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Protestforscher über Blockupy-Solidarität„Ein ambivalentes Gefühl“

Der Protestforscher Dieter Rucht analysiert soziale Bewegungen. Außerdem hat er sich mit den Blockupy-Protesten solidarisiert.

Mit Blockupy solidarisieren – ja oder nein? Bild: reuters
Martin Kaul
Interview von Martin Kaul

taz: Herr Rucht, Sie haben jüngst mit Dutzenden Protestforschern einen Aufruf unterschrieben und solidarisieren sich mit der Blockupy-Bewegung. Sind Sie ein unabhängiger Forscher?

Dieter Rucht: Ein eindeutiges Ja. Es gab und gibt keine Institution oder Person, die mir vorschreibt, was ich wissenschaftlich zu tun und zu lassen habe.

Was soll dann so ein Aufruf?

Er richtet sich gegen unverhältnismäßige Polizeiübergriffe. Die Öffentlichkeit soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass auch in Deutschland immer wieder das Demonstrationsrecht eingeschränkt und missachtet wird. Zuletzt, auf drastische Art, in Frankfurt. Das heißt aber nicht, dass ich alle Forderungen der Blockupy-Bewegung teilen muss.

Hatten Sie ein gutes Gefühl im Bauch, als Sie den Solidarisierungsaufruf unterschrieben haben?

Nein, ein ambivalentes Gefühl. Einerseits gehört die politische Positionseinnahme zu meinem Selbstverständnis, andererseits sehe ich eine gewisse Voreiligkeit bei der Bereitschaft zu solchen Stellungnahmen.

archiv
Im Interview: Dieter Rucht

Jahrgang 1946, ist Protestforscher und gründete das Berliner Institut für Protest- und Bewegungsforschung mit. In einem Aufruf solidarisierte er sich mit den Blockupy-Protesten.

Kollegen von Ihnen haben dem einen Namen gegeben, der ein bisschen wie eine Krankheit klingt: „Aufruferitis“.

Ich habe im Anschluss an meine Unterschrift einem kleinen KollegInnenkreis genau diese Bedenken mitgeteilt und vor dieser Gefahr gewarnt.

Unterschrieben haben Sie den Aufruf schließlich dennoch. Wie übrigens auch der renommierte Politikwissenschaftler John Holloway aus Mexiko. Weiß Holloway überhaupt, was Blockupy ist?

Keine Ahnung. Ich selbst wäre vorsichtig, Vorgänge in anderen Ländern zu beurteilen, deren Sprache ich nicht kenne und deren Informationsquellen ich nicht beurteilen kann.

Wie viele der Unterzeichner waren überhaupt in Frankfurt?

Das weiß ich nicht.

Wie sehr sind Bewegungsforscher selbst Teil sozialer Bewegungen? Können Sie den Vorwurf des Mangels an Distanz nachvollziehen?

In längerfristiger Betrachtung hat sich das Maß an Distanz eher erhöht und die professionelle Haltung zum Gegenstand verstärkt. Methodische Standards werden strikter eingehalten, platte Verbrüderungen sowie naive Formen der Aktionsforschung werden kaum noch praktiziert.

Sie beklagen, dass der Bewegungsforschung das Geld fehle. Derzeit gründen Sie ein Institut für Protest- und Bewegungsforschung in Berlin – die Finanzierung ist noch nicht gesichert. Aber wieso sollte ein Institut Geld für unabhängige Wissenschaft bekommen, dessen Forscher selbst Partei nehmen?

Der Maßstab meiner Arbeit und der des Instituts sind nicht Äußerungen, die ich als politisches Subjekt treffe. Der Maßstab sind wissenschaftliche Standards. WissenschaftlerInnen haben die Freiheit, sich jeglicher politischen Bewertung zu enthalten. Ich habe mich da anders entschieden. Ich gebe aber zu: Auch im Laufe der Jahrzehnte habe ich noch keine wirklich sichere Position zu dieser Frage gewonnen.

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10 Kommentare

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  • EM
    ey martin

    was sollen denn diese fragen? Stelle die Frage nach der "Neutralität" doch besser mal mainstream-exeturienden Wissenschaftlern, die Geld von Bundesministerien bekommen, und damit ganz neutral und objektiv die DDR oder was auch immer aufarbeiten. (deren Finnzierung ist übrigens gesichert...). Echt mal.

  • FP
    Florian P

    Es ist auffallend, dass einige Taz-Interviews in letzter Zeit häufig schlecht vorbereitet sind und die Fragen sich mehr mit der Person und Nebensächlichkeiten als mit dem Thema selbst beschäftigen. Einige Taz-Redakteure scheinen das wahre Interesse Ihrer Leser zu verkennen und machen miesen und lahmen Journalismus.

