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Protest gegen Wohnungsnot"Die Repression hat gegriffen"

Die aktuelle Wohnungsnot in Hamburg ist so groß wie Mitte der 1980er Jahre. Aber im Gegensatz zu damals werden heute keine Häuser mehr dauerhaft besetzt. Warum eigentlich?

Dauerhafte Hausbesetzungen gibt es in Hamburg keine mehr: Demonstration "Mietenwahnsinn stoppen" Bild: dpa
Klaus Irler
Interview von Klaus Irler

taz: Herr Füllner, die Wohnungsnot in Hamburg ist derzeit ähnlich groß wie Mitte der 1980er, aber dauerhafte Hausbesetzungen gibt es keine mehr. Hat die Hausbesetzung als Protestform ausgedient?

Jonas Füllner: Die Vorzeichen haben sich stark verändert. Ein Beispiel ist die sogenannte „Berliner Linie“, also dass Häuser heutzutage innerhalb von 24 Stunden nach Besetzung geräumt werden. Die Repression hat gegriffen. Andererseits gab es in Hamburg mit dem Gängeviertel 2009 die größte Hausbesetzung seit Jahren. Das waren zwölf besetzte Häuser.

Wurde das Gängeviertel wirklich „besetzt“? Die Leute dort haben diesen Begriff immer vermieden.

Das stimmt, aber das Gängeviertel wurde genauso besetzt wie die Häuser in den 1970er- und 80er-Jahren besetzt waren. Da sind Leute reingegangen und haben die Häuser ohne gültigen Mietvertrag genutzt.

Was ist der Unterschied zwischen damals und heute?

Jonas Füllner

33, Germanist und Soziologe, ist im Netzwerk "Recht auf Stadt" aktiv. Er promoviert an der Universität Hamburg über das Thema "Unternehmerische Stadt".

Die Leute damals haben die Besetzung als einen Kampfbegriff verwendet. Das Gängeviertel hat das Gegenteil davon gemacht und gesagt: „Wir machen eine Kunstaktion.“

Wird die Protestform Hausbesetzung im „Recht auf Stadt“-Netzwerk diskutiert?

Es gab mehrere Aktionen, bei denen in Form vom Besetzungen auf skandalöse Leerstände und Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen aufmerksam gemacht wurde. Unter anderem im Erotic-Art-Museum oder der Karolinenstraße.

Aber das waren immer nur kurze Aktionen.

Genau. Die Besetzung wurde benutzt als Forum, um auf uns aufmerksam zu machen.

Welche sonstigen Protestformen wählt das „Recht auf Stadt“-Netzwerk?

Wir haben angefangen vor zwei Jahren mit den „Fette Mieten Partys“. Da haben wir öffentliche Wohnungsbesichtigungen gestört, indem wir als Partyumzug hingegangen sind. Ansonsten Demonstrationen, kleine Aktionen und sehr viel Kreatives. Es ist eine Besonderheit des Netzwerks „Recht auf Stadt“, dass wir auch versuchen, ernste Themen mit Spaß anzugehen.

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2 Kommentare

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  • S
    SKR03

    Die aktuelle Wohnungsnot ist subjektiv größer als in den 80er.

    Ähnliches wie in der Hafenstrasse spielt sich aktuell vor der stadteigenen Villa Behnke an der Horner Landstraße 369 ab.

    "Die städtische Wohnungsgesellschaft Saga, der das Haus gehöre, habe Strafantrag gestellt."

    Es grüßt wohl die SPD und Gewerkschaftsholding, Badenia, Relikt Neue Heimat, die für symbolisch 1 Mark verkauft wurde.

    Die Saga sollte einmal kaufmänisch betrachtet werden. Es scheint das über buchhalterische Tricks Bundesgelder vermehrt werden. Über die jährliche Betriebskostenrückzahlung. Dazu das Forderungsmanagement der Bundesländer betrachten.

     

    Die OECD mahnt schon seit Jahren das Deutschland in vielen Bereichen ein soziales Schlusslicht in der EU ist u.a. Wohnungsbau, H4 etc.

    Das jede Partei entsprechend dem Peter Prinzip ihre Verantwortung mit Unfähigkeit tauscht, mit staatlicher Gewalt durchsetzt, scheint eine tausendjährige Tradition zu sein. Der Bundesbauschadensbericht zeigt weitere politische Unfähigkeiten.

     

    Ebenso unbegreiflich ist der steuerlich subventionierte Leerstand von gebrauchten Gewerbeimmobilien in exponierter Lage vs. Neubau von Gewerbeimmobilien.

    Da haben manche Banken eindeutig zu viel Geld.

     

    City Nord könnte für sehr interessante Projekte genutzt werden. Statt dessen werden anliegende Kleingärten für Wohnungsprojekte entfernt.

    Studenten übernachten inzwischen auf dem Campus und der Senat verdient an der Zweitwohnsteuer der "Kreativen Klasse".

    Wenn Städteplaner Soziologen zum Wohle der Banken/Sparkassen werden, ist einiges verkehrt.

    Die Inhalte Gentrifizierung könnten deutlich erweitert werden. Banken Repression Terraforming.

     

    Ein herrlicher Hafenstrassen Klassiker

    http://www.youtube.com/watch?v=YytuxUzVyfY

  • BS
    B. Setzer

    Im letzten Jahr:

     

    Hausbesetzung in der Schanze (Juliusstr.), Hausbesetzung in der neuen großen Bergstr. (Altona)

     

    Dieser Samstag:

     

    Hausbesetzung in Horn.

    Soviel zum Thema "Haben Hausbesetzungen als Aktionsform ausgedient?"