„Recht auf Stadt“-Protest in Hamburg: Party in der alten „Spiegel“-Kantine
Der Ex-Sitz des Nachrichtenmagazins gehört derzeit dem Hochtief-Konzern und steht schon länger leer. In der Nacht zum Samstag wurde er von Aktivisten kurzfristig besetzt.
HAMBURG taz | Häuserkampf einmal anders: Rund 250 Menschen haben in der Nacht zum Samstag das leer stehende ehemalige Bürogebäude des Nachrichtenmagazins Der Spiegel in der Hamburger City „besucht“, um in der Kantine und weiteren Räumen eine „Fette-Mieten-Party“ zu feiern. Obwohl mit Wasserwerfern, einem Räumpanzer und einem Großaufgebot an Beamten angerückt, verzichtete die Polizei auf eine Räumung und ließ die Aktivistinnen des Antigentrifizierungs-Netzwerkes „Recht auf Stadt“ ohne Anwendung von Gewalt abziehen.
Seit Tagen kursierten schriftliche Einladungen in der Stadt, auf denen eine Event-Agentur angeblich für den Düsseldorfer Baukonzern Hochtief zu eine Feier mobilisierte. Der Konzern hat gerade seine Anteile am Flughafen Hamburg verkauft und von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD ) den Persilschein für seine Beteiligung am umstrittenen und überteuerten Bau der Elbphilharmonie erhalten. Zwei Raves rockten am Freitagabend durch die Innenstadt. Gegen Mitternacht passierten sie zeitgleich den alten Spiegel-Komplex an der historischen Speicherstadt. In dem Moment entzündeten sich bengalische Fackeln auf dem Dach des 13-geschossigen Gebäudes, und ein Transparent wurde entrollt, auf dem Hochtief zur „1990er Gala“ einlud.
Während mehr als 100 Menschen noch zögerlich vor der Tür verharrten, nahmen ebenso viele die Einladung gleich an. Der Tenor der Gala lautete: „Miete verweigern, Kündigung ins Klo, Häuser besetzen sowieso“. Unter den Versammelten befand sich auch der Linkspartei-Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch. „Ich war gerade im Rathaus beim Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie und schaute zufällig hier vorbei" sagte er der taz. „Wenn die Vertreter der Realisierungsgesellschaft das gewusst hätten, die im Ausschuss über Hochtief geschimpft haben, wären die bestimmt mitgekommen.“
Da die Einladung zur Gala auch über Facebook verbreitet wurde, war die Polizei vorgewarnt. Innerhalb von wenigen Minuten trafen die Uniformierten ein und versuchten hektisch, alle vor dem Spiegel-Gebäude Versammelten einzukesseln. Nach einer Viertelstunde kehrte jedoch Ruhe ein, nachdem sich Anwalt Marc Meyer vom Hamburger Mieterverein „Mieter helfen Mietern“ als Vermittler eingeschaltet hatte. Da die Türen offen gestanden hätten und die Einladung kursiert habe, wären die Menschen im Haus als Partygäste anzusehen. Die Polizei könne zwar aufwendig alle Personalien feststellen, strafrechtliche Konsequenzen dürfte die Aktion aber nicht nach sich ziehen, der Tatbestand eines Hausfriedensbruchs läge nicht vor, insistierte Meyer.
In den Verhandlungen einigten sich beide Seiten darauf, dass die Polizei auf eine Räumung des Gebäudes verzichtete und dies auch über Lautsprecher kundtat, dass sich jedoch gleichzeitig die Party auflöste und die Teilnehmer ohne Personalienfeststellung abziehen konnten – was gegen zwei Uhr nachts auch geschah.
Geplatzte Pläne
Seit dem Umzug des Spiegel-Verlags in sein neu erbautes Domizil in der Hafencity im Jahr 2011 steht die alte und denkmalgeschützte Unternehmenszentrale leer – ebenso wie das benachbarte und ebenfalls denkmalgeschützte so genannte IBM-Hochhaus, in dem zuletzt die Redaktionen von Spiegel TV und Manager Magazin residierten. Das Areal auf der so genannten „Spiegel-Insel“ war danach zunächst von der IVG Immobilien AG aufgekauft worden. Mit Zustimmung des SPD-Senats wolllte Sie das Vorhaben des IT-Unternehmers Benjamin Storm verwirklichen, auf dem Areal ein IT- und Kreativ-Zentrum mit Wohnungen und Büroräume für Existenzgründer zu errichten.
Diese Pläne sind geplatzt. Die IVG hat die Immobilie im vorigen Sommer an Hochtief veräußert. Seitdem ist völlig offen, was mit dem Filetgrundstück, das sich direkt an der geplanten Tangente zwischen den City-Flaniermeilen und der Hafencity mit dem Kreuzfahrtschiff-Terminal befindet, passieren soll, Die Gebäude und das Terrain sind laut der „Recht auf Stadt“-Aktivisten für viele Projekte vom Studierendenwohnheim bis zur Flüchtlingsunterkunft geeignet. „Uns liegen keine Bauanträge von Hochtief vor“, teilt die Sprecherin des zuständigen Bezirksamt Hamburg-Mitte, Sorina Weiland, mit.
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