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Flüchtlingsunterkunft in Berlin„Action in Hellersdorf“

Nach Protesten gegen das Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf debattieren Politiker: Sollen Nazi-Demos neben solchen Heimen verboten werden?

Anwohner bringen – beobachtet von einem Filmteam – Spielzeuge für die Flüchtlingskinder. Bild: imago/Christian Mang

BERLIN taz | Sechs Übertragungswagen sind geparkt, auch Journalisten ausländischer Medien sind da. Nachbarn des ehemaligen Gymnasiums, das jetzt ein Flüchtlingsheim ist, werden von Fernsehteams zu Sachverständigen in Migrationsthemen erkoren. Es gibt kaum genügend Passanten für Interviews. „Action in Hellersdorf“, sagt ein alter Mann und muss lachen.

Es ist ein friedlicher Medienrummel am Mittwochvormittag in Hellersdorf am Rande Berlins. Ein Flüchtling kommt aus dem Haus und wird gleich von Journalisten umringt. Ob er Angst habe, wollen die Reporter von dem jungen Mann wissen, und was er in Deutschland machen möchte. Ein paar verlegene Antworten später ist er wieder im Heim verschwunden.

Eine Frau schiebt ihren Kinderwagen vorbei und fragt: „Sind wir jetzt alle Nazis?“ Dann kurzzeitig Aufregung unter den Unterstützern, die neben dem Heim ein Zeltpavillon aufgebaut haben. Steht ein Naziangriff bevor? Das Gerücht zerschlägt sich schnell wieder.

Die Journalisten verfolgen das alles aufmerksam, denn Deutschland schaut jetzt auf den Osten Berlins. Hellersdorf ist zu einem Symbol geworden. Zu einem Symbol, wie man Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz suchen, nicht empfangen sollte. Und – das ist zumindest die Hoffnung von Politikern und Aktivisten – wie am Ende die Solidarität mit den Neuankömmlingen dann doch überwiegt.

Keiner wird gezwungen, zurückzugehen

In Hellersdorf macht seit Wochen eine „Bürgerinitiative“, die anonym im Internet auftritt und in der auch Neonazis mitmischen, Stimmung gegen das neue Flüchtlingsheim. Und ein Teil der Anwohner stimmte mit ein in die „Nein zum Heim“-Rufe. Die ersten Bewohner mussten Anfang der Woche unter Polizeischutz ins Heim einziehen, sieben Asylbewerber haben die Unterkunft schon wieder fluchtartig verlassen.

„Keiner wird gezwungen, zurück nach Hellersdorf zu gehen“, heißt es aus dem für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständigen Landesamt für Gesundheit und Soziales. Gleichzeitig hoffen die Verantwortlichen, dass sich die Lage schnell beruhigt.

Denn die Stimmung ist aufgeheizt. Daran hat auch die rechtsextreme NPD ihren Anteil, die eine Kundgebung direkt am Heim angekündigt hatte. Am Mittwoch demonstrierte auch eine Handvoll Rechtspopulisten von „Pro Deutschland“. Jetzt wird diskutiert: Wie soll die Politik mit den Provokationen der Neonazis umgehen?

Die Landesintegrationsbeauftragte Monika Lüke fordert, dass um Flüchtlingsheime eine Bannmeile eingerichtet wird, in der nicht gegen Asylbewerber demonstriert werden darf. Ein Verbot von Nazidemos in der Nähe von Heimen hatte zuvor auch der Flüchtlingsrat Berlin gefordert. Die Demonstrationsfreiheit sei zwar ein „hohes Gut“, sagte Lüke, „sie darf aber nicht auf Kosten der Menschen gehen, die erneut um Leib und Leben fürchten müssen, wenn zu Hass gegen sie aufgestachelt wird“.

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) hält diese Forderung für „nicht zu Ende gedacht“ und falsch. „Es ist nicht die Aufgabe des Staates zu entscheiden, wogegen demonstriert werden darf“, sagte er der taz. Für Henkel ist es eine „gefährliche Debatte“. Ein Verbot von Versammlungen sei an strenge Bedingungen geknüpft. „Ich werde als Verfassungssenator nicht die Verfassung aushöhlen.“ Stattdessen müssten rechtsextremen Kundgebungen, so wie in Hellersdorf, „kluge Zeichen“ entgegengesetzt werden.

