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FDP im WahlkampfWenn ihr uns nicht wählt, sterben wir!

Die Liberalen gehen unter, schon wieder. Und die Union verweigert ihr die Blutspende. Warum es die FDP wieder in den Bundestag schaffen wird.

Überraschend viele FDP-Wähler gesichtet? Nein, sind nur Fans der ukrainischen Fußball-Nationalmannschaft. Bild: dpa

BERLIN taz | Das Stück gehört seit einem halben Jahrhundert zur bundesdeutschen Politfolklore. Es heißt: Die FDP verschwindet. Es ist ein Drama, keine Komödie, es geht immer um Leben und Tod. Denn irgendwie scheinen alle davon auszugehen, dass die FDP ausgewildert nicht überlebensfähig ist. Sie ist eine Funktionspartei. Jenseits des Parlaments und ohne Aussicht auf den Sauerstoff Macht geht sie ein.

Es gehört zur fest eingeübten Dramaturgie dieser Aufführung, dass sich schnell Beerdigungsredner und mögliche Erben einfinden. Nachdem die FDP am Sonntag in Bayern gescheitert war, spekulierte SPD-Chef Sigmar Gabriel schon mal über den Profit, den das abwerfen kann.

Falls die FDP auch im Bund scheitert, so Gabriel, habe Rot-Grün die Chance zu siegen. Das ist zwar Traumtänzerei, es bräuchte ein Wunder, damit Rot-Grün mehr Stimmen bekommt als Union und Linkspartei. Aber auch fiebrige Lust am Untergang gehört zur Inszenierung.

Und Ärzte, die sich sorgenvoll über den Patienten beugen. So titelte die Süddeutsche Zeitung: „Geht die FDP unter?“ Man muss ja schon recht herzlos sein, um Gefährdeten den Rettungsring zu verweigern. Auch Gabriels Fantasie, dass der Weg ins Kanzleramt nur über das Grab der FDP führt, hat ja vor allem einen Effekt: Auch der von Westerwelle & Co. enttäuschte Apotheker in Kaiserslautern wird jetzt mürrisch noch mal FDP wählen. Schon um Rot-Grün zu verhindern.

„Jeder kämpft für sich“

Im linken Lager liefert man sich gewohnheitsmäßig bissige Identitätskämpfe, bezichtigt sich des Verrats und wünscht sich die Pest an den Hals. Im konservativ-liberalen Milieu ist man hingegen clever genug, taktisch zu wählen und es mit der Identitätswahl nicht so ernst zu nehmen.

Man tut einfach, was nötig ist, um Machtchancen zu erhöhen. Ein Beispiel für den kühlen Rationalismus der schwarz-gelben Wählerschaft war in Niedersachsen zu besichtigen, als CDU-Wähler der FDP mit viel Schwung über die Fünfprozenthürde halfen. Die Union behauptet nun steif und fest, dass dies nicht wieder passieren darf. „Jeder kämpft für sich“, sagt Angela Merkel. Niedersachsen soll sich nicht wiederholen.

Allerdings: Auch in Niedersachsen hatte der Christdemokrat David McAllister brav beteuert, dass die CDU nun wirklich keine Stimmen an die FDP zu verschenken habe. Er hat das so oft gesagt, bis genug CDU-Wähler begriffen hatten, wo es langgeht. Die erfolgreiche Zweitstimmenkampagne funktioniert wie eine Botschaft, in der eine andere verpuppt ist. Wenn das Totenglöcklein nur laut und oft genug klingelt, werden genug Wähler wach. Kurzum: Es gibt keinen Grund, warum die wundersame Rettung der Liberalen im letzten Moment diesmal ausbleiben sollte.

Dieses Stück wird erst abgesetzt, wenn die Fünfprozenthürde fällt. Erst dann verschwindet die sanfte Wählererpressung der FDP: Wenn ihr uns nicht wählt, sterben wir! Müsste nicht gerade eine Partei, die die Freiheit für sich reklamiert, die Wähler mal aus dieser Zwangsjacke befreien?

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18 Kommentare

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  • S
    spindoctor

    Wenn ihr uns nicht wählt, sterben wir!

    Das macht nichts, denn seit das Geld die Macht in der Partei an sich riss, war es mit "frei" und "demokratisch" sowieso nur noch Fassade:

    Soviel Schwarzgeld wie ihr zusammengeräubert habt, schwimmt immer oben !

