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Kommentar Adoption für HomosexuelleDas gewisse Unbehagen der Union

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Wie viel Modernität verträgt die Union noch? Wie konservativ darf sie bleiben? Oder: Was kann sie den Wählerinnen und Wählern zumuten?

D a musste die Union nun schon die Kröte mit dem Ehegattensplitting für homosexuelle Paare schlucken. Doch kaum ist in der Fraktion die Abstimmung für eine Gesetzesänderung durch, schon prescht Ursula von der Leyen mit einem Ruf nach weiterer Gleichstellung von Lesben und Schwulen vor: dem Adoptionsrecht.

Sie kenne keine Studie, sagt die CDU-Vizechefin in einem Interview, dass es Kindern, die in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften aufwachsen, anders gehe als Kindern, die bei Heteropaaren groß werden. Reflexartig kontert Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, dass es bei dieser Frage keinen „Schnellschuss“ geben dürfe.

Mit der nicht ganz neuen, aber jetzt umso heftiger entflammten Debatte hat die Union genau das Thema auf dem Tisch, das sie mit der Abstimmung zum Ehegattensplitting Ende vergangener Woche glaubte vom Tisch gefegt zu haben. Denn wenn die Union etwas nicht gebrauchen kann in den verbleibenden Wochen vor der Bundestagswahl, dann ist das ein weiterer Wertediskurs. Wie viel Modernität verträgt die Union noch? Wie konservativ darf sie bleiben? Oder: Was kann sie den Wählerinnen und Wählern zumuten?

privat
Simone Schmollack

ist Redakteurin im Inlandsressort der taz und verantwortlich für Genderthemen.

Das weiß die Union selbst nicht so genau. Das zeigt sich deutlich bei den Genderthemen – und jetzt bei der „Homo-Frage“. Dass Schwule und Lesben gleichberechtigte Eltern von adoptierten Kinder werden sollen, können oder wollen sich viele in der Union immer noch nicht vorstellen. Volker Bouffier, CDU-Vize und Ministerpräsident in Hessen, nennt das „ein gewisses Unbehagen“. Die CSU, die heftigste Verteidigerin der traditionellen Ehe und Familie, verweigert sich der Adoptionsfrage völlig. Das will die Partei nur ändern, wenn das Bundesverfassungsgericht das verlangt.

Dabei hat Karlsruhe längst deutlich gemacht, in welche Richtung es geht. Im Februar hat es den Gesetzgeber aufgefordert, auch beim Adoptionsrecht für Homosexuelle nachzubessern.

Dabei wird es nicht bleiben. Schon jetzt fordern manche, die Ehe generell zu öffnen. An dieser Stelle können CDU und CSU aber ganz entspannt bleiben. Diese Debatte wird über die Bundestagswahl hinausgehen.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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5 Kommentare

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  • I
    ion

    "Dabei wird es nicht bleiben. Schon jetzt fordern manche, die Ehe generell zu öffnen."

     

    Vermutlich! Und übermorgen wird zum x-ten Male höchstrichterlich zu entscheiden sein, welche Rechtsstellung die Gruppen-“Ehe”* (z.B. von 2 bisexuellen Männern, 3 lesbischen Frauen, einem Zwitter, einem asexuellen, geklonten Humanoiden und 4 Androiden) zu haben hat?!

    Ich verlange die Abschaffung jeglicher Sonderrechtsstellung jeglicher “Ehe”-Form! Und staatlich gewährte, monetäre Vorteile (Splitting, etc.) grundsätzlich nur für rechtsverbindlich definierte, deklarierte Lebensgemeinschaften, die auch definitiv (auch adoptierte) Kinder begleiten, ‘aufziehen’.

     

     

    *) “Ehe”; etymologisch, Exzerpt: Grundbedeutung ‘immerdar, ewig geltendes Recht’, (....).

    LOL. Is’ das also nur Kleinbürgers’ Hybris oder einfach traditionell strunzdumm‽

  • S
    Sandra

    Das Ehegattensplitting ist überholt, sagt Sebastian Engelmann, Mitglied im Think Tank 30 des Club of Rome. Statt verheiratete Erwachsene sollten wir lieber Kinder fördern http://www.atkearney361grad.de/schluss-mit-dem-splitting/

  • M
    Marco

    "manche" fordern die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare? Alle im Bundestag vertretenen Parteien, außer die CDU fordern eine Öffnung der Ehe!

  • JW
    Jürgen Wenke

    Merkel und Co haben die nächste Niederlage kassiert, aber das wird diese hoffentlich letzte schwarz-gelbe Regierung nicht davon abhalten, weiter Verfassungsbruch zu begehen (siehe die ausstehende Regelung zur Gleichstellung in der Volladoption).

     

    Schwarz-gelb ist in gesellschaftspolitischen Fragen ein Gemisch, dass Brauntöne hat.

  • N
    Normalo

    ...wenn doch nur die taz genauso inbrünstig und kritiklos die Befolgung der Karlsruher Rechtsprechung zum Beispiel zur Beschränkung der Steuerlast von Gutverdienern einfordern würde!

     

    Es gibt nunmal immer mehr als eine "richtige" Einstellung zu gesellschaftlichen Fragen in einer Demokratie. Und es ist nur sehr begrenzt die Pflicht der Parteien, dem Souverän zu diktieren, wie er sich in Wertungsfragen zu positionieren hat.

     

    Jede Stimme - auch die eines stumpf-konservativen Spießers - hat den gleichen Wert, und Demokratie heißt, sich auch mit der Gegenmeinung auseinander zu setzen, selbst wenn sie nur von einer Minderheit getragen wird oder das Verfassungsgericht eine - im Vergleich zu früher - geänderte Einstellung zu bestimmten Formen der Lebensführung an den Tag legt. Wenn man nur mit ideologischer Selbstgewissheit und unter Verweis auf verfassungsgemäße Vollmachten zur Durchsetzung derselben über die Andersdenkenden hinwegreitet, landet man in Situationen wie z. B. den Stuttgart 21-Krawallen oder den jetzigen Protesten in Istanbul.