Keiner hört zu

In Hellersdorf wollte die NPD ursprünglich direkt vor dem Heim demonstrieren. In einem sogenannten Kooperationsgespräch mit der Versammlungsbehörde wurde dann auf den rund einen Kilometer entfernten Alice-Salomon-Platz umgeschwenkt. Dort versammelten sich am Dienstag gegen 18 Uhr rund 30 Neonazis, von denen sich nur ein paar in die erste Reihe wagten – mit Regenschirmen in der Hand. Einige Eier, eine Flasche und Holzlatten flogen später auch in Richtung der Nazis.

Die NPD-RednerInnen sprachen von „Asylmissbrauch“ und „Überfremdung“. Doch sie hatten keinen, der ihnen zuhörte. Die Reden gingen in den Rufen der rund 800 Gegendemonstranten unter. Vor allem junge Leute, viele aus den Reihen der Antifa, waren nach Hellersdorf gefahren, um sich den Neonazis entgegenzustellen. Ein Teil der NPD-Anhänger wurde dann zur Straßenbahn geleitet. Gegendemonstranten blockierten die Gleise, die Polizei räumte. Flaschen und Steine flogen, nach Polizeiangaben wurden fünf Straßenbahnscheiben beschädigt. Ein Polizist wurde von einer Flasche im Gesicht getroffen. Insgesamt nahm die Polizei 25 Personen vorläufig fest.

Die Diskussion darüber, wie mit Flüchtlingen umgegangen wird, ist spätestens jetzt kein Berliner Thema mehr. Bundespolitiker aller Parteien meldeten sich zu Wort. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der sich regelmäßig selbst alarmistisch zu Asylbewerberzahlen äußert, warnte vor einer rechtsradikalen Instrumentalisierung der Flüchtlingsdebatte, der SPD-Vorsitzende beschreibt die Bilder aus Hellersdorf als „beschämend“.

Kein Krisengipfel

Den Vorschlag des CDU-Innenpolitikers Wolfgang Bosbach für ein Krisentreffen von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zu Flüchtlingsheimen kritisierten nicht nur Grüne, Linke und SPD. „Wir brauchen keinen Krisengipfel, sondern erstens eine entschiedene Absage an Rassismus und Neofaschismus und zweitens Solidarität mit Flüchtlingen“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag Ulla Jelpke.

Auch im Innenministerium sieht man dafür keine Notwendigkeit. Oppositionspolitiker erneuerten die Forderung nach Abschaffung der Residenzpflicht für Asylbewerber. Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland ist jüngst gestiegen, sie liegt aber immer noch weit unter der der 1990er Jahre.

Die Aktivisten in Hellersdorf betonen inzwischen, dass nicht alles schlecht sei. Sie bekämen nun auch viel Hilfe. Anwohner bringen Decken und Kaffee am Pavillon vorbei, an dem UnterstützerInnen ihre Mahnwache abhalten. Und trotzdem: Zehn Aktivisten wollen wieder neben dem Heim übernachten. Sie wollen die Flüchtlinge vor Übergriffen schützen. Auch wenn sie nicht genau wissen, was sie machen, wenn Nazis kommen.

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25 Kommentare

 / 
  • N
    name

    "Ich bin für ein Verbot und zwar noch totaler und radikaler, als man es jemals erlebt hat."

     

    sie wissen schon das sie mit ihrer sprache und auch mit dem was sie vorhaben exakt auf den spuren von joseph goebbels wandeln?

  • N
    nihi.list

    @Pathosone

    Selbst wenn man mal den Punkt Demonstrationsrecht beiseite läßt, sehe ich bei Ihrem - durchaus nachvollziehbarem - Wunsch ein weiteres Problem:

    Wer definiert eigentlich, was ein Nazi bzw. was eine Nazidemo ist? Eine Demo von

    NPD

    PRO

    Die Freiheit

    AfD

    CSU

    CDU

    FDP

    SPD

    DIE LINKE

    ???