    Und wenn die F. D. P. stirbt, bildet schon das Schwarzgeld eine neue Partei dreister Steuerberater (PdS).

    Das Schwarzgeld ist das Mycel der F. D. P. Nie zu sehen, aber immerda und sehr wachstumsfreudig.

    Der Pilzkörper (die Partei) ist nur die Frucht seiner Bodenverhältnisse, mal kleiner, mal grösser.

    Der zielführende Gedanke der FDP ist, wie sich die Kapitalbildung im Ganzen entwickelt. Dafür braucht's immer die Freiheit des Kapitals und demokratische Bremsen für dessen Besteuerer. So muss man das mal sehn. Moin !

  • D
    Doori

    Was ein Käse. Ohne "Fortschrittspartei" gibt es nur nur noch regressive sozialdemokratische Parteien neben Traditionsparteien wie der CSU.

     

    Die FDP wird es "immer" geben. Außer man lässt andere progressiven und liberalen Parteien zu.

     

    Die FDP muss sich die Frage stellen, möchte sie wieder Klassisch-Liberal oder Neo-Liberal werden, oder dem Wohlfahrtsstaatlichen Klüngel angehören?

     

    Die FDP bekam bei der Koalitionsverhandlung 2009 die Pistole auf die Brust, dass keinesfalls das Finanzministerium der FDP gehören darf. Plus Staatsschuldenkrise in Südeuropa. Zack sind die zentralen Positionen derer, die ihnen zu 16% verholfen haben, nicht umzusetzen. Entweder braucht man 40% Stimmen, oder man darf nicht koalieren.

  • ST
    sic transit gloria mundi

    War da die FDP schlecht beraten, einen Augenarzt an ihre Spitze zu stellen? Ein Palliativmediziner wäre wohl die bessere Wahl gewesen. Dumm nur, dass ihr das in der Agonie auch nicht helfen würde, weil Rösler sich als Gesundheitsminister mehr für die Sicherung der Profite der Pharmaindustrie ausgesprochen und eingesetzt hat als für den Nachweis der Wirksamkeit der von ihr hergestellten Arzneimittel. Aber wenigstens bekommt sie als Privatpatient kurzfristig einen Termin und Chefarztbehandlung, um den Exitus festzustellen.

  • Herr Reine©ke (scnr), Sie haben die Füchse von der AfD vergessen. Netter Versuch. Gerade AfD wird viele ehemalige FDP-Wähler gewinnen. Und da es mittlerweile Prognosen gibt, die die Hellblauen "drin" sehen, fällt der Wechsel manchem Handwerksmeister leichter.

  • K
    Knuffi

    Erster Gedanke beim Lesen der Überschrift: "Ja, und?"

  • S
    Sepp

    Man muss aber auch mal feststellen, das das alte taktische Wählen nicht mehr so gut funktioniert. Überhangmandate werden komplett ausgeglichen, daher ist für einen CDU-Wähler die Zweitstimme an die FDP eine Schwächung der eigenen Wahl. Vorher gabs die Überhangmandate, die diesen Nachteil ausgeglichen haben. Und man kann sich bei dieser Wahl nicht auf ein entweder Rot-Grün oder Schwarz-Gelb verlassen. Taktikwählen zugunsten der FDP schadet der Macht der CDU in einer möglichen großen Koalition. Und so verführerisch war schwarz-Gelb in dieser Legislaturperiode wahrlich nicht...

  • K
    klobürste

    "Funktionspartei" ? Hähh ? Nie gehört . Sie ist eine Klientelpartei , sie ist die Lobby von MedicoPharmafia (et al) direkt auf der Regierungsbank ! Ihre verdiente "Auswilderung" wäre ein Beweis der Selbstreinigungsfähigkeit von Demokratie !

  • H
    Hatzefatz

    Die SPD wird nach einer großen Koaliton in 4 Jahren dort stehen,wo sich die FDP heute befindet. Die strikte Weigerung allein mit der "Linken" zu reden, ist dumm und borniert. Sollen Gabriel, Steinbrück, Steinmeier, Kahrs und Konsorten zum Teufel gehen.

  • V
    Verfassungsschutz

    Oh je, das ist mir zu viel FDP Optimismus. Ich träume von einem Deutschland ohne FDP im Bundestag. Eine Partei, die den Menschen die Freiheit lässt, auch elendig zugrunde zu gehen, wenn sie es nicht schaffen sich eigenständig aus ihrer Armut zu befreien, verdient es vom Verfassungsschutz überwacht zu werden, aber nicht in den Bundestag gewählt zu werden.

