Hochschulpakt in Deutschland: Volle Hörsäle, leere Kassen
Deutschland erlebt eine Studentenflut: Der Bund will zwei Milliarden Euro zusätzlich für den Studienplatzausbau. Die Länder wollen lieber sparen.
BERLIN taz | Deutschlands Hochschulen sind so voll wie nie: 493.500 Erstsemester nahmen allein im vergangenen Jahr ein Studium auf. In dieser Woche will Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) mit ihren Länderkollegen verhandeln, ob weiteres Geld für den Ausbau von Studienplätzen fließt. Bund und Länder ringen um eine Milliarde Euro. Das geht aus einer Beschlussvorlage für das Treffen am Freitag hervor, die der taz vorliegt.
Für die Finanzierung der Hochschulen sind die Länder zuständig. Um dem Studentenhoch zu begegnen, war der sogenannte Hochschulpakt beschlossen worden, bei dem die Bundesregierung die Länder bei der Schaffung zusätzlicher Studienplätze unterstützt.
Bisher steigen die Studienanfängerzahlen allerdings schneller als erwartet – was immer wieder Nachverhandlungen nötig macht. Ursprünglich gingen die Kultusminister für die Zeit von 2011 bis 2015 von 327.355 mehr Neustudenten gegenüber dem Jahr 2005 aus. Jetzt werden bereits 623.787 zusätzliche Studienanfänger erwartet – es muss also fast die doppelte Zahl an Studienplätzen geschaffen werden wie ursprünglich geplant. Damit würden insgesamt 2 Milliarden Euro mehr gebraucht als bisher vereinbart.
Wanka fordert von den Ländern einen höheren Anteil, als diese zu erbringen beabsichtigen, wie aus der Vorlage für die Sitzung am Freitag hervorgeht. Für die gesamte Laufzeit des Hochschulpaktes – also auf die Zeit von 2007 bis 2018 gerechnet – bietet der Bund rund 10 Milliarden Euro an und erwartet von den Ländern dieselbe Summe. Die Länder kommen in ihren Berechnungen aber nur auf einen Eigenanteil von 9 Milliarden.
Neue Bundesländer stellen sich quer
Sparen wollen vor allem die ostdeutschen Länder und die Stadtstaaten. Sie wollen sich von der Idee verabschieden, den Bundesanteil in gleicher Höhe gegenzufinanzieren. Lediglich die westdeutschen Flächenländer möchten sich verpflichten, einen Beitrag „in Höhe der zufließenden Bundesmittel“ zu erbringen.
„Die Länder, die zehnmal so viel Geld für die Hochschulfinanzierung aufbringen wie der Bund, dürfen in ihren finanziellen Anstrengungen nicht nachlassen“, fordert der SPD-Abgeordnete Klaus Hagemann.
Das Geld ist allerorten knapp. In Wankas Haushalt sind für den Hochschulpakt im kommenden Jahr zusätzliche 640 Millionen Euro eingeplant. Die Hälfte streckt das Finanzministerium allerdings nur vor – das Bildungsministerium wird 320 Millionen an anderer Stelle im eigenen Etat streichen müssen, um den Studienplatzausbau unterstützen zu können.
Mitten in die Verhandlungen platzte auch die Nachricht aus Sachsen-Anhalt, wo die Landesregierung über Einsparungen nachdenkt. Fünf Millionen jährlich, so die ersten Überlegungen aus dem dortigen Finanzministerium, sollen die Unis und Fachhochschulen ab 2015 weniger erhalten.
Konsequenzen noch unklar
Was das für den Hochschulpakt bedeuten würde, konnte das Wissenschaftsministerium in Magdeburg nicht sagen. Über die Sparvorschläge würde zwischen den Ressorts „noch ziemlich heftig diskutiert“, so eine Sprecherin.
