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Schlechte ReklamePinkstinks gegen sexistische Werbung

Aktivistinnen ziehen die rote Karte – und übergeben dem Deutschen Werberat eine Petition gegen geschlechtsdiskriminierende Werbung.

Demo in Berlin am Wochenende. Bild: imago/Christian Mang

BERLIN taz | Neulich hat Stevie Schmiedel vor ihrer 9-jährigen Tochter auf den Knien gelegen und beinahe flehend gefragt: „Willst du wirklich keine Barbie haben?“ Nein, soll die Tochter geantwortet haben: „Du musst jetzt damit leben, Mama, dass alle denken, ich will keine Barbie – weil du mir das eingeredet hast.“

Ja, so kann es sein, wenn eine Frau sich nicht nur als „Gender-Mutter“ bezeichnet, sondern auch noch öffentlich gegen sexistische Werbung kämpft und damit jede Menge Aufmerksamkeit erregt. Seit einem Jahr zieht Stevie Schmiedel mit ihrer Kampagne Pinkstinks durch die Lande und sorgt für jede Menge Unruhe: Sie kritisierte das neue rosa Ü-Ei für Mädchen und sorgte dafür, dass die Deutsche Bahn ein Plakat änderte. Aus „Papa ist der Beste, Mama die Schönste“ wurde „Papa ist der Beste, Mama die Beste“.

Jetzt legt sich die Hamburger Gender-Forscherin mit dem Werberat an. Am Montag hat sie dem Deutschen Werberat eine Petition gegen Sexismus in der Werbung übergeben. Rund 16.000 Frauen und Männer und zahlreiche Organisationen wie der Deutsche Frauenrat, Terre des Femmes und der Ingenieurinnenbund haben bislang unterschrieben.

Bildergalerie

Hier geht's zur Bildergalerie „Werbung ohne Pink“.

Bis 2016, so die Idee von Pinkstinks, soll eine Gesetzesinitiative gegen geschlechtsdiskriminierende Werbung in den Bundestag eingebracht werden. Dafür will die Initiative bis zum nächsten Frühjahr Kriterien entwickeln, die im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) klarer als bisher festlegen, wann eine Werbung auf „die ständige sexuelle Verfügbarkeit von Frauen“ abzielt.

„Mit dem Zweiten sieht man besser“ als Affront

Das findet Julia Busse erst mal gut. Sie ist die Geschäftsführerin des Werberates und auch gegen frauenabwertende Werbung. Aber, schränkt sie ein, nicht alles, was eine Minderheit kritisiert, könne Maßstab dafür sein, eine Werbung zu verbieten oder ändern zu lassen.

Ein Beispiel: Das ZDF wirbt seit einigen Jahren mit seinen Moderatoren, die sich ein Auge zuhalten. Darunter steht der Satz: „Mit dem Zweiten sieht man besser.“ Wer stößt sich daran? Sehbehinderte beispielsweise. Sie fühlen sich diskriminiert und haben seinerzeit Beschwerde beim Werberat eingereicht.

Nun ist der Minderheitenschutz im Grundgesetz verankert. Aber nicht jede Kritik aus Minderheitensicht sei sinnvoll, sagt Juristin Julia Busse. Sie nennt dieses Abwägen „Balancegebot“.

Im vergangenen Jahr gingen beim Werberat so viele Sexismusbeschwerden ein wie nie zuvor. 112 Unternehmen hätten mit ihren Anzeigen Frauen beleidigt und diskriminiert, sagt die Statistik. Das waren über ein Drittel aller eingereichten Mängelrügen.

Normatives Schönheitsideal

Stevie Schmiedel stört vor allem, dass Kindern – an Häuserwänden, an Litfaßsäulen auf der Straße und in TV-Spots – suggeriert werde, wie eine Frau zu sein habe: schön, schlank, schutzbedürftig. Die Folge: „Jedes zweite Mädchen heute fühlt sich zu dick“, sagt Schmiedel. Falsch, widerspricht Julia Busse, das sei eine „künstlich hergestellte Kausalität: „Werbung ist auch nicht schuld daran, wenn jemand zu schnell Auto fährt.“

Wie aber sieht eine Werbung aus, die sexy und nicht sexistisch ist? Pauschal könne man das nicht sagen, da sind sich Schmiedel und Busse immerhin einig. Wie groß die Spannbreite zwischen Geschmack, Mode und gefühlter Diskriminierung ist, zeigt ein anderes Beispiel.

Für Schmiedel ist die Werbung eines Reiseanbieters, die ein Mädchen in Seeräuberattitüde zeigt, „positiv konnotiert“. Vorsicht, warnt sogleich Werberats-Frau Busse: „Es könnten sich Leute beschweren, die in den nackten Kinderarmen ein Ziel für Pädokriminelle sehen.“

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19 Kommentare

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  • G
    Gaia

    "Stevie Schmiedel stört vor allem, dass Kindern – an Häuserwänden, an Litfaßsäulen auf der Straße und in TV-Spots – suggeriert werde, wie eine Frau zu sein habe: schön, schlank, schutzbedürftig. Die Folge: „Jedes zweite Mädchen heute fühlt sich zu dick“, sagt Schmiedel."

