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Drohnen für die BundeswehrVerklärte Kriege

Kommentar von Eric Chauvistré

Bewaffnete Drohnen markieren nicht die Zeitenwende zu einem Hightech-Krieg. Etwas weniger Kriegsromantik würde der Debatte guttun.

Über die Maßen verteufelt: Die Drohne im Einsatz. Bild: dpa

E s kommt selten genug vor, dass über ein neues Waffensystem öffentlich gestritten wird, noch bevor die Entscheidung über dessen Beschaffung fällt. Wenn jetzt also über den Einsatz bewaffneter Drohnen diskutiert wird, ist das erfreulich.

Weniger erfreulich ist: Wie immer, wenn es um die Bundeswehr geht, wird die Debatte mit denkbar hohen Ansprüchen überfrachtet. Da geht es um die großen Fragen der Ethik und des Völkerrechts. Dagegen ist prinzipiell nichts zu sagen. Doch leider gerät dabei die naheliegende und banale Frage in den Hintergrund: Was ändert sich durch die neuen Waffen denn überhaupt – und was nicht?

Wie beindruckend oder auch erschreckend die Vorstellung von Einsätzen unbemannter bewaffneter Flugkörper auch sein mag: Wer diese Systeme für einen qualitativen Sprung in der Rüstungsentwicklung hält, ihre Einführung schon fast zum Zivilisationsbruch erklärt, der verkennt die Wirkung der schon jetzt täglich genutzten Waffen – und pflegt ein Bild der damit geführten Kriege, das in vergangene Jahrhunderte passt, von der heutigen Realität aber weit entfernt ist.

Foto: privat
Eric Chauvistré

ist freier Journalist und hat mehrfach Kampfeinheiten der Bundeswehr in Afghanistan begleitet. Er ist Autor des Buches Wir Gutkrieger. Warum, die Bundeswehr im Ausland scheitern wird (Campus, 2009).

Dieses romantische Bild vom Krieg ist umso besorgniserregender, als auch deutsche Soldaten seit mehr als zehn Jahren in Afghanistan an einem mit der neuesten Militärtechnologie geführten Krieg beteiligt sind.

Das Problem sind dabei nicht die Fragen, die gestellt werden. Problematisch ist, dass so getan wird, als seien sie völlig neu.

Ganz oben steht dabei der Verweis auf den Drohnenkrieg der USA, also die Tötung vermeintlicher oder tatsächlicher Führungskader von Terrorgruppen auch außerhalb von Kriegsgebieten. Die Unrechtmäßigkeit dieser Operationen stellt in Deutschland kaum jemand in Frage.

Ohne Zielkoordination trifft die teuerste Drohne nicht

Vor allem aber hängt diese Strategie nicht zwangsläufig von Drohnen ab. Für den gleichen Zweck wurden zuvor verdeckt operierende Spezialkräfte eingesetzt – und sie werden es weiterhin. Auch für Drohneneinsätze bedarf es Informanten am Boden, ohne Zielkoordinaten kann auch die teuerste Hightech-Drohne nicht treffen.

Zudem ist die Jagd auf mutmaßliche Terrorführer keine Erfindung der letzten zwei Jahre. Sie war von Beginn an Kern des nach dem 11. September 2001 ausgerufenen „Kriegs gegen den Terror“.

In der Folge sandte der Bundestag bekanntlich deutsche Soldaten nach Afghanistan. Und um diese Entscheidung und ihre Folgen scheint es in der Drohnendebatte eigentlich zu gehen. Denn egal ob es um die vermeintliche Automatisierung der Kriegsführung, um die vermeintlich größere Distanz der Soldaten zu ihrem Gegenüber oder um die vermeintliche Verminderung des Risikos für die eigenen Truppen geht: Argumentiert wird stets vor der Folie des – immer noch verklärten – Einsatzes in Afghanistan.

