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Rosa Luxemburg-Demo in Berlin„Zeitgemäßes Gedenken nötig“

Ein linkes Jugendbündnis will im Januar eine eigene Rosa-Luxemburg-Demonstration durchführen. Fabian Weissbarth von den Jusos über die Gründe.

Rosa-Luxemburg-Gedenkstätte in Berlin-Friedrichsfelde. Bild: AP
Interview von Peter Nowak

taz: Herr Weissbarth, interessieren sich junge Menschen noch für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht?

Fabian Weissbarth: Die Beschäftigung mit der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung ist für junge Menschen in unseren Verbänden enorm wichtig. Doch die bisherigen LL-Demonstrationen haben es vielen jungen Leuten schwer bis unmöglich gemacht, sich daran zu beteiligen.

Was stört Sie an der Demonstration, die seit 1990 von Friedrichshain zu den Gräbern der SozialistInnen zieht?

Ein wichtiger Faktor waren im letzten Jahr tätliche Angriffe gegen GenossInnen. Die hatten mit einem Transparent gegen Stalin- und Mao-Bilder protestiert, die auf der Demo gezeigt wurden. Vonseiten der Demoleitung und den meisten TeilnehmerInnen wurden die GenossInnen nicht unterstützt. Jusos, Falken, Naturfreunde-, DGB-Jugend und Solid sind daraufhin unabhängig voneinander zu der Überzeugung gekommen, dass eine Teilnahme an der traditionellen Demonstration nicht mehr möglich ist.

Hat die Demo denn nicht dazu beigetragen, eine öffentlich wahrnehmbare linke Gedenkkultur zu etablieren?

Wir sprechen vielen TeilnehmerInnen nicht ab, dass es ihnen um ein linkes Gedenken geht. Wir wollen mit unserer Initiative dieses Gedenken weiterentwickeln. Dazu ist aber ein Bruch mit autoritären Sozialismusvorstellungen nötig, wie sie im Zeigen von Stalin- und Mao-Bildern auf der Demo deutlich wird.

Sie haben auch Kritik an dem Demo-Aufruf, der den Syrienkrieg kritisiert und dabei vor allem die USA und Israel angreift. Gehören solche Themen nicht zu einer Ehrung der Antimilitaristen Karl und Rosa?

Wir wollen mit einer klassischen Imperialismusanalyse brechen, die mit ihren Vorstellungen vom Feind USA den komplexen weltpolitischen Vorgängen nicht gerecht wird. Menschen mit friedenspolitischen Anliegen sind aber auf unserer Demonstration selbstverständlich willkommen.

Warum haben Sie als AntitraditionalistInnen doch den traditionellen Termin für Ihre Demo gewählt?

Fabian Weissbarth

25, ist stellvertretender Vorsitzender des Berliner Landesverbandes der Jusos und aktiv beim Bündnis "Dresden Nazifrei".

Wir wollen mit dem Termin erreichen, dass sich die Menschen bewusst zwischen den beiden Demonstrationen entscheiden. Wir denken aber, dass der Tiergarten, wo Luxemburg und Liebknecht ermordet wurden, ein besserer Bezugspunkt ist als der Friedhof der SozialistInnen, den wir als Teil einer Gedenkkultur ansehen, die viele junge Leute nicht mehr anspricht.

Teile des Vorbereitungskreises der traditionellen LL-Demo haben Sie als „Kinder Noskes“ tituliert. Noske war maßgeblich an der Niederschlagung der Arbeiteraufstände 1918/1919 beteiligt. Müssen Sie nicht kritisch die eigene sozialdemokratische Geschichte aufarbeiten?

Wir sind uns der Problematik unserer sozialdemokratischen Geschichte bewusst – wozu auch Gustav Noske gehört – und setzen uns damit auseinander. Gerade deswegen rufen wir zur neuen Demo auf. Wir erwarten aber auch von dem anderen Bündnis, dass es sich seinerseits kritisch mit der Geschichte des Staatssozialismus und kommunistischer Kämpfe auseinandersetzt.

