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Europäische BürgerinitiativeDie Revolution versickert

Ein Jahr nach Einführung der Europäischen Bürgerinitiative ist die ursprüngliche Euphorie verflogen. Nur die Wasser-Kampagne könnte Erfolg haben.

Streitfall Privatisierung: Bürger kämpfen in ganz Europa um ihre Wasserversorger. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Bürgerfern, bürokratisch, autoritär: Seit Beginn der Eurokrise hat das Image der EU schwer gelitten. Mit einem Stück direkter Demokratie – der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) – wollte Brüssel gegensteuern. Doch ein Jahr nach dem Start fällt die Bilanz ernüchternd aus. Nur eine Initiative – die Kampagne gegen die Wasser-Privatisierung – hat überhaupt Aussicht auf Erfolg.

„Das war kein uneingeschränkter Erfolg“, sagte der zuständige EU-Kommissar Maros Sefcovic. Es gebe zu viele technische Probleme mit der EU-Software zum Sammeln der Unterschriften und erhebliche Kosten. Die Hürden seien zu hoch, die Richtlinie müsse reformiert werden, fordert der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold gegenüber der taz.

Dabei hatte alles so euphorisch angefangen. Von einer „Revolution der EU-Gesetzgebung“ sprach das Europaparlament beim Startschuss im April 2012. „Sie bestimmen die Agenda“, warb die EU-Kommission. Tatsächlich haben es auch viele Bürger versucht. Insgesamt 14 Kampagnen wurden auf den Weg gebracht. Die meisten drehen sich um Wirtschaftsthemen. Es geht um ein bedingungsloses Grundeinkommen, günstige Handy-Tarife, ein generelles Tempolimit bei 30 km/h oder um die Aussetzung des Energie- und Klimapakets der EU.

Zur Zulassung braucht eine EBI eine Million Unterschriften aus mindestens 7 der 27 EU-Staaten. Außerdem muss Brüssel für das Thema zuständig sein – nationale Belange bleiben außen vor. Die Hürden sind so hoch, dass nach einem Jahr wohl nur eine Initiative Aussicht auf Erfolg hat: die Kampagne gegen die Privatisierung des Wassers und die damit verbundene EU-Konzessionsrichtlinie.

Schon mehr als 1,3 Millionen Unterschriften wurden gesammelt

Die Initiative schlug vor allem in Deutschland derart hohe Wellen, dass EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier bereits Änderungen angekündigt hat. Eine Privatisierung der Wasserversorgung sei vom Tisch, sagte Barnier im taz-Interview. Die Initiative gefalle ihm so gut, dass er sogar bereit wäre, den Aufruf zu unterstützen, kündigte der Franzose an.

Ein großartiger Erfolg, könnte man meinen. Doch die „Right 2 Water“-Kampagne gibt sich damit nicht zufrieden. Obwohl sie schon mehr als 1,3 Millionen Unterschriften gesammelt hat – und damit weit mehr als für das EU-Begehren nötig –, macht sie weiter. Mindestens 2 Millionen Unterschriften wollen die Initiatoren in Brüssel vorlegen. Sie fordern nicht nur Worte, sondern Taten.

Auch Sven Giegold ist auf der Hut. Zwar zeige Barniers Reaktion, dass Bürgerinitiativen in Brüssel endlich ernst genommen würden. Allerdings habe der Kommissar nur mit „Scheinkorrekturen“ auf die Wasserrechts-Initiative reagiert, kritisierte der grüne Finanzexperte. Damit verhöhne er die Demokratie und frustriere die wenigen europäisch denkenden Aktivbürger. „Motto: Die machen eh, was sie wollen.“

Genau das sollte sich mit der Europäischen Bürgerinitiative ändern. Als sie in den EU-Vertrag von Lissabon aufgenommen wurde, war die Idee, dass die Bürger selbst EU-Gesetze anstoßen können. Davon ist bisher wenig zu spüren. Vor allem die Eurokrise nimmt vielen den Mut. „Warum sollte ein junger Spanier Unterschriften für ein Europäisches Grundeinkommen sammeln, während die Troika unsoziale Strukturreformen verordnet“, fragt Giegold.

Hinzu kommen bürokratische Hürden. Eine Million Unterschriften sind offenbar zu viel, die Überprüfung der Teilnahmebedingungen ist zu kompliziert. Einzelne Bürger sind damit überfordert, nur gut organisierte Netzwerke haben eine Chance auf wirksame Beteiligung. Giegold fordert daher eine Reform. „Wir müssen die Hürden senken und die Wirkung erhöhen“, sagte er der taz. Wenn Brüssel eine Initiative ablehnt, sollte der Weg zu einem verbindlichen Bürgerentscheid geöffnet werden. Dann wäre die EBI nicht mehr nur „eine aufwendige europäische Unterschriftensammlung“, sondern der „erste Schritt zu einer echten direkten Demokratie“.

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8 Kommentare

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  • V
    vjr

    Klar, die Evolution, auch der Europäischen, Demokratie ist noch ziemlich am Anfang. Damit auch die Europäische Bürgerinitiative (EBI) – so nach ihrem Ziel einer echten Initiative benannt – die, vor über einem Jahrzehnt im EU-Konvent »geboren«, im April vor einem Jahr das Stadium einer (blossen) Petition erreichte.

     

    Mit Hürden ausgestattet, an die EU-Kommission gerichtet, die damit umgehen kann wie es ihr beliebt. Also auch gar nicht, oder eher "mässig". Wie auch Eric Bonse in der taz (10.4.13) berichtet.