Mythos Sichtkontakt

Da wird dann gerne ausgeklammert, wie sehr die Automatisierung von Waffensystemen fortgeschritten ist: Auch der Kampfpilot, der in mehreren tausend Meter Höhe über Afghanistan fliegt, entscheidet über sein Ziel ja nicht aufgrund eigener Wahrnehmung. Der Pilot im Cockpit ist nur ein kleiner Teil einer Kampfmaschine, er muss sich auf die Sensoren und Rechner seines Flugzeugs verlassen. Man mag das für riskant oder unmenschlich halten, aber es ist keine Entwicklung, die mit dem Einsatz von Drohnen beginnt.

Ähnlich bedenklich ist die Vorstellung, der Pilot im bemannten Flugzeug hätte zwangsläufig eine größere emotionale Nähe zu dem Ziel seiner Bomben als sein Kollege, der von einem Container auf einer Militärbasis aus eine bewaffnete Drohne steuert. Der fliegende Pilot sieht seinem Opfer ebenso wenig ins Gesicht wie der Drohnenpilot.

Und auch wenn dies das romantische Kriegsbild weiter beschädigt: Selbst Bodentruppen haben aufgrund der Reichweite und Schlagkraft ihrer Waffen in der Regel keinen Sichtkontakt zum Gegner. Der zeigt sich ohnehin höchst selten: Die meisten Anschläge auf Isaf-Soldaten in Afghanistan werden mit Sprengsätzen verübt, die aus weiter Entfernung über Kabel, Handy oder andere Funksysteme gezündet werden.

Schließlich wird noch die Befürchtung geäußert, westliche Truppen würden durch den Einsatz von Drohnen quasi unverwundbar und deshalb von Regierung und Parlament womöglich noch leichtfertiger irgendwo in die Welt geschickt als bislang. In den meisten Kriegsgebieten – Afghanistan gehört dazu – tendiert aber das Risiko eines Nato-Piloten, bei einem Einsatz abgeschossen zu werden, schon heute gegen null.

Die Vorstellung, der ungefährliche Drohneneinsatz würde den risikoreichen Einsatz von Kampfjets ersetzen, verkennt die längst bestehende Dominanz in der Luft. Und diese wird auch jetzt schon zur Unterstützung von Bodentruppen eingesetzt. In Afghanistan ist in gefährlichen Gebieten kaum eine Bundeswehr-Patrouille unterwegs, ohne in der Luft entweder von Drohnen, Kampfjets oder Hubschraubern begleitet zu werden. Davon sind die Letztgenannten bewaffnet und schussbereit, nur die Drohnen nicht.

Drohnen sind keine Lösung

Das alles ist kein Plädoyer für die Beschaffung von Drohnen. Dem notwendigen Streit über den Sinn eines neuen Waffensystems ist aber nicht gedient, wenn dabei ein Krieg wie der in Afghanistan verklärt wird, statt sich mit diesem Einsatz kritisch und selbstkritisch auseinanderzusetzen.

Sollte die Bundeswehr bald über bewaffnete Drohnen verfügen, garantiert das übrigens nicht den militärischen Erfolg, den sich so mancher offenbar erhofft: Die allzu enthusiastischen Befürworter der Beschaffung bewaffneter Drohnen seien daran erinnert, dass die Nato-Streitkräfte zwar bewiesen haben, Luftkriege ohne Furcht vor Verlusten führen zu können, sie die erklärten politischen Ziele dabei aber nie erreicht haben.

Wie wenig erfolgreich die luftgestützte Hightech-Kriegführung aus der Luft langfristig ist – egal, ob dabei Kampfjets, Marschflugkörper oder Drohnen eingesetzt werden –, haben die US-Truppen im Irak und in Afghanistan unfreiwillig demonstriert: Dem kurzen Jubel über einen erfolgreichen Luftkrieg folgten viele Jahre Bodenkrieg mit tausenden Verletzten und Toten.

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12 Kommentare

 / 
  • P
    proforma

    Drohnen werden die Waage zwischen Krieg/Erstschlag/Eingriff und ihren friedlichen Äquivalenten eher zur Gewalt tendieren lassen. Ein Politiker, welcher sich für einen Krieg ausspricht, muss zumindest in demokratischen Ländern befürchten, dass er die Zustimmungung der Bevölkerung verliert. Das ist immer dann der Fall, wenn der Krieg für das Volk selbst realer wird - z.B. wenn man Bilder von gefallenen Soldaten im Fernsehen sieht, oder der Sohn von der Nachbarin eingezogen wird und man hört, dass es vielleicht doch nicht so läuft wie der Fernsehmoderator gerade verkündet.