Bislang haben sich mehrere tausend Menschen an der klassischen Demo beteiligt.

Wir rechnen auch mit einer vierstelligen TeilnehmerInnenzahl. Alle am Bündnis beteiligten Gruppen mobilisieren in ihrem Umfeld, auch bundesweit. Zudem organisieren wir vor der Demo eine Aktionswoche, die auch ein Angebot an die KritikerInnen ist, gemeinsam über ein zeitgemäßes Gedenken zu debattieren. Dass die Diskussion darüber allein durch unsere Initiative schon begonnen hat, sehen wir bereits als Erfolg.

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12 Kommentare

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  • S
    SunJohann

    Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht waren sicher manches, aber eines waren sie gewiß nicht: tolerant. Und mit der Freiheit des Andersdenkenden meinte Frau Luxemburg vor allem sich selbst und ihren gewalttätigen Flügel innerhalb der Sozialdemokratie. Der möge eben auch gehört und geachtet, eben auch geduldet, ertragen werden. Es lohnt sich unter anderem, einmal nachzulesen, wie zum Beispiel in seinen Tagebüchern Harry Graf Keßler über diese beiden Revolutionäre dachte. Nebenbei tickte wie diese beiden kommunistischen Schreibtischtäter 40 Jahre lang die DDR, freilich ohne Forderung nach Freiheit der Andersdenkenden, danach, nach eben diesen 40 verlorenen Jahren, war der Sozialismus-Kommunismus-Spuk vorüber. Die alljährliche Gedächtnisspinnerei im Januar kann ich gerade noch so ertragen, der Meinungsfreiheit innerhalb einer Demokratie wegen. Meine Sympathie haben allerdings die Noske-Kinder, und zwar uneingeschränkt.

  • SA
    Schlimmer als Noske

    Steinmeier gehört wegen dem 142-fachen Massenmord von Kundus

    nach Den Haag.

  • RL
    Rosa Luxemburg

    In der BRD gibt es keine Linke, außer vielleicht ein paar Anarchisten, aber die bezeichnen sich nicht als links, weil sie auf die parlamentarische Sitzordnung scheissen.

    Der Rest sind, wie alle anderen 80 Millionen Hooligans, auf Kosten der 3. Welt, in widerlicher ständig guter Laune - hervorgerufen durch totale Verwöhnung als Einzelkinder - vegetierende Überbevölkerung, dekadente Handy- und Automutanten.

    Ihre "Yahooes" und ihr affektiertes Lachen haben sie bei MTV gelernt.

  • R
    revoluzzer

    Ahhhh! Die Jusos im Wahlkampfmodus. Also wird es wohl eine einmalige Veranstaltung bleiben. Mir tut nur jetzt schon der kleine bibbernde Haufen von 50 Leuten im Tiergarten leid, den keiner beachten wird...

  • D
    Dialektik

    Jede Sache hat ja ihre zwei Seiten. Vielleicht liest ja der eine oder andere Teilnehmer an dieser Opportunistendemo mal wirklich und gründlich die Texte von Luxemburg und Liebknecht. Als redlicher Charakter kann man sich dann nur angewidert von diesen kleinbürgerlichen Vereinen abwenden .

  • T
    Thomas

    Da wollen diejenigen, die Hartz IV, den Kosovo- und den Afghanistankrieg, Libyen, den Ausverkauf Griechenlands und jetzt die Stationierung von Soldaten in der Türkei mitgetragen oder voll und ganz zu verantworten haben, eine riesige Demo "kritisieren", weil sie eine Minderheit zulässt, die Stalin- und Mao-Bilder trägt. Gleichzeitig tobt in Solid ein Krieg, weil sich die Bundesleitung einfach über den Willen ihrer Landesverbände hinwegsetzt. Und wer bitte ist die "DGB-Jugend"? Hier wird so getan, als repräsentiere diese die Masse der jungen Gewerkschafter. Man braucht die SPD-Jugend nicht polemisch als Kinder Noskes zu bezeichnen. Es reicht voll und ganz aus, sich anzuschauen, was diese Partei heute fabriziert.

