piwik no script img

Martin-Luther-King-Thementag auf ArteTräume, kälter als der Tod

Arte zeigt „I have a dream“ von Martin Luther King und versucht, die Frage zu beantworten, was aus seinen postulierten Wünschen geworden ist.

Auch dabei am Thementag: Oprah Winfrey und die Frage nach dem Erfolg schwarzer Frauen. Bild: ap

„Das Leben der AfroamerikanerInnen ist immer noch verkrüppelt durch die Fesseln der Segregation und die Ketten der Diskriminierung.“ Am 28. August jährt sich der Tag der bahnbrechenden Rede von Dr. Martin Luther King, „I have a dream“, zum 50. Mal. Eine Bestandsaufnahme war sie und eine zukunftsweisende rhetorische Glanzleistung, zudem eine der ersten TV-Liveberichterstattungen.

Vorausgegangen waren Jahrzehnte der bürgerrechtlichen Kämpfe gegen die Politik der Rassentrennung und des Supremats der Weißen. Der 381 Tage dauernde Busboykott in Montgomery, Alabama von 1955/56 wurde zur ersten erfolgreichen Kampagne, die Dr. King koordinierte – nachdem Rosa Parks sich geweigert hatte, ihren Platz im Bus für einen Weißen zu räumen.

King war zuvor mehreren Anschlägen entgangen, das FBI hörte ihn ab (die Akten werden erst 2027 öffentlich zugänglich sein), es wurde versucht, ihn mit Diskreditierungen zu zermürben. Sowieso befinden wir uns auch heute noch nicht in einem sogenannten post-racial moment.

Arte sendet nun Dr. Kings Rede in voller Länge als Auftakt zum Thementag „I have a dream“ am 28. August und feiert diese zudem mit mehreren (neu gedrehten) dokumentarischen Beiträgen in einer kritischen Bestandsaufnahme: Struktureller Rassismus, rassistisch motivierte Gewalt, das Exil im eigenen Land wirken weiterhin. Der Beitrag „Träume sind kälter als der Tod“ (23.30 Uhr) des afroamerikanischen Filmemacherkollektivs „TNEG“ (Arthur Jafa, Kahlil Joseph, Malik Sayeed) remixt Dr. Kings Rede.

Ein vielstimmiges Bild

Was bedeutet es, im Amerika des 21. Jahrhunderts schwarz zu sein? Die Filmemacher unternehmen eine Reise durch die USA und montieren daraus ein vielstimmiges Bild; wir treffen auf die Statements afroamerikanischer Kulturgrößen wie der bildenden Künstlerin Kara Walker, des Filmemachers Charles Burnett, der Ex-Black-Panther-Aktivistin Kathleen Cleaver, des Musikers Melvin Gibbs, der Theoretiker Hortense J. Spillers, Saidyia Hartman und Fred Moten in ihren Umgebungen, der Ton kommt meist aus dem Off, die Stimmen sind zentral und geben den inhaltlichen Rhythmus vor.

Die Feministin Hortense Spillers spricht vom Phantomschmerz, vom Gedächtnis des Körpers im Fleisch: „Als Sklaven waren wir für den Sklavenherrn verfügbar bis ins Fleisch, unmittelbar.“ Für sie ist die Erfahrung der Sklaverei eine wesentliche, aus der sie die unterschiedlichen Positionierungen von Schwarz und Weiß herleitet und den Begriff der Empathie neu besetzt.

Der Wissenschaftler Fred Moten stellt sich in eine Linie mit schwarzen Marxisten und Sozialisten und beschreibt Black Studies als grundlegende Kritik der „brutalen, aber auch höchst interessanten“ westlichen Zivilisation und Blackness als eine Kritik am Eigentum. In seinem Buch „In the Break“ hatte er argumentiert, dass jegliche schwarze Performance – sei es Kultur, Politik, Sexualität, Identität oder das Schwarzsein selbst – auf Improvisation beruht.

Der britisch-ghanaische Architekt David Adjaye des neuen National Museum of African American History and Culture stellt in dem Beitrag „This building will sing for us“ von Oliver Hardt eine Verbindung zwischen Befreiungsbewegungen in Afrika und der amerikanischen Civil Rights Movement her, wodurch der ermächtigende Wind in eine antikoloniale Bewegung getragen wurde.

Das Museum wird genau auf dem Grundstück der ohnehin schon mit symbolischen Bauten bestückten Mall in Washington gebaut, wo 1963 die Kundgebung zu dem 250.000 Menschen starken „Marsch für Arbeit und Freiheit“ begann – der dann schließlich mit Dr. Martin Luther Kings Rede vor dem Lincoln Memorial endete.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • AU
    Andreas Urstadt

    Eine Fussnote findet sich in den Afrikabuechern von Hemingway. Bei einem sollte Ralph Ellison das Vorwort schreiben. Scheint kaum zu passen, der amerikanische und einflussreichste Schriftsteller der Zeit.

     

    In den Buechern aber Frontalknaller wie aus einer rumgehenden Flasche zusammen mit Schwarzen trinken, die Auszuege erschienen auch in Magazinen. Hemingway ignorierte Schranken und Verbote.

     

    Der Megaeinfluss by the nation s one and true writer ist ueberhaupt nicht zu unterschaetzen. Ein Autor mit Massenauflage zwingt die Amerikaner zum Hinsehen. Es ist typisch, dass sowas geschichtlich uebersehen wird. Geschichte betont das eine singulaere Ereignis. Man koennte postum bei Hemingway eines (viele) draus machen, wenn das konkrete Datum dabei waere. Bspw 01.07.33 oder 20.08.53 - Hemingway trinkt mit Schwarzen. Hemingway isst mit Schwarzen aus derselben Schuessel und ohne Besteck. Hemingway faehrt auf der Pritsche mit schwarzen Frauen. Usw. Usw. Und heftiger. Man wuenschte Ralph Ellison. Hemingway initiierte den Flow aus Afrika fuer die Weissen. Kontraer zur Politik der US Regierung mit den Fingern an Lumumba usw.