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Widerstand gegen FlüchtlingeDeeskalation nach Katalog

Ein Strategiewechsel bei der Suche nach Standorten für Flüchtlingsunterkünfte soll fremdenfeindliche Ausfälle in den Beiräten künftig verhindern.

Am Rande dieser Siedlung in Obervieland könnte eine mobile Unterkunft entstehen. Bild: Klaus Wolschner

Es mutet wie ein Friedensangebot an: Die Sozialbehörde stellt eine Liste mit sämtlichen für Flüchtlingsunterkünfte geeigneten Grundstücken und Gebäuden der Stadt zusammen und händigt sie allen Beiräten aus – und im Gegenzug bemühen sich die Beiräte um Mitarbeit und darum, Gegenargumente an einem „Kriterienkatalog“ festzumachen. „Ich möchte zukünftig keine Einwände mehr hören, in denen es heißt, wir haben schon genug Ausländer hier“, so die deutlichen Worte von Staatsrat Horst Frehe (Die Grünen) auf der öffentlichen Beirätekonferenz am vergangenen Donnerstag.

Damit reagierte er auf die Häufung fremdenfeindlicher Ausbrüche bei Diskussionen um Standorte für Flüchtlingsunterkünfte: Er könne sich doch bei den ganzen Flüchtlingen nicht mehr auf die Straße trauen, hatte beispielsweise ein Bürger auf einer Beiratssitzung in Bremen-Mitte gesagt. In Vegesack fragte ein anderer, ob denn keiner an die deutschen Kinder denke. Der Stadtteil sei schon „belastet“ genug. Und in Obervieland hat jüngst eine Bürgerinitiative Unterschriften gegen die geplante Errichtung eines mobilen Flüchtlingsheims gesammelt: zu nah stünde es am angrenzenden Neubaugebiet. Dort, an der Brenningstraße, steht ein Schild mit der Aufschrift: „Keine Container auf der Wiese“ und dem Hinweis auf die nächste Beiratssitzung am 13. August.

Die ist nun freilich verschoben worden, denn erst einmal sammelt die Sozialbehörde Listen aller potenziellen Standorte für Flüchtlingsunterkünfte in der Stadt – und nicht nur, wie bisher, Grundstücke oder Häuser der stadteigenen Firma Immobilien Bremen. „Daraus“, so Frehe, „werden wir die geeignetsten Objekte ermitteln und dann mit den Beiräten und Ortsämtern abstimmen – es wird keine Entscheidung ohne die Beiräte geben.“ Frehe musste sich von den Stadtteil-Parlamenten in den letzten Wochen und Monaten wiederholt anhören, dass über deren Köpfe hinweg Standorte bestimmt würden. Nun können sie sich ein Bild über die gesamtbremische Situation machen und aus dieser Perspektive urteilen. „Das hätte auch schon vor Monaten geschehen können“, so der Einwurf des Obervieländer Beiratssprechers.

Frehe nannte als Kriterien für die Errichtung der Übergangswohnheime „geeignete Wohneinheiten und soziale Anbindung, vor allem an Schulen und Kindergärten.“ Unterkünfte in Industriegebieten und Stadtteilen ohne Infrastruktur seien nicht gewünscht. „Blockland scheidet wahrscheinlich aufgrund materieller Kriterien aus.“ Daneben sollen die Unterkünfte so klein wie möglich ausfallen: „Lieber vier Einrichtungen mit je 90 Menschen als drei mit 120“, so Frehe.

Heike Sprehe (SPD), Beiratssprecherin aus Vegesack, wendet ein, „dass in Mitte und Schwachhausen ja schließlich auch nur 60 Flüchtlinge untergebracht sind“, und Gerd Ilgner (SPD), Borgfelder Beiratssprecher, sagt, er könne sich auf der heutigen Beiratskonferenz keinesfalls festlegen, erst einmal müssten die gefällten Entscheidungen in den Beiräten diskutiert werden.

Entscheidungen waren freilich gar nicht Ziel der Konferenz, sondern, so Edith Wangenheim (SPD), Sprecherin des Beirats Woltmershausen, die Formulierung eines „Verfahrens- und Kriterienvorschlags zur Deeskalation und zur Schaffung einer Willkommenskultur“.