     

    Nach welchen Kriterien sollte wer solch eine Entscheidung treffen?

  • L
    lupo

    Was will man verbieten?

    haha, wenn die Demonstranten gegen die Asylunterkünfte verboten werden, heißt das noch nicht, dass alle damit einverstanden sind. Sie werden sich neue Wege suchen, vielleicht mit Gewalt.

    Besser Demonstrationen, in denen man seine Aggressionen ausleben kann als Übergriffe auf die Asylanten.

    Und: die NPD ist nicht verboten.

  • P
    Pathosone

    Meiner Meinung nach sollte ein verbot von Nazikundgebungen generell diskutiert werden!

    Mir ist natürlich bewusst das eine solche Meinung aufgrund der "Meinungsfreiheit" nicht unproblematisch ist aber ich finde es persönlich einfach unerträglich das rechte Rattenfänger Ihren Menschenhass in die Welt schreien dürfen und dabei sogar noch vom Polizeiaparat geschützt werden!

     

    Unsagbar ist auch die Kriminalisierung des Antifaschistischen Widerstands!

     

    Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen!

     

    Antifaschistischer Widerstand ist nicht Extremistisch sondern extrem wichtig!

  • M
    Meckerziege

    An den Flüchtlingsströmen kann man nichts ändern und es werden noch viel mehr kommen. Ist mir persönlich eigentlich auch egal, weil Deutschland sowieso früher oder später pleite ist und weg vom Fenster. Auch sind mir gerettete Flüchtlinge lieber, als diese undankbaren Griechen unterstützen, die uns öffentlich als Nazis beschimpfen...naja das darf eh jeder mittlerweile...also auch egal.

     

    Wichtig ist, dass die Flüchtlinge nicht grundsätzlich in diese runtergekommenen Gebiete abgeschoben werden. Das ist und bleibt falsch für alle und ist eine Riesensauerei der Politik. Auch die rechten Gruppierungen sollten sich darum kümmern, dass für Flüchtlinge woanders Wohnraum geschaffen wird. Wenn dort die Infrastruktur nicht ausreicht, muss man sie eben schaffen. Geld ist mir dabei egal, wie gesagt, das geht eh weg. Es geht mir dabei nicht darum die Flüchtlinge aus den Augen zu haben, sondern die Brennpunkte zu entlasten, die wohlhabenden Gebiete einzubinden und den Geflüchteten Ruhe zu geben.

    Eine andere Möglichkeit gibt es auf lange Sicht nicht. Oder will man später Mauern ziehen um die Ghettogebiete, wie in Zombieland?

    • H
      Hetera
      @Meckerziege:

      Mir persönlich sind die Griechen lieber, denn sie gehören zu Europa. Die miese Finanzlage hat ihnen der Euro beschert.

      Ich wähle AfD.

  • Mhm, dass rechtsextremer Intoleranz so intolerant begegnet wird, ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! Man möchte fast weinen!

  • BN
    Balthasar Neumann

    Von den 25 festgenommenen Personen waren wie viele denn Linke und wie viele Rechte?

  • K
    Kartoffelkäfer

    Oh ja, tolle Idee: Einfach mal die Meinungskundgebungen der Gegener verbieten, damit erledigt sich das Problem von ganz alleine well dann alle denken werden "Ohje, wir dürfen jetzt nicht mehr demonstrieren, dann finde ich das Asylantenheim jetzt besser gaaaanz toll". Das Ventil zuzudrehen erhöht nur den Druck und den Frust der Anwohner.

  • F
    Freizügig

    Ab dem 1. Januar 2014 gilt die Freizügigkeit in der EU.

    Na dann "viel Spaß" in Berlin und anderswo...

  • DN
    Die Nazis stecken das Land in Brand

    Den Zunder legten die Politiker im deutschen Bundestag und Bundesrat mit ihrer Asyl- und Imigrationspolitik.

  • N
    Nita

    Ich stimme Ulla Jelpke zu!

  • So lange das Verhältnis 30:800 zugunsten der Gegendemonstranten ist, ist mir nicht bange.