Für Armin Willingmann, Rektor der Hochschule Harz und Präsident der Landesrektorenkonferenz, kommt die Spardebatten zur Unzeit: „Ich befürchte, dass die Erfolge, die der Hochschulpakt in den vergangenen Jahren in Sachsen-Anhalt hatte, dadurch konterkariert werden könnten.“
Beobachter bezweifeln außerdem, dass sich in der Vergangenheit alle Länder an ihre Zusagen gehalten haben. Auch Wanka äußerte diesen Verdacht, als sie ihr Amt antrat – ohne allerdings konkret zu werden. „Viele Länder haben einfach Mittel umdeklariert, die ohnehin für die Hochschulen eingeplant waren“, sagt Tobias Schulze, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaft der Linken.
Nachzuweisen sei das aber nur schwer, weil in den Wissenschaftshaushalten in der Regel keine Ausgaben für einzelne Studienplätze veranschlagt werden, die allerdings sind die Berechnungsgröße für die Hochschulpakt-Gelder.
Dem Problem soll nun schließlich dadurch begegnet werden, dass der für jedes Bundesland zu erbringende Anteil genau festgelegt wird – um so die von Bildungsministerin Wanka geforderte Transparenz zu schaffen.
Leser*innenkommentare
friedbert
Gast
Wenn die Länder sparen wollen, dann sollten
sie endlich aufhören Milliarden in den Abriss
von Wohnungen zu investieren, die zum Teil
saniert und wärmegedämmt waren und stattdessen
Einwohner überteuerter Städte und deren mittelständische Unternehmen zum Umzug und
zur Tochterunternehmensgründung motivieren.
Durch Vermeidung des frevelhaften Abrisses
intakter aufwendig renovierter Gebäudekomplexe
und die Ansiedlung auch einfacher Gewerbe,
die eh auf Dauer durch die Gentrifizierung
in den Ballungsstädten unrentabel werden, können
sogar Zusatzeinnahmen heraus entstehen!!
Die Bundesländer stellen sich derart kurzsichtig an,
da ist man direkt sprachlos!
Statt sich endlich einmal aufzuraffen und sich gravierend zu verbessern, wird lieber über allem
Abrissbirne geschwenkt oder nach dem Bund geschrien. Wie niveaulos!
carla
Gast
Hier muss ich Frau Wanka
in ihrer Forderung grundsätzlich Recht geben.
Und deshalb liegt der Verdacht nahe, dass
die reinen Kosten für NC-Studiengänge in
Wahrheit an reinen Ausbildungskosten für
die Studierende/den Studenten sehr viel geringer
ist als bislang angegeben( Medizinstudiumplatz
angeblich 100 000 Euro teuer).
Legt man bei den Hochschulpersonal ähnliche
Besoldungskriterien an, wie sie für andere hochqualifizierte akademische Berufsgruppen gelten
und trennt deren Einkünfte konsequent in Bildungs-und Forschungsbesoldung und eben
der Medizinerbezahlung auf, werden endlich
die Querfinanzierungen durch die Bildungsetats
beendet und die tatsächlichen Ausgaben errechnet.
Diese bisherige Intransparenz
schafft die Aushebelung der grundgessetzlich verfassten freien Berufswahl für weite Teile
der Bevölkerung ohne das offenbar genug MedizinerInnen für alle Sparten überall vorhanden sind, trotz starker Studiengangsnachfrage.
"...„Viele Länder haben einfach Mittel umdeklariert, die ohnehin für die Hochschulen eingeplant waren“, sagt Tobias Schulze, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaft der Linken.
Nachzuweisen sei das aber nur schwer, weil in den Wissenschaftshaushalten in der Regel keine Ausgaben für einzelne Studienplätze veranschlagt werden, die allerdings sind die Berechnungsgröße für die Hochschulpakt-Gelder. ..."
FaktenStattFiktion
Gast
Typisch. Da werden gezielt Studenten aus dem Ausland an die Universitäten gelockt, nur damit dort mit besseren -also höheren- Zahlen geprahlt werden kann.
Nur kümmerst sich keiner um diese Studenten, welche dann regelmäßig das Studium hinschmeissen!
Dabei ist die Infrastruktur für gerade diese studentischen FreeMover gar nicht vorhanden!
Es fehlen Wohnheimplätze, Mensen müssten dringend saniert werden und das BaFöG stockt, weil auch dort Mitarbeiter fehlen!
Entweder mehr Geld für die studentische Infrastruktur, oder das Bildungssystem bricht zusammen.