Ob und wie das angenommen wird, kann der 27. August zeigen: Dann nämlich findet die verschobene Beiratssitzung in Obervieland statt.

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8 Kommentare

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  • M
    Meckerziege

    Ich spüre doch ganz eindeutig eine schleichende Angst vor der AfD bei den linken Gutmenschen.

     

    Kann es sein, dass man sich seiner Sache nicht mehr so ganz sicher ist???

     

    Was Herrn Frehe betrifft:

    Es stimmt schon nachdenklich, dass große Gruppen in Modulbauten, in WiN Gebiete sollten und man seine Meinung nun geändert hat.

    Das muss doch wohl jeder zugeben, auch ein linker Demonstrant, der eigentlich genau diese Unterbringung nicht will.

  • G
    George

    Dieser Herr Frehe ist bei den Grünen und ein Autoritärer Zeitgenosse.

    Glaubt er eigentlich, dass damit die Probleme, di die Anwohner mit der steigenden Zahl von Migranten haben, dadurch besser werden?

    herr Frehe wird sich dafür verantworten müssen, dass, wenn er die Leute mundtot macht, Gewaltbereite zu anderen Mitteln greifen.

    Es ist nicht zu fassen, was in diesem Staat passiert! Eine Diktatur gegenüber den eigenen Bürgern!

  • RW
    Refugees Welcome

    fortsetzung des letzten Kommentars...

     

     

     

    Delia probiert Frehe und gleich alle Grünen als Nazikeule schwingende Autoritäre Machthaber_innen darzustellen ("An der Äußerung Herrn Frehes kann man deutlich das Demokratieverständnis der Grünen erkennen", "Es ist mit diesen Leuten immer dasselbe: Wer unseren Standpunkt nicht ohne Wenn und Aber abnickt, ist ein Nazi!"). Das der Standpunkt der den "erwachsenen Menschen" gelassen werden soll aber eben ein rassistischer ist und er deswegen keinen Raum verdient hat, auch, oder gerade nicht, in einer Demokratie wird nicht beachtet. Aus dem Kommentar von Delia geht klar hervor, dass er_sie nichts gegen diese unmenschlichen Lager hat. Er-sie möchte sie nur woanders aufbauen. Auf die typische ironische Ausdrucksweise "bereichert", die häufig in rassistischen Internetforen benutzt wird möchte ich hier gar nicht eingehen.

     

     

     

    Das Beteigeuze von Schäfchen spricht, wenn er_sie Geflohene meint zeigt wie wenig die hoffnungslose Lage dieser Menschen verstanden wurde.

     

     

     

    Allen Kommentarabgeber_innen sei hier der Redebeitrag der Flüchtlingsinitiative empfohlen, den diese auf der "Fight racism now!"-Demo am Samstag in Vegesack gehalten haben: http://endofroad.blogsport.de/2013/08/12/redebeitrag-fight-racism-now-demo-10-08-13/

  • RW
    Refugees Welcome

    Die Kommentare hier geben ja super die Stimmung auf den bisherigen Anwohner_innenversammlungen wieder: Rassistisch. Da stellt eine Claudia Cometh den Frehe als Diktator dar ("Ein autoritärer Typ, ein arroganter Typ oder einer mit schlechten Manieren", "Der Staatsrat sollte schnell zurücktreten und nach Kuba, wahlweise Nordkorea gehen."), dabei sollte es doch selbstverständlich sein, dass rassistischen Äußerungen kein Raum gegeben wird. Der gesamte Satz von ihm ist in Bezug auf die Aussage, dass es zu viele Ausländer in Deutschland gebe, zu verstehen. Und diese Aussage IST rassistischer Blödsinn. Außerdem kann Frehe an der Tatsache ja nichts ändern, dass Bremen eine Teil der Menschen aufnehmen muss. Er setzt sich nun für eine konstruktive Ideenfindung ein in der, so erscheint es mir, auch Kritik und Ablehnung erwünscht ist, aber eben keine rassistischen Plattitüden wie "Es gibt zu viele Ausländer hier".

