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Hilfe für BlumenthalRettung in Sicht

SPD und Grüne fordern ein umfassendes Maßnahmenpaket für die George-Albrecht-Straße in Blumenthal. Die gilt als "sozialer Brennpunkt".

Sorgt für Aufregung: Die George-Albrecht-Straße in Blumenthal. Bild: Miba

Die George-Albrecht-Straße in Blumenthal gilt als „sozialer Brennpunkt“: Im Juli wurde dort eine alte Frau bei einem Überfall so schwer verletzt, dass sie starb, im Oktober beteiligten sich rund 50, teilweise mit Messern und Stöcken bewaffnete Menschen an einer Massenschlägerei, bei der es drei Verletzte gab. Die Häuser sind heruntergekommen, der Ausländeranteil unter den BewohnerInnen ist hoch, die Arbeitslosgkeit auch.

Viele Roma leben dort, ein großer Teil ohne sicheren Aufenthaltsstatus. Die Zustände, aber auch der damit einhergehende Rassismus ihnen gegenüber sowie die Forderung nach Sippenhaft durch Blumenthals sozialdemokratischen Ortsamtsleiter Peter Nowack und die Bildzeitung (taz berichtete), haben den ehemaligen Pastor der evangelischen Bockhorn-Gemeinde, Ernst Uhl, zur Niederschrift einer „Blumenthaler Erklärung“ veranlasst – und die Fraktionen von SPD und Grünen zu einem Antrag, den sie gestern in der Bürgerschaft vorgebracht haben.

In Uhls Erklärung heißt es: „Ausdrücklich stellen wir uns, gerade auch in Blumenthal, hinter Migranten und Flüchtlinge, insbesondere hinter die wegen ihrer Rasse verfolgten Roma (...) Der Bremer Senat ist gefordert, sich zu den Vorfällen und Verhältnissen in Blumenthal klar zu äußern, vor allem aber den Stadtteil mit seinen Problemen nicht allein zu lassen.“

Das ist bisher weitestgehend geschehen, wie Lirije Tesnedji bestätigt. Seit zwölf Jahren lebt sie in der George-Albrecht-Straße: „Hier fehlt einfach alles: Treffpunkte für Jugendliche, ein Raum für Kinder, vernünftige Spielplätze.“ Sie kommt aus dem Kosovo, wie die meisten Roma-Familien in ihrer Straße: „Unsere Kinder sind fast alle schlecht in der Schule und gelten für viele Deutsche als dumm. Aber ihre Eltern sind Analphatbeten und können ihnen zuhause nicht helfen – deswegen sind diese Kinder natürlich benachteiligt.“ Außerhalb des Schulalltags gebe es keine Hilfe für die Roma-Kinder. Für Tesnedji sind es nicht „kriminelle Roma“, die in Blumenthal für Ärger sorgen: „Hier kommen viele Nationalitäten zusammen und machen Stress, aber nicht die Roma – die meisten von ihnen haben zuviel Angst. Wir wollen nichts weiter als eine ruhige Ecke, in der wir leben können.“ Ein großer Teil der Jugendlichen, der in Blumenthal auffällig würde, käme nicht einmal von dort, sondern aus anderen Stadtteilen Bremens. Auch die Polizei widerspricht dem nach außen transportierten Bild: Die Roma-Familien in Blumenthal seinen nicht verantwortlich für die Probleme im Quartier, ihre Kooperationsbereitschaft gegenüber der Polizei sei hoch.

Damit es wieder ruhig wird in Blumenthal und der George-Albrecht-Straße, haben SPD und Grüne gestern in der Bürgerschaft die umgehende Einstellung eines Quartiersmanagers für eine Vernetzung der sozialen und sozialpädagogischen Angebote in der George-Albrecht-Straße und der umliegenden Straßen im Ortsteil Blumenthal gefordert sowie die Einrichtung eines Quartierstreffpunktes. Er soll Anlauf- und Beratungsstelle und Raum für soziale Projekte und Bildungsangebote sowie regelmäßige Sprechstunden beim Blumenthaler Kontaktpolizisten bieten. Um das zu finanzieren, soll die George-Albrecht-Straße laut Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) „ein Mini-Win-Gebiet“ werden – also Teil des kommunalen Handlungsprogramms „Wohnen in Nachbarschaften“ (Win), durch das andere benachteiligte Stadtteile wie Osterholz-Tenever bereits gefördert werden.

Neben sozialpädagogischen und beschäftigungspolitischen Maßnahmen und Bildungsangeboten fordert die Regierungskoalition außerdem eine Stabilisierung der ausländerrechtlichen Aufenthaltssituation von BewohnerInnen und Bewohnern des Quartiers – ein weiterer Punkt, der auch Lirije Tesnedji am Herzen liegt: „Viele Menschen leben hier wie in einem Gefängnis, in ständiger Angst. Vor allem für die Kinder ist eine Abschiebung schlimm – für die ist Deutschland ihre Heimat!“ Und fügt hinzu: „Im Gegensatz zum Kosovo werden die Roma hier mit Respekt behandelt.“

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