    Trotzdem; Rechtsradikale darf man vor Ort nicht dulden, sonst dauert es nicht lange, bis das Heim brennt.

    Wie Friedrich heuchelt ist widerlich. Schließlich fördert er entscheidend die Fremden, nein Menschenfeindliche Stimmung in Deutschland.

    • Z
      zappa
      @vic:

      Linksradikale darf man auch nicht dulden - siehe die Gewalttaten gegen die AfD.

  • F
    fesoj_agir

    Demonstrationen verbieten?

    Klar, wie in Ägypten - oder was?

    • J
      Jette
      @fesoj_agir:

      Genau. Meinungsfreiheit verbieten und dafür Gewalt riskieren.

      Ich weiß nicht, ob ich noch in einem demokratischen Staat lebe.

  • D
    Diego

    Ihr werdet sie schützen werdet sie nähren,werdet für sie aufkommen ,werdet sie begleiten in dieser Kultur,werdet teilen,Verantwortung über den Aktionismus für sie übernehmen.Gut ,das ist menschlich.

  • N
    NotIslam

    Bosbachs Aussage zu den Thema ist die Beste die bisher gemacht wurde!

  • A
    Alfons

    Schreibt doch auch mal was zu der Situation in Duisburg-Rheinhausen. In den Peschen 3-5. Da ist die Stimmung ähnlich.

  • N
    nk

    Eine solche Bannmeile gölte dann aber auch für Unterstützergruppen, oder?

  • August der Schäfer hat Wölfe gehört,

    Wölfe mitten im Mai, mehr als zwei.

    Und der Schäfer, der schwört,

    sie hätten zusammen das Fraßlied geheult,

    das aus früherer Zeit, und er schreit.

    Und sein Hut ist verbeult.

    Schreit: "Rasch, holt die Sensen sonst ist es zu spät.

    Schlagt sie tot, noch ehe der Hahn dreimal kräht."

    Doch wer hört schon auf einen alten Hut

    und ist auf der Hut? Und ist auf der Hut?

     

    August der Schäfer ward niemehr geseh'n,

    nur sein alter Hut, voller Blut,

    schwamm im Bach. Circa zehn

    hat dann später das Dorfhexenkind

    nachts im Steinbruch entdeckt, blutbefleckt

    und die Schnauze im Wind.

    Dem Kind hat die Mutter den Mund zugehext,

    hat geflüstert: "Bist still oder du verreckst!

    Wer den bösen Wolf nicht vergißt, mein Kind,

    bleibt immer ein Kind. Bleibt immer ein Kind."

    ........

    - Franz Josef Degenhardt

    1965 Wölfe mitten im Mai

  • Ich bin für ein Verbot und zwar noch totaler und radikaler, als man es jemals erlebt hat.

     

    Diejenigen, die die Integration unserer Freundönnen (= korrekte Schreibweise, die auch 7. Geschlecht und teilinkludierte Menschen mit Behinderung umfaßt), sollten:

     

    - namentlich festgestellt werden;

    - in einer Datenbank gespeichert werden;

    - ermahnt und verwarnt werden (auch von den Kirchen);

    - Berufsverbote erhalten;

    - günstige Wohnungen verlieren;

    - ein operativer Vorgang werden;

    - Schandmasken tragen müssen;

    - ausgestellt werden.

     

    Das ist das Mindeste was wir bei diesem feigen Anschlag gegen unsere Freundönnen tun sollten.

    • @Claudia Cometh:

      Ach komm, ich habs wahrlich auch nicht so mit dem Gender-Mainstreaming bei der taz und der teilweisen Rechts-Paranoia, die hier und da herrscht - aber so ein, nun ja, Dünnpfiff wie Dein Kommentar dort bringt auch niemandem was.

      • @Viccy:

        Du hast recht und Dünnpfiff ist noch harmlos, aber mir nichts besseres ein, sorry

         

        Und @Emil: In der Tat, der erste Satz ist aus der Sportpalast-Rede, gut bemerkt.

    • E
      Emil
      @Claudia Cometh:

      Willkomen im Mittelalter, oder zumindest im Faschismus.