     

    Deutschland steht für Pressefreiheit, das Recht auf freie Meinungsäußerung - und jetzt wollen wir den werbenden Unternehmen diktieren wie die abgebildeten Personen auszusehen haben? (bloß nicht zu schlank, bloß nicht zu attraktiv)

     

    Vielleicht einfach nochmal nachdenken.. Verbote hatten wir früher schon mal.

  • J
    J

    Ich kam hierhin, um sexistische Werbung zu sehen und wurde enttäuscht.

  • J
    Joy

    Kommentar zu einigen Kommentaren:

    In dem Artikel geht es vor allem um Frauen und Schönheitsideale aus der Werbung. Dass es auch Schönheitsideale für Männer gibt, hat niemand abgestritten. Sobald es in einem Artikel nur um Mädchen und Frauen geht, ist das Geschrei groß, die Männer haben doch AUCH Probleme. Ich wünsche mir mehr Stärke, Artikel zu akzeptieren, die sich nicht mit Problemen von Männern beschäftigen. Ganz abgesehen davon, dass Transgender-Menschen permanent rufen müssten: Wir sind auch noch da.

    Außerdem heißt die Forderung: kein Sexismus in der Werbung. Das gilt meiner Ansicht nach für alle Geschlechter.

    • @Joy:

      Der Punkt ist, dass sich - jedenfalls in der taz - die Artikel fast nie um Probleme der Männer drehen, dafür aber umso häufiger um die Probleme und auch Problemchen von Frauen.

      • @Viccy:

        Da gebe ich Ihnen Recht in sofern, als die Rollenbilder für Männer ebenfalls sehr negative Auswirkungen haben. So einen Artikel würde ich mir wünschen. Das heißt nicht, dass die Reduktion der Frau auf ihr Aussehen und auf das Niedlich-Sein kein größeres Problem ist. Sich ständig als hilfsbedürftiges Objekt zu inszenieren ist leider unter Mädchen sehr verbreitet.

  • Zitat: "Neulich hat Stevie Schmiedel vor ihrer 9-jährigen Tochter auf den Knien gelegen und beinahe flehend gefragt: „Willst du wirklich keine Barbie haben?“ Nein, soll die Tochter geantwortet haben: „Du musst jetzt damit leben, Mama, dass alle denken, ich will keine Barbie – weil du mir das eingeredet hast.“"

     

    Ich durfte als Kind keine Barbie und auch sonst keine Puppen haben weil meine Mutter zuviel in der Emma gelesen hatte - und was hab ich davon? Ich fühle mich auch mit 45 als nichts halbes und nichts ganzes und trauere mein ganzes Leben der Frau nach die ich hätte werden wollen aber nicht werden durfte. Genderterror ist für mich daher ein rotes Tuch mit dem viele Leben ruiniert werden.

    • @Needle:

      Danke für diese offenen Zeilen, die sicher Mut brauchen.

  • Zitat: "Neulich hat Stevie Schmiedel vor ihrer 9-jährigen Tochter auf den Knien gelegen und beinahe flehend gefragt: „Willst du wirklich keine Barbie haben?“ Nein, soll die Tochter geantwortet haben: „Du musst jetzt damit leben, Mama, dass alle denken, ich will keine Barbie – weil du mir das eingeredet hast.“"

     

    Ich durfte als Kind keine Barbie und auch sonst keine Puppen haben weil meine Mutter zuviel in der Emma gelesen hatte - und was hab ich davon? Ich fühle mich auch mit 45 als nichts halbes und nichts ganzes und trauere mein ganzes Leben der Frau nach die ich hätte werden wollen aber nicht werden durfte. Genderterror ist für mich daher ein rotes Tuch mit dem viele Leben ruiniert werden.

  • "Wie aber sieht eine Werbung aus, die sexy und nicht sexistisch ist? Pauschal könne man das nicht sagen, da sind sich Schmiedel und Busse immerhin einig. "

     

    Ach, und WER legt das fest? Genderfeministinnen? So wie die, der an dieser Demo stark beteiligten Piraten-Politikerinnen?:

     

    "Eine 19-jährige Kritikerin der #Aufschrei-Kampagne hat ihr Blog gelöscht, nachdem sie als Reaktion auf ihre teilweise scharfen Kommentare zu "radikalisierten Ideologien" in einem Vortrag der Piratin Jasna Strick (die Literaturwissenschaft mit Schwerpunkt Gender Studies studiert) als "Haterin" angegriffen wurde."

     

    http://www.heise.de/tp/blogs/8/154874

  • SH
    Sebastian H.

    Das ist so öde. Hochsensibel, wenn es um negativ konnotierte Werbung gegen Frauen geht (zu Recht). Aber der Rest ist ja unwichtig. Dass die Hannoversche Leben monatelang einen total lustigen Werbespot mit Anke Engelke zeigt, in dem ein Familienvater von einem Baum erschlagen wird (haha, hat keine Lebensversicherung abgeschlossen, der Trottel), ist natürlich nicht geschlechterdiskriminierend. Und gleich mal vorbeugen, dass sich andere Gruppen beschweren. FrauenFrauenFrauen! Sonst gibt es keine Ungerechtigkeit in Deutschland.