     

    Wenn in Zukunft selbst die Mitbürger, die den Krieg führen mit dem Anzug auf die Arbeitsstelle 10km entfernt fahren sinkt die Wahrscheinlichkeit davon, dass das Volk ein Veto einlegt und im schlimmsten Falle sogar die, das es davon erfährt.

  • BO
    Bir Osmanli

    Ich finde Drohnenangriffe sind auch nicht terroristischer,als Angriffe mit v.zufällig anwesenden

    Passagieren besetzten Flugzeugen auf Hochhäuser.

  • D
    D.J.

    @VauSt

     

    "Und wenn "wir" uns das Recht herausnehmen, diese Art von Terror an einem beliebigen Ort in der Welt auszuüben, was außer der grandiosen westlichen Weltherrschaftsarroganz erlaubt uns dann noch, diejenigen zu verurteilen, die den Terror zu uns zurück bringen?"

     

    Kann mich nicht erinnern, dass es vor dem 11. September Drohneneinsätze gegeben hätte.

    Übliches westliches Selbsthasser-Gebrabbel.

  • V
    VauSt

    Was ich bei dieser Debatte vermisse: Angeblich sind diese Drohnen ja ganz wichtig für die "Terror[ismus]bekämpfung".

    Mehr Terror als Todesschüsse von einem Killerroboter, der von einem irgendwo am anderen Ende der Welt in einem gemütlichen beheizten / klimatisierten Büro sitzenden Söldner gesteuert wird, kann ich mir nicht vorstellen.

    Und wenn "wir" uns das Recht herausnehmen, diese Art von Terror an einem beliebigen Ort in der Welt auszuüben, was außer der grandiosen westlichen Weltherrschaftsarroganz erlaubt uns dann noch, diejenigen zu verurteilen, die den Terror zu uns zurück bringen?

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Vielleicht sollte man die Drohnen auch Anti-Konflikt-Pädagogen abschmeißen lassen. Dann sind alle zufrieden.

  • JR
    Josef Riga

    Drohnen sind kein Quantensprung in der alten Geschichte der Emanzipation der Gewalt, weg von ihrem tragischen und risikobeladenen Kampf "Mann gegen Mann", hin zu der anonymen Tötung aus der Distanz. Im Gegenteil; der Drohnen"führer" sieht seine Opfer sogar präziser als sie jemals ein Bomber- selbst ein STUKA-Pilot wahrnehmen könnte. Töten wird ein persönliches Geschehen - aber mit einem entscheidenden Unterschied zum Kampf zweier "ritterlicher Gegner". Der eine Gegner hat keine Chance zu gewinnen, der andere geht keinerlei Risiko für sein Leben ein: das ist das moralische Desaster, welches aus dem Krieg, der vielleicht aus verstehbaren Gründen geführt wird, ein Verbrechen macht, welches auch die technisch überlegene Seite auf das Level des Aggressors zieht - und noch darunter. Im "Wallenstein" Schillers heißt es im sog. Reiterlied: 'Frisch aufgesessen, zu Pferd, zu Pferd/ hinaus in die Freiheit gezogen/ Im Felde da ist der Mann noch was wert, da wird das Herz noch gewogen/ Und setzest du nicht das Leben ein/ nie wird dir das Leben gewonnen sein' - Das ist Verklärung, aber auch Beschreibung soldatischer Ethik. Man tötet, aber zum Preis der eigenen Angst und ihrer möglichen Überwindung, mit Risiko eben!

    Drohnen tubn dies nicht mehr - sie machen soldaten tatsächlich erst zu Mördern ...

  • H
    hto

    Als ich in der Bundeswehr den ersten Schuss mit einer scharfen Waffe getan hatte, war mein ängstlicher Respekt schnell nicht mehr vorhanden und ich wußte bald es stimmt: "Wenn man eine Waffe liegen hat, dann wird man sie eines Tages auch benutzen".