     

    Dazu passt rechts die angezeigte Werbung: "taz wird dick und gemütlich" (Käseblatt).

     

    Der Slogan "taz wird lebhaft und unbequem" (Zeitung) würde den meisten Lesern viel viel besser gefallen.

  • EF
    Evi Finken

    Ich kann mich der Kritik der anderen Kommentarschreiber voll und ganz anschließen.

    Solche Fragen hätte auch Thomas Jauch oder Günter Gottschalk stellen können.

    War das ein Versuch, Rucht und seine Arbeit zu desavouieren?

  • M
    max

    nur zur info: ich habe mich mit john holloway schon gut auf deutsch unterhalten. das nur zum thema, dass da jemand nicht versteht, was er unterschreibt.

  • F
    freiheitsliebende*r

    vielleicht sollte sich die taz vorher über john holloway informieren. mal abgesehen davon, dass blockupy ja durchaus einen internationalen anspruch hatund somit über weite teile auch englisch-sprachig aufrufe/aussagen tätigt (also auch in anderen ländern verständlich ist) spricht herr holloway recht passabel deutsch und beschäftigt sich schon seit jahren auch mit der deutschen Linken. die frage ihm bezüglilch ist also recht sinnentleert.

    lg.

  • C
    CFK

    Das Interview hätte wesentlich ergiebiger und interessanter sein können, hätte sich der Journalist nicht so sehr auf Herrn Ruchts eigene Rolle konzentriert. Ich bin davon überzeugt, dass Herr Rucht viel Interessantes haette erzaehlen können. Schade.

  • F
    Fremdkörper

    Ein Interview, das ganz und gar im Zeichen der gängigen Mainstream-Berichterstattung steht. Anstatt über Inhalte zu berichten bzw. in dem Interview über entsprechende Fragen erschließen zu wollen, werden bestimmte Ereignisse (hier ein politisches Statement eines Wissenschaftlers) dramatisiert und teilweise skandalisiert.

     

    Angesichts der aktuellen Protesten in verschiedenen Ländern wäre es doch viel interessanter zu fragen wie sich die Wissenschaft mit diesen beschäftigt und über die Ergebnisse zu diskutieren. Lassen sich Muster erkennen? Welche Ressourcen werden genutzt? Wie gestalten sich die Protest-Netzwerke? Welchen Einfluss haben politische Gelegenheitsstrukturen?

     

    Aber das wäre wohl zu viel verlangt. Ein weiteres Interview ohne inhaltlichen Mehrwert.

  • S
    studi

    Die Stoßrichtung der Interviewfragen ist einfach nur falsch und naiv.

    Eine Wissenschaft die ihre Inahlte nicht mit gesellschaftlichen Entwicklungen und ethischen Normen ins Verhlältnis setzt kann nicht gewollt sein, weil sie eben nicht unabhängig und außerhalb der Gesellschaft existiert.

    Forschern mangelnde Unabhängigkeit zu unterstellen weil sie aus freien Stücken die Einhaltung demokratischer Mindeststandards einfordern erscheint mir doch sehr konstruiert. Dabei gäbe es tatsächlich gute Gründe die Unabhängigkeit der Forschung gefährdet zu sehen, etwa die um sich greifende Drittemittelfinanzierung oder Auftragsforschung mit allzuoft fragwürdigen Begleitumständen.

  • F
    Freak

    schön das es noch ehrliche Menschen mit Distanz zur Wirtschaftsdiktatur gibt, wer weiß ob wir ohne sie nicht längst Japan an Anpassung, Disziplin, Gehorsam und Null-Widerstand überholt hätten.

  • T
    Tomatenwerfer*in

    Erstaunlich wie dieser Artikel es schafft mit scheinbar naiven Fragen eine Stimmung zu erzeugen, in der Dieter Rucht als ansteckender Patient der gefährlichen Krankheit des Bewusstseins der eigenen Position in Gesellschaft leidet. Und dann sind da auch noch solche Spinner wie John Holloway, die sich das Recht herausnehmen sich in Angelegenheiten anderer Volkskrämpfe einzumischen.

    Oder ist es niht viel mehr so, dass selbst "die Wissenschaft" endlich wieder die Welt außerhalb des aus Statistiken und "Fakten" bestehenden Elfenbeinturmes entdeckt? Und wenn dem so ist, mal ganz ehrlich, was sollte daran krankhaft sein?