    • @Sebastian H.:

      Vielleicht ist der Unterschied, dass Männer einfach über sowas lachen können, anstatt zu verkrampfen.

       

      Ob sich Übersensibilitäten dann aber auch in immens breiter, stetiger Berichterstattung niederschlagen müssen, ist natürlich noch mal eine andere Frage.

  • AF
    alle Frauen sind Opfer?

    Gleichberechtigung in diesem Fall würde bedeuten auch mal ne Frau oben ohne zu posten, als ob Impotente Männer viel Respekt und Verständnis von Frauen erwarten könnten ... Es gab viel Evolution bis zum Status quo...

  • MD
    mach dich mal locker

    Sry aber ein bischen lächerlich ist das schon... wenn gendern dann richtig... in der Analyse von Werbung kommen Männer nicht besser weg, nur das viele der Männder auf Plackaten zusätzlich "oben ohne" sind und noch trainierter als ihre weiblichen Pendants... der ewige Opfermythos ist langsam echt ausgelutscht... Werbung ist Plastik (gephotoshopte high-end luxus Körper) ... das bekommen nicht nur Frauen Komplexe

  • G
    Gast

    Selten so eine schlechte Kommentar-Funktion wie bei der TAZ gesehen. Manche Kommentare sind ganz weg, keine andere Zeitung fordert auf, den Speicher zu leeren, weil es nicht klappt. Auch scheint mir die Zensur dieses Blattes stärker als bei anderen zu sein.Ganze Stränge zu Beiträgen sind verschwunden oder werden nicht angezeigt. Das mag subjektiv sein, habe ich aber bei keiner anderen Online-Zeitung so erfahren.

  • D
    Doyo

    Na klar, ist ja auch schon lange kein Genderwahnsinns-"Thema" mehr aufs Tablett gekommen. Von einer Betroffenheitsindustrie generös entlohnt, kann noch jedes Gelaber als angebliche "Theorie" verkauft werden... dass der ganze Blödsinn genau diese Ansprüche nicht erfüllt, ist den Verfechter-Schrägstrich-Innen egal, mit Validität und Falsifizierbarkeit haben sies eh nicht so, und Mathe ist eh irgendwie "böse"...Nur meinen sie, dass jeder den Stuss anstandslos schlucken soll, weil dumm sein ja schwer modern ist.

  • FP
    Frau Professor

    John Cleese von Monthy Python hat einmal gesagt: Politische Korrektheit schützt vor allem die Minderheit der Leichtbeleidigten und Hyperempfindlichen und gebe diesen Recht, festzulegen, .... welche Themen in einer Gesellschaft noch zumutbar sind .... Antidiskriminierung führe zur Selbstermächtigung all derer, die partout Anstoß nehmen wollen.

     

    Die Genderforschung behauptet, dass die Unterschiede zwischen Mann und Frau kulturell konstruiert sind: http://www.zeit.de/2013/24/genderforschung-kulturelle-unterschiede

     

    Das ist Unsinn, weil Genderforschung nicht ergebnisoffen ist. Sie ist keine "wissenschaftliche" Forschung, sondern nur das Umsetzen einer gesellschaftlichen Ideologie unter Ausblendung biologischer Unterschiede.

     

    So kann man sich die Welt machen, wie sie einem gefällt, aber nicht ist. Das scheitert immer irgendwann.

  • P
    Petra

    Das ist doch Satire.

     

    Von der Website der "Gender-Forscherin" im Kontaktformular:

     

    Anrede:

    - Frau

    - Herr

    - Transgender

    - Firma

    - Familie

  • Solange die Dauerrolle des Mannes als döbaddeligem, schwanzgesteuerten Nixraffer auch mal verschwindet, dem frau immer alles erklären muss, wenn sie ihn sich überhauopt vom Leib gehalten bekommt, kann man ja darüber reden. Aber nach diesem Artikel scheint die Kampagne sich an keinem Geschlechterklischee zu stören, außer wenn es um die Suggestion weiblicher Paarungsbereitschaft geht. [Kommentar bearbeitet. Bitte vermeiden Sie sexistische Ironie.]

  • KG
    Kein Gast

    Ja, Mädchen die hungern um Modelmaße zu erreichen sind eine traurige Entwicklung.

    Frauen die nicht massenhaft die Brigitte mit ihren molligen Models kauften, so das dies wohl nur als eine kurze Periode angesehen werden kann, sind auch traurig.

     

    Jungs die sich Testosteronpräparate besorgen und Anabolika um den, wenn man ehrlich ist, ja noch weiter von der Realität entfernten, männlichen Models und Schauspielern nachzueifern sind ebenfalls traurig.

     

    Dies einfach zu vergessen ist schlicht und ergreifend Exkrement.

     

    Oder sexistische Propaganda.

     

    Was schade ist, ging ich immer davon aus Eltern würden ihre Kinder gerne alle vor solchen Einflüssen geschützt wissen.

     

    Aber anscheinend gilt dies nur für Väter, Mütter scheinen da hin und wieder etwas zu vergessen.