     

    Eine Petition, die als »unverbindliche Bittschrift an die Obrigkeit gerichtet wird, ohne eine Bestrafung befürchten zu müssen«, war (ist ?!) in den Vorzeiten der Demokratie sicher ein Fortschritt. Aus ihr entwickelte sich aber, südlich des Rheins, nach und nach die verbindliche Volksinitiative, und zwar in allen Angelegenheiten. Ähnlich wie die verbindlichen Abstimmungen, Referenden. Und die Verfassung/en, die das Volk, laufend, mitschreibt. In allen Angelegenheiten. (mehr dazu z.B. auf www.hls-dhs-dss.ch)

     

    Schritte, die – so oder ziemlich ähnlich – langsam aber stetig, seit den Achtzigern, Neunzigern, den Rhein nordwärts überschreiten. Und in Europa noch bevorstehen – eine Europäische Bürgerinitiative, genau wie auch das Europäische Bürgerreferendum oder der Europäische Bürger-(und Politiker-)Konvent in dem auch eine Europäische Bürger-(und Politiker-)Verfassung (laufend) geschrieben, mitgeschrieben werden kann. Verbindlich, und in allen Angelegenheiten.

     

    Wie die für mehr Demokratie – und auch die in Mehr Demokratie (www.mehr-demokratie.de) – engagierten Bürger und Politiker im EU–Konvent, vor schon knapp über einem Jahrzehnt, die EBI/ECI (European Citizens' Initiative) in den Entwurf der EU-Verfassung – woher sie auch in den Lissabonner Vertrag übernommen wurde – durchgesetzt haben, kann man in einer lehrreichen, und spannenden, Geschichte nachlesen – »A rollercoaster ride towards democracy« (auf www.democracy-international.org/story.html).

     

    Mehr Demokratie – als IDEE Ende der Achtziger gegründet, und seitdem rege tätig – setzte ja auch den bundesweiten Volksentscheid auf die politische Agenda, in diesem (Wahl-)Jahr werden wir noch dazu Einiges hören können (mehr dazu auf www.mehr-demokratie.de/volksabstimmung.html).

     

    Übrigens – auch das Europäische Parlament wartet noch, immer noch, auf das für alle demokratischen Parlamente so selbstverständliche Initiativrecht! Auch dafür setzen sich die Menschen von und um Mehr Demokratie herum, selbstverständlich, ein. Wenn sie dazu kommen (können) – denn die EU-Parlamentarier sind da vor allem gefordert. Und »ein paar« von ihnen auch intensiv daran.

  • B
    bempo

    @FaktenstattFiktion: Um es mal mit einem Vergleich aus der Filmwelt zu sagen: Sie sind kein Troll, Sie sind Troll 2!!

    Heute gar nichts zu tun für den VS?

  • MS
    Michael Schropp

    Angeblich gibt es eine nicht unbedeutende Anzahl an EuropäerInnen, die gut und gerne auf die Umstellung von Winter- auf Sommerzeit und die Rückstellung von Sommer- auf Winterzeit verzichten könnten. Für eine derartige Initiative müsste man doch locker die notwendigen Unterstützer zusammen bekommen

  • AW
    Antixenophobes Wesen

    Ihre Definition von "gut" ist auch mehr als fragwürdig. Außerdem sollte man, wenn man schon viel politisches Engagement zeigt, die Prioritäten richtig setzen.

     

    ABER NEIN, es gibt ja nichts gefährlicheres auf der Welt als den Islam, nicht wahr?

  • J
    Jürgen

    Den Schuh müsst Ihr Euch zum Teil auch selbst anziehen.

    Die Europäischen Bürgerinitiativen benötigen neben Netzwerken auch eine (kritische) Berichterstattung.

    Die Initiative für eine Erhöhung der Mittel der Austauschprogramme (Erasmus, Europäische Freiwilligen, etc.) ist in der taz bisher einmal am Rande erwähnt wurden. http://de.fraternite2020.eu/

    In Ländern, in denen über diese Initiative berichtet wurde, gibt es deutlich höhere Unterschriftsquoten als in Deutschland.

    ... und das Anliegen dieser Initiative sollte eigentlich auf die Zustimmung der tazzen und ihrer LeserInnen treffen

    Jürgen

    (taz-Abonnent und -Genossenschafter)

    http://ulaya.blogspot.de/2013/03/fraternite-2020-map-on-support-in-eu.html

  • S
    Stephan

    Keine Überraschung. Würde sogar Absicht und Kalkül unterstellen. Einfach ein Projekt mit hochtrabendem Namen generieren, damit diejenigen, die z.B. nach einem Grundeinkommen ruhig gestellt werden. Auf der anderen Seite aber werden dann so hohe Hürden, Vorschriften und hast du nicht gesehen, dass die Partizipation in einen aussichtslosen Kampf mündet. Meiner Meinung nach bewusst so ausgelegt und konzipiert. Auch frei nach dem Motto: "Wenn Wahlen etwas ändern würden, hätte man sie schon lange abgeschafft."

  • H
    horst

    wenn sich die münchner moscheegegner genauso gegen kirchen und synagogen wenden würden, dann würde ich als laizist sofort unterschreiben.

     

    da sie gegen eine einzige moschee in münchen arbeiten und zu den mehreren tausend kirchen in münchen keine stellung beziehen, die übrigens auch mit steuermitteln demokratiefeindliche parolen gefördert bekommen, werde ich nicht unterzeichnen.

     

    die münchner moscheegegener richten sich ausschließlich gegen moslems. das ist nichts anderes als faschismus.

  • F
    FaktenStattFiktion

    Es gibt gute Beispiele für direkte Demokratie. So etwa die Initiative gegen ein Islamzentrum in München.

     

    Deshalb wird es auch ständig von Linkspartei, SPD, Grünen und Gewrkschaften massiv gestört.