nicht unterschätzen. Er schaffte es in seiner Laufbahn als Amazon-Boss seit 1994 immer wieder, der Kundschaft Gutes zu tun, das sich auf den ersten Blick nicht rechnete - beispielsweise schon sehr früh kostenlosen Buchversand.

Doch das schnelle Wachstum gab ihm recht: Mittlerweile ist das Unternehmen der größte E-Commerce-Anbieter in den westlichen Industrieländern mit einem Angebot, in dem vom Kleidungsstück bis zur Tomatensauce fast nichts mehr fehlt. Da der Trend bei Medienprodukten, die Amazon traditionell nach vorne brachten, zur Digitalisierung geht, wollte sich der Konzern auch hier nicht die Butter vom Brot nehmen.

Resultat war der E-Book-Reader Kindle, der mittlerweile seit fünf Jahren in zahllosen Versionen auf dem Markt ist - und das Tablet Kindle Fire, das im wichtigen US-Markt als einziger iPad-Konkurrent gilt, dem Branchenvertreter eine Chance einräumen. Und trotz aller Investitionen bleiben dann doch stets gute Gewinne hängen - wenn nicht heute, dann morgen.

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7 Kommentare

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  • JF
    Jana Fedder

    Kann man hier auch in der taz nachlesen:

    http://www.taz.de/Schlechter-Service-bei-Amazon/!104104/

  • JF
    Jana Fedder

    "Kindle Fire, das im wichtigen US-Markt als einziger iPad-Konkurrent gilt" ... Seltsam, hat man in den USA etwa noch nichts vom Google Nexus 7 gehört?

     

    Die Kritik am Geschäftsmodell von Amazon ist übrigens völlig berechtigt (für die Merkbefreiten wie Medienkritiker: Das hat rein gar nichts mit Links oder Rechts zu tun). Es geht darum, dass bei Amazons Geschäftsmodell die Käufer unfair und einseitig benachteiligt werden.

     

    Auch die Tatsache, dass jedes gekaufte E-Book mit einem personalisierten Amazon-Account fest verbunden ist und nur auf Kindle-Geräten gelesen werden darf, entspricht dem Datenschutz-Super-GAU des gläsernen Kunden, dem dann auch noch vorgeschrieben wird, wo und wie er seine legal gekaufte und bezahlte Ware zu lesen hat.

     

    Amazon zieht die arglosen Käufer im Kleingedruckten seiner AGBs hinterhältig über den Tisch, indem man es sich so hindreht, dass der Käufer seine bezahlten Bücher gar nicht besitzt, sondern nur eine "Lizenz fürs Lesen" von Amazon erwirbt. So kann es dann passieren, dass Amazon nachträglich gekaufte Bücher vom Kindle seiner Kunden löschen kann:

    http://www.spiegel.de/netzwelt/web/e-reader-kindle-amazon-loescht-digitale-exemplare-von-1984-a-637076.html

     

    Und die Tatsache, dass alle gekauften Kindle-Medien zwingend einen Amazon-Account voraussetzen, macht alle Kunden ihr gesamtes Leben lang von einem einzigen Händler abhängig. Wenn Amazon behauptet, irgendjemand hätte gegen die Vorschriften von Amazon verstoßen, oder der Meinung ist, man will einen als Kunden loshaben, dann sind mit dem Amazon-Kundenkonto auch gleich alle im ganzen Leben gekauften Medien auf dem Kindle weg.

     

    Welch schöne Zukunft, wenn wir uns alle nur noch von einem Monopolisten abhängig machen.

  • L
    lui

    mehr als das system der geldmaximierung interessiert mich, ob amazon immer noch in der lage ist ebooks nachtraeglich und ohne zustimmung vom geraet zu loeschen. so wie sie es schon in der vergangenheit gemacht haben.

  • J
    Jörn

    Es mag zwar nicht dem kurzfristigen Börsendenken entsprechen, doch Amazon hat eine langfristig äusserst erfolgreiche Strategie. Der Kindle überzeugt durch den niedrigen Einstiegspreis. Da das Gerät jedoch nach wenigen Jahren veraltet ist, führt nicht das Gerät selbst zur langjährigen Kundenbindung. Viel stärker wirken die Inhalte im proprietären Format. Niemand möchte nebeneinander verschiedene eBook-Reader verwenden. Wer seine alten Bücher weiter lesen können will, wird daher auch seine neuen Bücher weiter bei Amazon kaufen.

  • A
    arribert

    Genau wie bei den Druckern wird es auch hier irgendwann Möglichkeiten geben für deutlich geringere Kosten das Gerät zu befüllen. Bei Rasierern kann man es auch umgehen, indem man ein NoName-Produkt eines Drogeriemarktes kauft, die passenden Klingen kosten die Hälfte, gut der Beckham macht keine Werbung dafür.

    Dann wird genau wie bei den Druckern ein Wettrüsten einsetzen. Viele Stadtbibliotheken verleihen mittlerweile über onleihe ihre Bücher. Wer viel liest, sollte sich anschauen, ob der Kindle das Format lesen kann.

  • B
    Bachsau

    Das ist wie bei Druckern, wo nicht am Gerät, sondern an der Tinte verdient wird.

  • M
    Medienkritiker

    Tja, wenn jemand Gewinn machen will, dann ist das natürlich einer permanent mit der Insolvenz kämpfenden taz suspekt.

     

    Tja, wie es denn das Geschäftsmodell der taz? Mit Neid die Leute ansprechen, die sowieso auf Kosten der Steuerzahler leben. Tja, mit diesen Inhalten kann das nicht funktionieren.

     

    Tja, wie wäre es, mal von den Erfolgreichen zu lernen?

     

     

    Ach so, die Linken sind ja beratungsresistent.