     

    Die Waffe in der Hand macht den Arm länger und gelegentliche / unüberlegte Wut wird gefährlicher, so daß ...!?

     

    Mit den Drohnen wird dies alles sicher noch leichter!

  • S
    smukster

    Es stimmt zwar, dass bewaffnete Drohnen nur ein weiterer (kleiner) Schritt hin zum futuristischen High-Tech-Krieg und kein "Quantensprung" sind - dennoch ist es mit Sicherheit zu begruessen, wenn sie der Ausloeser einer mehr oder weniger gehaltvollen - und ueberfaelligen - Debatte sind: Besser spaet als nie!

    Ausserdem vergisst der Autor bzw erwaehnt es nicht, dass Drohnen in Zukunft sicherlich weiterentwickelt und immer autonomer werden, bis hin zu "Kill Target? yes/no". Wehret den Anfaengen!

  • G
    großmeister_b

    Ich bin mir nicht sicher, ob der Autor des Artikels sich mit einer Fata Morgana befasst, nämlich einem Szenario, in dem Deutschland in einem fremden Land Drohnen tatsächlich einsetzt.

     

    Ich habe eher den Eindruck, dass die deutsche Regierung auch ein paar Drohnen haben will, allerdings ohne irgendeinen Plan zu haben, wie deren Einsatz aussehen soll.

     

    Damit meine ich den Einsatz im Rahmen unseres Grundgesetzes und auch mit Mehrheit des Bundestages.

    Ich glaube nicht, dass dieser Rahmen das Ermorden irgendwelcher Menschen (angebliche "Terroristen") in fremden Ländern erlaubt.

     

    Was bleibt also an Einsatzmöglichkeiten übrig?

    Wenn ein Drohne gut zur Aufklärung taugt (und billiger als ein Aufklärungsflugzeug ist), dann wäre das eine Möglichkeit, vorausgesetzt sie lassen sich nicht allzuleicht abschießen.

    Wenn doch, wäre das Ganze dann ein ziemlich teurer Spaß.

     

    Irgendwie traue ich unserer Regierung zu, dass ein deutscher Drohneneinsatz u.U. zu einem dilettantischen Reinfall wird.

  • D
    D.J.

    "Ein recht kluger Kommentar jenseits hohler Betroffenheitsrhetorik. Allerdings frage ich mich in Hinblick auf die vermeintliche Unrechtmäßigkeit gezielter Schläge "auch außerhalb von Kriegsgebieten", inwieweit diese Definition im Zeitalter von verdeckt operierenden Dschihadisten, für die quasi überall "Kriegsgebiet" ist, noch irgendeinen Sinn ergibt. Das trad. Kriegsvölkerrecht ist mit dieser Problematik heillos überfordert."

  • V
    vic

    Drohnen töten nachweislich viele-zu viele zufällig anwesende Zivilisten. Wo bitte soll die ständige Hoch-Technisierung der Tötungsmittel noch hinführen?

    Und bitte nicht vergessen: Deutschland wurde von keinem dieser Länder angegriffen, oder gar der Krieg erklärt.

    Wenn das eine Bündnisverpflichtung ist, dann ist das Bündnis falsch.

    Deshalb raus aus der NATO; nein zu Drohnen.

  • AS
    Andreas Suttor

    Wohl gesprochen - aber leider hat auch der Autor die gescholtene Blaupause des Afghanistankrieges vor Augen. Bewaffnete Drohnen sind sicher kein Quantensprung in der Kriegführung, und vor allem hebeln sie einen altbekannten Grundsatz, der im Kommentar auch nur gestreift wird, in keiner Weise aus: Boots on the ground. Effektive Kontrolle über ein Gebiet übt nur aus, wer dort mit Bodentruppen präsent ist und auch die entsprechenden Risiken in Kauf nimmt. Ganz zu schweigen von einem Szenario, bei dem die eigenen Streitkräfte nicht die absolute Lufthoheit haben oder aber der Gegner über effektive Flugabwehr verfügt - dann sind die trägen Drohnen ein lohnendes und leicht zu vernichtendes Ziel.