  • Das wirkliche Drama ist, das MERKEL BLEIBT, egal wie gewählt wird

     

    Entweder erneut mit der FDP oder mit dem Pausenclown SPD. Seit über 12 Monaten hat das Bündnis Rot/Grün nicht eine einzige Chance gehabt auf eine Machtoption. Das hat aber die Funktionäre von der Schröder-Clique nicht davon abgehalten, weiter an ihren Tagträumen von einer Regierung Rot/Grün festzuhalten. Jeder Wähler muss bei diesem Verhalten der SPD-Protagonisten veräppelt fühlen.

    Lt. SZ 17.09.2013 soll es im engsten Kreis, ohne Gabriel, bereits am vergangenen Sonntag im Willy-Brandt Haus Absprachen zur Minister-Postenverteilung innerhalb einer Großen Koalition unter Angela gegeben haben. So die Quellen der SZ. Sechs Minister, drei Frauen, drei Männer, so rechnet die Schröder-Clique sich die Posten zu.

     

    Ich sage vorraus, wenn die große Koalition (CSU/CDU + SPD) eingerichtet ist und sich so eine Machtkonzentration gebildet hat, die es erlaubt ganz ohne Widerstände im Bundestag und Bundesrat, so richtig durch zu regieren, dann beginnt erst richtig das hemmungslose Abkassieren der Bevölkerung. Dann drohen maximale Steuererhöhungen und Abgabenbelastungen.

    Auf MwSt-Schurkenstück von 2005 darf erinnert werden. Die Union wollte 1% MwSt Erhöhung, die SPD 0% MwSt Erhöhung. Raus kamen 3% MwSt – Erhöhung.

    Gute Nacht Deutschland!

    • S
      sarko
      @Nico Frank:

      Träumen Sie schön weiter , NICO ! "...dann beginnt ... das hemmungslose Abkassieren ... drohen maximale Steuererhöhungen und Abgabenbelastungen. " - das wäre nur Pipifax im Vergleich zu dem "wirklichen Drama" , das in den nächsten Jahren kommen wird , EGAL welche 'Koryphäen' dann auf der Regierungsbank sitzen .

    • A
      amigo
      @Nico Frank:

      So oder so wird sich an den obersten Leitsatz aller Politik (egal ob CDU,FDP,SPD,Grüne)in der BRD gehalten:

       

      Gewinne privatisieren - Verluste sozialisieren.

       

      Millionen Menschen müssen sich darauf einstellen, die besten Mülltonnen und Unter-Brückenschlafplätze zu sichern.

    • J
      Julian
      @Nico Frank:

      Das wirkliche Drama ist, dass beim Wählen alle nur an ihr Geld denken.

    • S
      Schwarz-Grün
      @Nico Frank:

      Na ja, unter Schwarz-Gelb wird es dann eine private Krankenversicherung für alle geben, die gesund sind. Die Kranken dürfen dann in der gesetzlichen bleiben.

      Es würde mich freuen wenn Schwarz-Grün kommt. Das würde dann wenigstens die SPD etwas wachrütteln. Zukünftig müsste sich diese Partei dann auch wieder etwas mehr anstrengen.

  • F
    Fischbein

    Viele werden euch gelassen beim Sterben zuschauen.

  • R
    reblek

    Bidunterschrift auf der Startseite: "Die Liberalen gehen unter, schon wieder. Und die Union verweigert ihr die Blutspende." - "Die Liberalen" sind ein Singular: "ihr"?

  • G
    Gast

    In Niedersachsen ist Schwarz-Gelb aber nicht mehr an der Macht. Wahlrecht.de hat schön heraus gearbeitet, dass hier die Anzahl der Leihstimmen ausschlaggebend war. 2000 Stimmen mehr von CDU an FDP hätten Schwarz-Gelb an die macht gebracht, knapp 4000 mehr wieder Rot-grün. Das ganze ist also ein zweischneidiges Schwert.

  • B
    Blechstein

    Wenn die Kraft nachläßt, dann ists nicht Sterben, dann ists Vergehen.

    PS.

    Einen Patienten im Sterbezimmer sollte man in Ruhe lassen.