  • F
    flubba

    als jüngere generation einsteigen? na viel spass...entweder bist du naiv oder nich der/die hellste... du kannst ja gerne hingehen und mit den alten betonkommunisten, stasifetischisten und sedkadern demonstriern. vielleicht hast du glück und darfst sogar ne rote fahne tragen oder kriegst nen pionier abzeichen. stell ihnen ruhig fragen, auch wenn ich mich frage was man solche menschen fragt, die dort hingehen und ihren "helden" huldigen, die sie über jahrzehnte für die legitimation ihrer totalitären kacke genutzt haben, aber dann mecker bloß nicht rum wenn irgendwelche bundis sich mit ehemaligen wehrmachts und ss angehörigen treffen, denn sie wollen ja fragen stellen und etwas verändern. meine fresse.... liebe redaktion, das war so objektiv wie es mir nur möglich war.

  • TF
    T. Fischer

    Ich war Anfang der 2000er das erste und letzte Mal auf einer LL(L)-Demo, fand das weitgehend gruselig und freue mich, dass es endlich eine Alternative gibt, die (hoffentlich) ohne Stalinkult, verklärter Romantik und Volksfestwürstchenbudencharakter auskommt. Ich werde jedenfalls da sein.

  • MB
    M. Berger

    Prima Sache - wie es mal wieder "Linke" fertigbringen sich gegenseitig zu zerfleischen. Da trägt einer ein Bildchen, was dem anderen nicht gefällt und deshalb geht er nicht auf derselben Strasse, sondern macht eine eigene Demo ... bis wir ca. 5000 verschiedene Demos haben, deren jeweils zwei Teilnehmer dann aber garantiert bis ins letzte miteinander konform gehen ...

    Dann ist auch endlich Schluß mit der LL-Demo.

     

    Toleranz war mal ein Wert, den auch Luxemburg und Liebknecht gepredigt haben, die sich angesichts derartiger Spaltpilze im Grabe umdrehen würden ...

    Es wäre ja vielleicht denkbar, im Gedenken an Karl und Rosa diese Rechthabereien und Diskussionen mal einen Tag zu lassen und alles links der Mitte stehendes Volk zu versammeln ...

    Aber nein, wir sind ja die einzig wahre judäische Volksfront und die anderen - die Volksfront von Judäa - das sind die Spalter ...

     

    Eine bessere Welt wird durch solche Linken sicher nicht erreicht, dafür aber eine Naturwissenschaftler entzückende Kategorisierung und Kastentrennung dieser Möchtegernweltverbesserer im eigenen Saft.

  • W
    Wow

    Das hört sich gut an, ich werde kommen!

  • A
    Akina

    Ich bin 21 Jahre alt und gehe schon immer auf die traditionelle Demo. Ich kann verstehen, dass man etwas verändern muss und will, aber ich finde dass man das in Zusammenarbeit mit den Aktivist_Innen machen sollte. Zwei Demos halte ich für keine gute Idee, denn das Datum hat sich etabliert und ich finde es wichtig beizubehalten und als jüngere Generation mit einzusteigen und neue Fragen öffentlich zu stellen und zu diskutieren.

  • CC
    C. Carstensson

    Absolut notwendiger und vernünftiger Ansatz. Mehr Mut zur Selbstreflektion dieser Art und man könnte glatt den Glauben an eine linke, radikal-emanzipatorische Perspektive jenseits von Nostalgiezirkus, Despotenkult und trivialmarxistischen Rezepten von vorvorgestern zurückgewinnen. In diesem Sinne, auf zur Demo.