     

     

     

    Der oder die Autor_in namens "AFD" möchte gleich die Altherren-konservativ-bis-rassistisch-rechtaußen Partei wählen. Ihr sei ans Herz gelegt mal etwas über diese Partei und ihre Verbindungen in Nazizusammenhänge zu lesen: (http://antifaelf.blogsport.de/2013/07/20/alternative-fuer-deutschland-gar-nicht-mal-so-alternativ-aber-ganz-schoen-deutschland/#more-13)

     

    Außerdem gibt es eine schöne Sammlung von Kommentaren anderer AFD-Wähler_innen. Einer menschenverachtender als der andere: http://afdwaehlerstellensichvor.tumblr.com/

     

     

     

    fortsetzung im nächsten Kommentar...

  • Wo wohnt dieser Frehe eigentlich? Auch in Bremen?

     

    Wie wäre es, wenn er seine "Ich will davon nichts mehr hören"- Haltung dafür einsetzt, seine Schäfchen in seiner direkten Nachbarschaft unterzubringen?

     

    Da gibt es doch bestimmt die eine oder andere Fläche, auf der sich so etwas super gut macht.

     

    Und- der Dank seiner sicherlich ebenso weltoffenen und toleranten Nachbarn wäre ihm auf Jahrzehnte gewiss.

  • D
    Delia

    Soso, Herr Frehe möchte künftig keine Einwände mehr hören, in denen es heißt, daß wir schon genug Ausländer hier haben !

     

     

     

    Wenn es aber genau das ist, was viele Bürger empfinden, dann kann man das nicht einfach als dummes Gerede von Menschen abtun, die bereits in benachteiligten Stadtteilen leben ( müssen ) und überdurchschnittlich von Ausländern bereichert sind.

     

     

     

    Irgendwann ist es mal gut und der Bürger macht sich Luft.

     

     

     

    An der Äußerung Herrn Frehes kann man deutlich das Demokratieverständnis der Grünen erkennen.

     

     

     

    Es ist mit diesen Leuten immer dasselbe: Wer unseren Standpunkt nicht ohne Wenn und Aber abnickt, ist ein Nazi !

     

     

     

    Siedelt diese Leute in den Containern in Oberneuland und Borgfeld an, dort fand meines Wissens noch gar keine Bereicherung statt und laßt erwachsenen Menschen ihren Standpunkt.

  • M
    Meckerziege

    Na da hat das Rumgenörgel ja was gebracht. Beschämend für die Bremer Sozialbehörde, dass erst die Bürger ausflippen müssen, sich als Nazipack beschimpfen lassen, um Gehör zu finden. Nun also macht man sich über die Größe der Einrichtungen, die Lage, die Aufteilung, den Standort Gedanken. Auf einmal dürfen die Beiräte mitreden. Vorher konnte man das nicht, oder? Vorher hat man die Flüchtlinge einfach abschieben wollen,in Container, in die eh benachteiligten Stadtteile, da wo nur arbeitsloses Pack kreucht und gefälligst die Klappe zu halten hat. Herr Frehe ist eine glatte Fehlbesetzung und Senatorin Stahmann hält sich bedeckt und erfeut sich an Kita-Plätzen, weil das ist ja was viel Freundlicheres, als Nazipack und Flüchtlinge.

     

     

     

    Fragt sich noch einer, warum Bremen das verschuldeteste Land ist und in der Pisa-Studie immer ganz hinten?

     

    Als Bremer kann ich nur hoffen, dass wir bald eingemeindet werden in Niedersachsen und das Spiel ein Ende hat.

  • "Ich möchte zukünftig keine Einwände mehr hören" ....

     

     

     

    man lasse sich das auf der Zunge zergehen. Wer würde so etwas sagen? Wenn man es nicht wüßte, würde man wahlweise meinen: Ein autoritärer Typ, ein arroganter Typ oder einer mit schlechten Manieren; irgendjemand, der nicht versteht, dass er als Staatsdiener für das "dienen" bezahlt wird, aber nicht, um seinen Auftraggebern den Mund zu verbieten.

     

     

     

    Der Staatsrat sollte schnell zurücktreten und nach Kuba, wahlweise Nordkorea gehen.