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Lage auf dem LehrstellenmarktBetriebe und Azubis finden sich nicht

Das Ausbildungsjahr startet – und immer noch sind über 100.000 Lehrstellen frei. Trotzdem gehen immer mehr Jugendliche leer aus.

Im Hotel- und Gaststättengewerbe werden Azubis dringend gesucht. Bild: dpa

BERLIN taz | Ein Kleinwagen für die Lehre in der Altenpflege: Die Seniorenheim-Kette K & S aus Sottrum bei Bremen wirbt seit einigen Jahren mit dieser besonderen Aktion um Nachwuchs. Gut zehn Fahrzeuge spendiert der Heimbetreiber seinen besten Azubis jedes Jahr. „Im Moment können wir unsere Lehrstellen noch besetzen“, sagt Silke Sackmann, verantwortlich für das Personalmarketing. „Aber der Markt ist sehr eng.“

Unternehmen buhlen um Azubis. Diesen Eindruck erwecken auch die ersten Zahlen, die Industrie, Handel und Handwerk zu Beginn des Ausbildungsjahres am 1. August vermelden. Bundesweit sind laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag noch über 100.000 Lehrstellen unbesetzt.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) zählt allein in seinem Bereich 22.300 offene Ausbildungsplätze. „Last-Minute-Bewerber haben daher auch jetzt noch beste Chancen auf eine Ausbildung im Wunschberuf“, sagte ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke.

Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist indes gesunken. In Industrie und Handel waren es bis Ende Juli 240.723 und damit 2,6 Prozent weniger als vor einem Jahr. Das Handwerk schloss bis jetzt 84.544 Lehrverträge ab, ein Minus von 4,6 Prozent. Dabei ist die Zahl der Schulabgänger in diesem Jahr konstant geblieben – auch die der Absolventen ohne Abitur, die die traditionelle Zielgruppe der Berufsbildung darstellen.

Dass Jugendliche ihren Lehrbetrieb nach Belieben auswählen könnten, stimmt deswegen nicht ganz. Laut Berufsbildungsbericht der Bundesregierung blieben im vergangenen Lehrjahr 15.650 Schulabgänger ohne Ausbildungsplatz, 38 Prozent mehr als 2011. Gleichzeitig erreichte die Zahl der unbesetzten Stellen Rekordwerte – ein Zeichen dafür, dass Betriebe und Azubis immer schwerer zueinanderfinden. Solche Schwierigkeiten dürften auch ein Grund dafür sein, warum nur noch jeder fünfte Betrieb ausbildet. Vor allem Kleinstbetriebe sparen sich die Lehrlingssuche zunehmend.

Gleichzeitig sind noch Hunderttausende Altbewerber im Übergangssystem. „Von einem bundesweiten Bewerbermangel kann man nicht sprechen“, meint deshalb auch Matthias Anbuhl, Bildungsexperte beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

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7 Kommentare

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  • Ja das war mein Problem damals, ich wusste nicht was ich wollte und das was ich tuen musste, hat mich eher abgeschreckt. Jetzt weiß ich was ich will und kenne meine Stärken.

     

    Glaubt man gar nicht wie schwer es ist, eine Betrieb zu finden, der einem trotzdem noch eine Chance gibt.

     

    Ich kann jedem jungen Menschen nur raten die Zähne zusammen zu beißen und irgendwie versuchen die Ausbildung erfolgreich zu beenden. Danach, kann man sich noch immer Weiterbilden, oder neu Ausbilden lassen.

    Jetzt höre ich mich an wie mein Opa, aber siehe da, er hatte Recht. :)

  • S
    Sportskanone

    @Steffen Müller: in Dänemark und Österreich wären sie schon lange ausgebildet worden! die haben die besseren Berufsbildungssysteme - das wissen aber nur Leute, die sich damit intensiv beschäftigt haben!

