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Posse im ParlamentArbeiten nur auf persönliche Einladung

Der Grünen-Angestellte und Politaktivist Dirk Stegemann hat Hausverbot im Parlament, weil er eine Sitzung des Innenausschusses in „grober Weise“ gestört haben soll. Er selbst sieht sich als Sündenbock.

Die Flüchtlinge am Oranienplatz haben viele UnterstützerInnen - einer ist Dirk Stegemann. Bild: dpa

Das Schreiben, das Dirk Stegemann in der vergangenen Woche erhalten hat, spart nicht mit drastischen Worten. „Mit sofortiger Wirkung“ erhalte er Hausverbot im Abgeordnetenhaus, teilt ihm die Parlamentsverwaltung darin mit. Denn Stegemann sei dafür verantwortlich, dass eine Ausschusssitzung „in besonders grober Weise“ durch „lärmende Unruhe“ behindert wurde. Ein halbes Jahr – bis zum 17. Oktober – muss er nun dem Parlament fernbleiben.

Für Stegemann, als außerparlamentarischer Daueraktivist und Demo-Anmelder ein bunter Hund, ist das Schreiben schlicht eine „Posse“. Allerdings eine mit weitreichenden Konsequenzen: Ist der 45-Jährige doch seit Monatsanfang auch Mitarbeiter der Grünen-Abgeordneten Canan Bayram, auf 400-Euro-Basis. Und die arbeitet nun mal – im Abgeordnetenhaus.

Was war geschehen? Stegemann hatte am Montag mal wieder eine Demonstration angemeldet, eine von Flüchtlingen, die von Kreuzberg bis zum Bannkreis des Abgeordnetenhauses zogen, um gegen einen SEK-Einsatz in der von ihnen besetzten Hauptmann-Schule zu protestieren. Im Anschluss ging Stegemann als Zuhörer in den im Parlament tagenden Innenausschuss. Das wollten die Asylsuchenden auch. Nur wurden sie wegen fehlender Ausweise nicht eingelassen. Es kam zu lautstarken Wortgefechten. Stegemann verließ den Saal, versuchte zu vermitteln, wie er sagt. „Auf Wunsch der Polizei.“ Am Ende aber nahmen die Beamten ausgerechnet Stegemanns Personalien auf. Nur seine. Drei Tage später kam das Hausverbot.

Stegemann sieht es als Versuch, einen Sündenbock für die Turbulenzen zu finden: „Den einzig greifbaren.“ Laut dem Schreiben der Parlamentsverwaltung kann er jetzt nur noch auf persönliche Einladung eines Abgeordneten ins Haus – und diese muss jedes Mal konkret geprüft werden. Das, klagt Stegemann, komme für ihn als Mitarbeiter praktisch einem Arbeitsverbot gleich. Er hat Einspruch gegen das Hausverbot eingelegt. Schließlich sei gerade er es gewesen, der zu schlichten versucht habe. Nur habe ihn dazu bis heute die Verwaltung gar nicht befragt.

Auch Stegemanns Arbeitgeberin Canan Bayram hat bereits beantragt, das Hausverbot aufzuheben. Ihr Mitarbeiter müsse Zugang zu seinem Arbeitsplatz haben. Stegemann werde für etwas in Haftung genommen, was er nicht getan habe. „Wobei mir bisher nicht einmal mitgeteilt wurde, welche Störung genau ihm vorgeworfen wird.“

In der Verwaltung des Abgeordnetenhauses will man die Einsprüche prüfen. Die sechs Monate Hausverbot seien „der Standard“ für eine Störung des parlamentarischen Betriebs, sagt Sprecher Ansgar Hinz. Dass Stegemann damit an seiner Arbeit gehindert werde, sehe er nicht. Es gebe doch viele Mitarbeiter von Abgeordneten, so Hinz, die von zuhause aus arbeiteten.

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3 Kommentare

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  • A
    adagio

    Netter Versuch von Herrn Stegemann, sich aus der Verantwortung für das Treiben der Asylbewerber zu stehlen.

    Es lohnt sich auch mal ein Blick auf seine eigene Erklärung zu den Vorgängen:

    http://www.scharf-links.de/46.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=34669&cHash=e948215df7

     

    Neben dem üblichen Betroffenheits-Blabla von „existierenden systembedingten und politisch zu verantwortenden, rassistischen und sozial ausgrenzenden Gesetzen“

    schreibt er dann:

    „Ich persönlich hatte zwar die Anmeldung der vorangegangenen Demonstration als versammlungsrechtlicher Vertreter beim BMI, der Verwaltung des Abgeordnetenhauses und der Berliner Polizei auf Bitte übernommen, die Veranstaltungsleitung sowie -durchführung übernahmen die Geflüchteten im Sinne ihrer Selbstbestimmung und -organisation aber selbst.“

    Ein Satz der schon deshalb nicht stimmt, weil Stegemann als Anmelder der Demonstration im einzureichenden „Anmeldeformular für Demonstrationen und Aufzüge“ auch den verantwortlichen Leiter der Versammlung mit Namen, Adresse und Telefonnummer anzugeben hat.

    Kaum auszudenken, dass sich die Polizei hier mit den Worten „selbstbestimmte Geflüchtete ohne Telefonanschluß“ zufrieden gibt.

    Das Gejammer über das erteilte Hausverbot nach der Störung der Innenausschuß-Sitzung können sich Herr Stegemann und seine Arbeitgeberin also sparen.

  • U
    Uwe

    Verantwortung für die Folgen eigenen fehlerhaften Handelns zu nehmen war noch nie eine Stärke grüner Politiker und ihres unterstützenden Anhangs.

    Das zeigt ja nun auch wieder „Vollzeitaktivist“ (taz) Stegemann eindrucksvoll.

    Schuld sind grundsätzlich die anderen, in diesem Fall mit Ausnahme der randalierenden Asylbewerber natürlich.

    Seine Minijob-Arbeitgeberin Canan Bayram ist übrigens dieselbe, die im vergangenen Dezember die Beendigung des von Stegemann angemeldeten sogenannten Protestcamps der Asylbewerber am Brandenburger Tor mit den Worten kritisierte, dass der Protest „einem Weihnachtsbaum weichen“ müsse.

    Man kann das alles nur noch mit viel Humor ertragen.

  • WN
    Was nimmt der Typ sich raus!

    Interessant, dass die Bayram MitarbeiterInnen beschäftigt.

    Ich hatte mich an Bayram mal mit einem Anliegen gewandt - und die so genannte Abg. hat sich nie die Bohne um mein Anliegen geschert.

    Sowieso - die Berliner Grünen sind unwählbar. Lauter Flaschen.