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Bundesrat stoppt KnöllchenreformRotes Licht für Ramsauer

In der Länderkammer lehnte die rot-grüne Mehrheit die Neuordnung des Flensburger Punktekatalogs ab. Andere Regelungen ließ sie passieren.

Verkehrskontrolle: Weniger Punkte für Raser wird es vorerst nicht geben. Bild: dpa

BERLIN dpa | Die geplante Reform der Flensburger Verkehrssünderdatei ist aufgeschoben. Der Bundesrat legte sich quer und rief am Freitag den Vermittlungsausschuss an. Damit liegt die Neuregelung vorerst auf Eis. Die ursprünglichen Pläne von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU): Der Punktekatalog soll einfacher und gerechter werden. Anstelle der bisherigen Skala von eins bis sieben Punkten soll es je nach Schwere des Vergehens nur noch einen, zwei oder drei Punkte geben. Das Vorhaben wackelt nun aber, rot-grün regierte Länder dringen auf Korrekturen. Ob es noch vor der Bundestagswahl zu einem Kompromiss zwischen Bund und Ländern kommt, ist offen.

Die vorletzte Sitzung des Bundesrates vor der Sommerpause bot einen Vorgeschmack auf weitere Konfliktlinien im Bundestagswahlkampf. Die rot-grüne Mehrheit in der Länderkammer startete erneut mehrere Initiativen, um die schwarze-gelbe Regierungskoalition bei strittigen Themen noch vor der Wahl unter Druck zu setzen. Und sie ließ mehrere Gesetze, die der Bundestag mit schwarz-gelber Mehrheit beschlossen hatte, in den Vermittlungsausschuss wandern. Es fielen aber auch zahlreiche Entscheidungen. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

- Rente: Zur Jahresmitte werden die Renten angehoben: Die rund vier Millionen Ost-Rentner erhalten dann 3,29 Prozent mehr, die etwa 16 Millionen West-Ruheständler 0,25 Prozent mehr. Wer bislang eine Monatsrente von brutto 1200 Euro bekommt, darf im Osten mit knapp 40 Euro mehr rechnen, im Westen mit 3 Euro zusätzlich.

- Väterrechte: Leibliche Väter erhalten in Deutschland künftig einfacher ein Umgangsrecht mit ihrem Kind, auch wenn die Mutter den Nachwuchs gemeinsam mit einem anderen Mann großzieht. Sie bekommen außerdem ein Auskunftsrecht zu den Lebensverhältnissen des Kindes.

- Schrottimmobilien: Käufer von Eigentumswohnungen sollen besser gegen kriminelle Machenschaften geschützt werden. Künftig können Notare, die Kaufverträge für Schrottimmobilien beurkunden, leichter als bisher ihres Amtes enthoben werden.

- E-Government: Bürger in Deutschland können ab Sommer 2014 einige Behördengänge auch elektronisch erledigen. Außerdem müssen Bundesbehörden ihre Akten digital führen und im Internet Informationen über den Bearbeitungsstand von Vorgängen anbieten.

- Steuern: Steuerschlupflöcher für Firmen, Vermögende und Top-Verdiener werden geschlossen. Tricksereien bei der Erbschaft- und Grunderwerbsteuer sowie bei Goldgeschäften werden unterbunden.

- Wettbewerbsrecht: Das Kartellrecht gilt künftig auch für gesetzliche Krankenkassen. So darf das Kartellamt künftig bei Fusionen von gesetzlichen Versicherern prüfen, ob sie ihre Marktmacht missbrauchen. Zugleich werden die Hürden für Pressefusionen gesenkt und die Sonderstellung von Presse-Großhändlern festgeschrieben.

- Contergarnrenten: Für contergangeschädigte Menschen gibt es mehr Unterstützung. Die monatlichen Conterganrenten steigen rückwirkend ab 1. Januar 2013.

- Insolvenzen: Überschuldete Verbraucher und Firmengründer sollen schneller als bisher die Chance zum wirtschaftlichen Neuanfang bekommen. Betroffene können sich unter bestimmten Voraussetzungen künftig schon nach drei statt wie bisher nach sechs Jahren von ihren Restschulden befreien lassen.

- EU-Beitritt Kroatiens: Der Weg für den EU-Beitritt Kroatiens ist von deutscher Seite aus frei. Der Bundesrat billigte formal den Beitrittsvertrag. Kroatien wird zum 1. Juli das 28. EU-Mitglied.

- Mieten: Mehrere Länder wollen schärfere Regelungen gegen überzogene Mieterhöhungen erreichen. Mieten gelten demnach als unangemessen, wenn sie bei knappem Angebot und Neuvermietung das Niveau um mehr als 20 Prozent übersteigen. Mit den Plänen muss sich nun der Bundestag befassen.

- Einbürgerung: Mehrere rot-grün regierte Länder werben dafür, doppelte Staatsbürgerschaften generell zuzulassen. Weitere Beratungen dazu stehen aus.

- Atommüllendlager: Der Gesetzentwurf für die geplante Suche nach einem Atommüllendlager wurde erstmals beraten. Von SPD und Grünen geführte Länder forderten Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) zu einem Rettungsversuch auf. Im Moment ist das geplante Gesetz zur Endlagersuche gefährdet, weil nicht genügend Länder zur Zwischenlagerung von 26 Castoren mit Atommüll bereit sind.

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5 Kommentare

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  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    liebe Bachsau,

     

    genau deshalb gehen wir wählen.

     

    hast Du nicht erblickt - nicht wahr - daß der Ramsauer da nur inszenierte, weil er wußte, daß es nicht durchgeht. Der Verkehrstag jedenfalls hat das auf Anhieb durchschaut.

     

    Wenns durchgegangen wäre, hätten ja auch ganz ganz viele Autofahrer gemerkt, was es für ein Mist ist. Das hätte R. ganz ganz bestimmt nicht gewollt.

  • V
    vic

    Ramsauers Neuregelung des Punktekatalogs ist purer Aktionismus. Gut, dass der Quatsch nicht so einfach durchgeht.

    Leider völliger Blödsinn ist das "Endlagersuchgesetz". Damit ist noch kein Gramm Atommüll entsorgt. Außerdem kann man Atommüll nicht endlagern.

  • B
    Bachsau

    Hauptsache blockieren – und sich hinterher Wundern, dass keiner mehr Lust hat, wählen zu gehen. :[

  • U
    Unverständnis

    Warjm bekommen die westdeutschen Rentner eigentlich 1/4 %Punkt mehr als jene im Osten? So wird das wohl nie was mit dem Ost-West-Angleich... Traurig!

  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    man muß den armen Ramsauer ein bischen in Schutz nehmen, nach so vielen Kopfschlägen in seiner Burschenschaft ist nun mal hinterher nichts mehr, wie es vorher war. Vielleicht war er früher ja mal ein ganz guter Mann, wenn er auch einem wie einem Eppler lange nicht das Wasser reichen kann (- auch eine Form von Hoch-Wasser - ist das was für den Tom-Touché?).

     

    In Bayern wurde nun mal immer nach seltsamen Riten Kreuzchen gemacht - Wählen kann man das nun ja eigentlich nicht nennen.

     

    So wie ein Burschenschaftlerkommentar in einem Kommentar (taz) klar sein Unverständnis darüber ausgedrückt hat, wenn Kritik daran geübt wird, wenn Stellen nicht nach Fähigkeit, sondern nach Kumpel-Sauf-Hau-und Schmißaffinität besetzt werden.