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Kommentar EU-Grenzschützer FrontexDer Zaun wird höher

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Die EU-Kommission schlägt neue Regeln für die Seegrenzenüberwachung vor. Mit der Genfer Flüchtskonvention sind sie nicht zu vereinbaren.

Ohne Chance auf einen Asylantrag sollen aus Seenot gerettete Flüchtlinge künftig zurückgeschoben werden können. Bild: dpa

W er um Asyl bitten darf, entscheidet in Zukunft Frontex. Das wird die Folge der neuen Regeln zur Seegrenzenüberwachung sein, die die EU-Kommission jetzt durchsetzen will. Schon bislang haben nationale Küstenwächter Flüchtlingsboote gestoppt, abgedrängt oder ihre Insassen dorthin zurückgebracht, wo sie gestartet waren – etwa nach Libyen oder Mauretanien. Mit der Wahrung des Rechts auf Asyl hatte das nichts zu tun. Deswegen war es völkerrechtswidrig. Ländern wie Italien war dies egal – bis Gerichte es dafür verurteilten.

Jetzt sollen auch die von der EU aufgestellten Frontex-Einheiten so verfahren dürfen. Wer den von der EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström ausgerufenen „Schutzraum Europa“ überhaupt noch aufsuchen kann, wird damit in das Belieben der EU-Grenzbeamten gestellt. Und die werden sich an ihrem eindeutig formulierten Auftrag orientieren: Ihre Behörde wurde schließlich nur dazu aufgebaut, „unbefugte Grenzübertritte“ zu verhindern. Und als solcher gilt die Einreise Asylsuchender, die dafür so gut wie nie ein Visum bekommen.

Wie sich die Legalisierung der Zurückschiebungen mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbaren lassen soll, bleibt das Geheimnis der EU-Kommission. Doch bis über die Klage eines betroffenen Flüchtlings in Straßburg entschieden wird, werden Jahre vergehen – und mindestens so lange kann die für Europa so praktische Regelung angewandt werden.

Die einzige Grenze findet die Rückschieberei bis dahin in der Aufnahmebereitschaft vor allem der nordafrikanischen Mittelmeer-Anrainer. Diese Länder zu motivieren – darin hat Europa seit Jahren Übung: Mit entsprechenden Zahlungen dürften Libyen und andere auch künftig jeden Flüchtling nehmen, den Europa loswerden will.

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Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
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6 Kommentare

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  • KS
    Kritische Stimme

    Die Odyssee von Fluechtlingen nach Europa ist zum Teil dank der verwerflichen NatoPolitik.Es sind nicht nur wirtschaftliche Fluechtlinge welche nach Europa kommen.Wenn man betrachtet dass die Natolaender mit ihren Kriegen+schmutzige Politik schon ueber 15 mio Opfer verursacht haben im NahOst an Toten,Verwundeten,Fluechtlingen,und viele Laender+Regionen verwuestet haben,dann ist es ein Wunder das so wenige Fluechtlinge die Grenzen der EU stuermen.Auch der Hunger ist ein wichtiger Grund,BioOel+landwirtschaftliche EU-Politik haben fast eine Milliarde von Menschen in den Hunger getrieben,davon viele unweit von Europa.Das die EU sich so abschottet von dem Elend das von ihr verursacht wurde ist sehr heuchlerisch,und wurde auch vom Papst Franziskus als sehr niedriger Moral angemahnt.Es ist hoechste Zeit die Nato in eine EUOrganisation zu aendern um von Kriegstreibern wie USA loszukommen.

  • Ich empfehle zu dem Thema den Film " Die kommenden Tage".

    Eindrucksvolle Zukunftsvision, die gerade in diesen Tagen immer realistischer anmutet.

  • L
    lowandorder

    Es ist so bitter;

     

    " was ist mit uns nur los?

    wir schaffen eines der Grundrechte ab,

    nur weil wir schlecht organisiert sind."

    sagte damals fassungslos Verfassungsrichter Jürgen Kühling,

    als eine ekelhaft finster-entschlossene Politikerkaste

    von rechts bis links eben dies ohne Not auf einem weit höheren

    Niveau der Flüchtlings/Asylbewerberzahlen

    eben das tat:

    der cordon sanitaire aka Frontex wurde Realität;

    um die insgesamt reichsten Industrieländer der Erde!

     

    Aber - schlimmer geht immer:

    auf marginalem Niveau wird Frontex weiter ausgebaut;

    die menschenverachtende Antwort Europas

    auf das Floß von Lampedusa!

  • U
    Ursula

    Eine gute und richtige Entscheidung!

    Es sollte aber auch noch das Schlepperproblem in Verbindung mit der Polizei in Nordafrika angegangen werden.

    Die Probleme müssen in den Heimatländern gelöst werden- Europa kann nicht noch mehr Wirtschaftsflüchtlinge aufnehmen. Bei mehr als einer Milliarde Afrikanern unmöglich!

    • E
      Europa
      @Ursula:

      ich findeihren kommentar so gut, dass ich ihn unterschreiben könnte! das proplem mit den schleppern wird frontex sicherlich auch eindämmen können. aber wollen das die linken? denn immerhin kommen durch die schlepper die afrikaner nach europa, und die linken wollen ja offene grenzen.

      frontex und die eu wirds schon regeln.

    • @Ursula:

      liebe ursula...

      wenn ratifizierte grundsätze internationaler konventionen sehenden auges gebrochen werden, kann diese entscheidung weder "gut" noch "richtig" sein!

      das "schlepperproblem" lebt von der verunmöglichung legaler möglichkeiten und korruption auf europäischer seite...da sehe ich hier keinerlei lösungsansatz!

      die probleme werden gerade mit wirtschaftlichem ausverkauf und förderung prostitutiver korruption durch die eu vor ort hergestellt (ressourcenplünderung, landgrabbing, marktabschottung, waffenlieferungen, klimawandel)...und womit begründen sie denn eigentlich ihre halluzinative furcht, dass 1 milliarde afrikaner wirklich alle afrika verlassen wollen?

      die zusammenarbeit mit nordafrikanischen staaten ist seit jahren im fokus von frontex...allein die geförderte instabilität vor ort ist ein schuss ins eigene knie. glauben sie wirklich, dass das problem kleiner wird, wenn die nordafrikanische polizei den drecksjob übernimmt, damit sich europa die weste 'rein' halten kann?