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Warten auf die versprochenen Gelder

Die Erdbebenopfer in Pakistan kämpfen angesichts von Minusgraden und einsetzenden Schneefällen ums Überleben. 90 Prozent der Notunterkünfte sind nicht winterfest. Und nur ein Teil der Zusagen für die Soforthilfe ist bereits eingetroffen

AUS ISLAMABAD NILS ROSEMANN

Die vergangene Woche begann mit den ersten Meldungen von Kältetoten. In Muzaffarabad, der vollkommen zerstörten Hauptstadt des von Pakistan verwalteten Teil Kaschmirs, erlag ein drei Monate altes Kind einer Lungenentzündung und ein Mann starb an Unterkühlung. Die pakistanische Regierung und internationale Hilfsorganisationen reagierten mit der Behauptung, es sei noch zu früh, die Todesfälle den gerade erst einsetzenden Schneefällen zuzurechnen. Die Woche endete mit einer Pressekonferenz der Vereinten Nationen am Samstag in Islamabad, auf der Jan Vandemoortele, Repräsentant der UNO in Pakistan, feststellte: „Die Situation bleibt sehr schwierig und tatsächlich stehen wir auf Messers Schneide“.

In den neun betroffenen Distrikten im Norden Pakistans und Kaschmirs sind seit dem Erdbeben am 8. Oktober über drei Millionen Menschen obdachlos. Schlechte Witterung und unbefahrbare Straßen waren von Anfang an ein Hindernis für eine effektive Hilfe. Die vollkommen zerstörte Infrastruktur in den ohnehin unterentwickelten Bergregionen Pakistans und das Fehlen eines nationalen Katastrophenschutzplanes führen bis heute zu Chaos und Aktionismus.

Jan Engeland, der Koordinator für humanitäre Hilfe der UNO in Genf, wird nicht müde, in den immer wieder aktualisierten Hilfsappellen nach mehr Geld und mehr Zelten zu rufen. Darren Boisvert, der bei der UNO in Islamabad für die Koordinierung der Hilfe für Unterkünfte zuständig ist, stellte am Samstag nüchtern fest: „Neunzig Prozent der 420.000 zur Verfügung gestellten Unterkünfte sind nicht winterfest“.

In New York rief UN-Generalsekretär Kofi Annan die Überlebenden des Erdbebens vor einer Woche dazu auf, in die Zeltstädte zu kommen, da ihre Versorgung in den entlegenen Bergdörfern nicht sicherzustellen sei. Vandemoortele betonte wiederum, die Hauptaufgabe der UNO sei es, „die Leute in ihren Häusern zu halten, denn wenn die Leute in die Städte kommen, wäre das eine größere Herausforderung“. Die internationalen Hilfsorganisationen befürchten Versorgungsengpässe, wenn bis zu 200.000 Menschen in die ohnehin überfüllten und zerstörten Siedlungen in den Tälern kommen.

Die Betroffenen selbst haben keine Häuser, in denen sie Schutz vor bis zu 20 Grad minus und bis über einen Meter hohen Schnee suchen können. Die Armee versucht, mit Freiwilligen und Nichtregierungsorganisationen relativ erfolgreich provisorische Unterkünfte zu bauen. Zehn Baubataillone sind im Einsatz und bauen pro Tag bis zu 2.000 Unterkünfte aus Wellblech und Plastikplanen. Aber auch diese Behausungen – bis jetzt sind es 25.000 – reichen bei weitem nicht aus.

Statt bilateraler Kreditzusagen für den Wiederaufbau in Höhe von 5,2 Milliarden Euro gegenüber der pakistanischen Regierung ist schnelle und organisierte Hilfe überlebenswichtig. Seit dem 26. Oktober bitten die Vereinten Nationen um 495 Millionen Euro für die Finanzierung und Koordinierung der Überlebenshilfe. Bis zum 2. Dezember sind davon gerade einmal 29 Prozent oder 143,5 Millionen Euro gezahlt worden. Mit vagen, allerdings noch nicht gezahlten Zusagen erhöht sich die Hilfe auf 41 Prozent oder 203 Millionen Euro.

Die mangelnde Finanzierung zeigt sich besonders bei den Einzelorganisationen der UNO, die die Hauptlast der Hilfsarbeit leisten. Das Welternährungsprogramm ist überwiegend mit der Versorgung der Erdbebenopfer befasst und benötigt dafür 155,2 Millionen Euro, erhielt jedoch bis jetzt lediglich Zusagen über 35,5 Prozent oder 55,1 Millionen Euro. Das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR), das sich beispielsweise um die über drei Millionen Obdachlosen kümmert und die Zeltstädte aufbaut und koordiniert, bezifferte seinen Bedarf mit 25,6 Millionen Euro, von denen derzeit nur 10,9 Millionen Euro oder 42,5 Prozent zur Verfügung gestellt wurden.

Am besten lässt sich das Problem der geringen Mittel, die den Vereinten Nationen zur Verfügung gestellt werden, durch die fehlende Finanzierung der Projekte des Entwicklungsprogramms der UNO (UNDP) verdeutlicht. Die UNDP ist in Pakistan das Aushängeschild der Vereinten Nationen. Die im „Blitzappell“ zur Finanzierung ausgeschriebenen Projekte betreffen unter anderem die Erschließung des Zugangs zu abgelegenen Dörfern, winterfeste Übergangsbehausungen für 200.000 Familien, einschließlich der 500.000 Kinder, Schaffung von Koch- und Heizmöglichkeiten und den Wiederaufbau der zerstörten Verwaltungsinfrastruktur, die für die Verteilung der Ausgleichszahlungen wichtig ist. Von der benötigten Gesamtsumme in Höhe von 77,4 Millionen Euro hat die UNDP bis jetzt lediglich 443.000 Euro oder 0,57 Prozent von Neuseeland erhalten.

Weitere Länder, darunter Griechenland, Schweden, Finnland, Schweiz und die Bundesrepublik, haben zusätzliche Mittel in Höhe von 5,1 Millionen Euro zugesagt, womit sich die Zahlungen auf 8,3 Prozent erhöhen würden. Da die Mittel aber weder einem konkreten Projekt zugeordnet wurden noch geflossen sind, folgt auch hier aus der Zusage noch keine Hilfe.

UNO-Vertreter Vandemoortele stellte am Samstag in Islamabad fest, „die Menschen trocken, warm und wohlgenährt und gesund zu halten ist eine kolossale Arbeit“. Eine kolossale Arbeit, die jedoch mit entsprechenden finanziellen Mitteln zu leisten wäre.

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