     

     

     

    in Dänemark hätte man Sie genau wie die anderen im Wunschberuf in die Schule gesetzt - neben dem Beruf hätten sie auch eine Fachhochschulreife direkt nebenbei mitgemacht. Die Ausbildung dauert dort 4 Jahre, die Schüler die keinen Betrieb finden, lernen den gleichen Beruf aber schulisch und bekommen noch Praktika dazu in Firmen, wo sie oft als Azubis dann hängenbleiben. Wenn sie keinen Betrieb finden, machen sie dennoch direkt ihre Ausbildung weiter und erhalten am Ende ihr Zertifikat plus Fachhochschulreife als Studienzugangsberechtigung.

  • Es wundert mich überhaupt nicht das Betriebe solche Probleme haben wollen, Auszubildende zu finden.

     

     

     

    Ich bin 34 und suche seit Jahren noch meine 1. Ausbildung. Blöd, wenn man unter der Hand gesagt bekommt, man wäre zu alt und die Höchstgrenze läge (in dem Betrieb) bei 25 Jahren. Dabei fahre ich sogar quer durch die Republik zu Bewerbungsgespräch und Einstellungstest.

     

    Aber meist herrscht nur Funkstille.

     

     

     

    Schade für mich und Pech für die Betriebe.

  • D
    Die Üblichen

    Eine entspannte Lage am Ausbildungsmarkt ist nicht überall vorhanden. Komischerweise war mir ziemlich klar, bevor ich die Statistik las, dass die beiden Versagerländer mal wieder NRW und Berlin heißen (an Armut allein kann es nicht liegen, siehe Ostländer):

     

     

     

    http://www.report-k.de/Wirtschaft/Bildung/Lehrstellen-NRW-ist-Schlusslicht-Muenchen-und-Mecklenburg-Vorpommern-sind-Spitzenreiter-18719

     

     

     

    Macht aber nichts, NRW wählt trotzdem weiter tapfer RotGrün, und die Hauptstadt ist ohnehin für die nächsten Jahrzehnte verloren.

  • L
    Lea

    Ich vermisse in dem Artikel Hinweise auf die Ursache diese Problems. Wie passen viele freie Lehrstellen und stellenlose Bildungswillige zusammen? Gibt es da Untersuchungen? Sind die Jugendlichen zu schlecht ausgebildet? Sind die Anforderungen der Firmen überzogen oder die Bezahlung zu schlecht?

  • S
    sowas

    Es wundert nicht wirklich, dass so viele Betriebe Probleme haben, Lehrstellen zu besetzen. Denn schauen sich die jungen Menschen die Zukunftsperspektiven in vielen Bereichen an, steht dort am Ende der Ausbildung der Geringverdiener Gärtner, die Aufstockerin Frisörin oder der Metallfacharbeiter in der Zeitarbeit. Wenn die Jugend keine Perspektiven für Mühe und Engagement sieht, warum sollte sie diese dann erbringen. Hinzu kommt ein weiterer problematischer Punkt. Wer z.Bsp. heute zur Arbeitsagentur geht und dort mit 27 Jahren eine Umschulung möchte, weil einem der Beruf nicht liegt, bekommt gesagt, man sei keine Agentur zur Selbstfindung. Wer gesund ist, soll in seinem gelernten Beruf auch arbeiten, solange es dort Bedarf gibt. Die Menschen werden also auf dieses eine Berufsbild festgenagelt. Die Festlegung auf dieses Berufsbild erfolgte aber oft in einem Alter, in dem diese Menschen noch zu den Jugendlichen zählen, also nicht einmal bei den Bundestagswahlen mitwirken dürfen. D.h. eine Ausbildung als Notlösung, ist eine Festlegung auf einen, vielleicht ungeliebten Beruf, für den Rest des Lebens.

    • B
      Bert
      @sowas:

      @ Sowas, genauso ist es. Mit 16, 17 Jahren sollen die jungen Leute eine Entscheidung fürs Leben treffen und sind dann darauf fest gelegt. Und wenn dann jemand doch noch jenseits der dreißig einen neuen Beruf lernt, heißt es, man sei zu alt, um ohne einschlägige Berufserfahrung noch eine Stelle zu kriegen.