piwik no script img

Unfallgefahr durch fehlende GeräuscheElektroautos sind zu leise

Verkehrslärm macht krank. Doch zu wenig Lärm ist auch nicht gut: Elektrofahrzeuge gefährden andere Verkehrsteilnehmer.

Mist, zu leise: Elektroautos können eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer sein. Bild: ap

BERLIN taz | Autos verschmutzen die Umwelt – mit Abgasen und nicht zuletzt durch Lärm. Im Gegensatz zu herkömmlichen Fahrzeugen sind Elektroautos nicht nur schadstoffärmer - sondern auch leiser. Zu leise, findet der Umweltausschuss des EU-Parlaments. Eine EU-Richtlinie soll künftig die Normen für Verkehrslärm neu regeln. Während der Grenzwert für die Lärmbelastung durch konventionelle Fahrzeuge sinken soll, müssen Elektroautos künftig mehr Krach machen.

Die aus umweltpolitischer Sicht eigentlich lobenswerten Stromer sind nämlich gefährlich, vor allem für Ältere und Sehbehinderte. Denn sie können herannahende Fahrzeuge nicht mehr am Geräusch erkennen. Der Gesetzesentwurf soll nun Abhilfe schaffen: Künftig müssen Elektrofahrzeuge mit akustischen Warnsystemen ausgestattet werden. Der Ton wird sich vermutlich am Brummen eines herkömmlichen Motors orientieren, nur leiser.

Das ist unumstritten. Krach produzieren dagegen die Pläne für die konventionellen Pkw. Der Grenzwert für diese soll nämlich in den kommenden 12 Jahren von den heute geltenden 74 Dezibel auf 68 Dezibel sinken, bei LKW von 81 auf 79 Dezibel.

Das ist viel zu laut, finden Umweltschützer. „Nach intensiven Lobbyanstrengungen und einem Aufschrei der Autobauer hat die EU sich auf eine Regelung von Fahrzeuglärm geeinigt, die mehr zum Schutz der Industrie als zum Schutz unserer Gesundheit beiträgt“, sagt Cécile Toubeau von der in Brüssel ansässigen NGO „Environment and Transport“.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) ist dagegen mit der neuen Regelung zufrieden: „Die EU-Parlamentarier und EU-Rat haben eine notwendige und wichtige Korrektur an den unrealistischen Plänen der Kommission vorgelegt“, sagt VDA-Präsident Matthias Wissmann.

Belastung durch Umgebungslärm steigt

Laut der Europäischen Umweltagentur ist Umgebungslärm eines der wichtigsten Umweltprobleme in der öffentlichen Wahrnehmung. Straßenverkehr ist die größte Quelle für störende Geräusche, gefolgt von lauten Nachbarn und Flugverkehr. In Deutschland fühlen sich laut Umweltbundesamt 62 Prozent der Menschen durch Straßenkrach gestört. Insgesamt steigt die Belastung durch Umgebungslärm sowohl in ihrer räumlichen Ausdehnung als auch in der zeitlichen Dauer an, etwa durch das steigende Verkehrsaufkommen.

Doch laute Geräusche können mehr als nur belästigen – sie machen auch krank. Neben Schlafstörungen, Hörschäden und Konzentrationsschwierigkeiten kann Krach auch Ursache für Herz-Kreislaufkrankheiten sein. „Lärm ist nicht nur ein Umweltärgernis, sondern auch eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit“, sagt WHO-Regionaldirektorin für Europa Zsuzsanna Jakab.

Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation führt Verkehrslärm in Westeuropa jährlich zum Verlust von über einer Million gesunden Lebensjahren. Nur Luftverschmutzung ist unter den schädlichen Umwelteinflüssen noch gefährlicher.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • D
    durchschaut

    Das kann doch nur eine Idee der Automobilindustrie sein. Wenn sie Autos verkaufen wollen, die 250 km/h fahren kann man dagegen mit Sicherheitsbedenken argumentieren wie man will. Das interessiert die nicht. Da sagen sie einfach, daß man eben vorsichtig sein muß beim Schnellfahren. Aber wenn man stumpfsinnige Argumente gegen Elektroautos braucht, weil man keine Lust hat selber welche zu bauen, dann kommen plötzlich die Sicherheitsbedenken. Mal davon abgesehen, daß die Elektroautos inherent sicherer sind, weil sie leichter sind, weil sie langsamer sind usw. usf. Auch ist es dann egal, daß man beim langsamen Fahren genauso achtsam sein kann. Wenn das nicht durchschaubar ist...

  • M
    Meier3

    Mal wieder typisch: Das erst mal positive - weniger Lärm - wird nicht gesehen, sondern nur der einzige Nachteil: Unachtsame Fußgänger.

     

    Die Fußgänger müssen sich umorientieren. Wer auf die Straße geht, muss eben gucken. Oder Ampeln nutzen.

    • F
      Fussgänger
      @Meier3:

      Aehm - Nein.

       

      Fußgänger müssen sich gewiss nicht umorientieren.

       

      Es sind immer die Auto-Fahrer, die darauf zu achten haben, keine Füßgänger umzufahren.

       

      Das kann jeder Fußgänger erwarten.

       

      Umgekehrt kann ein Autfahrer aber nicht erwarten, das Fußgänger nicht auf die Straße gehen oder so ein quatsch. Wenn die das nicht tun, ist es zwar praktisch. Aber keinesfalls etwas, was man erwarten kann, oder was die "müssen".

       

      Fußgänger sind auch nicht "unachtsam", wenn sie auf die Straße gehen. Es gibt nur schlichtweg keinen Grund, warum ein Fußgänger NICHT auf die Straße gehen sollte.

       

      Es sei denn, die Straßen wären exclusiv für Autos gemacht.

       

      (Das ist zwar leider tatsächlich so, und das steht auch so im deutschem Gesetz - aber das ist doch Schwachsinn. Alles was nicht "Autobahn" heißt, oder "Kraftfahrstraße", sollte für alle da sein, und nicht exclusiv ausschließlich für Autos, mit ihrer "hier komme ich"-Mentalität, die Fußgänger als Unachtsam bezeichnen und ihnen vorschreibt sich "umzuorientieren".

  • "Elektrofahrzeuge gefährden andere Verkehrsteilnehmer."

     

    So, so. Seit 4 Jahren fahre ich einen Hybrid, und zwar, wann immer es geht, rein "elektrisch" (etwa in verkehrsberuhigten Zonen, und in Parkhäusern sowieso). Und hatte eigentlich erwartet, bei solchen Anlässen erschrockene Reaktionen von überraschten Fußgängern und vor allem Aufsehen zu erregen.

     

    Pustekuchen!

     

    Die modernen Verbrenner sind inzwischen so leise geworden, dass bei Langsamfahrt das Abrollgeräusch der Räder den Motor mühelos übertönt. Da falle ich mit meiner Elektrik (die natürlich weitaus sinnvolleren Gründen dient) überhaupt nicht auf.

  • E
    E-Mobil

    Diesen Sommer hatte ich für mehrere Wochen einen Twizy. Super geiles Fahrgefühl, aber zweimal hätte ich beinahe ein Kind angefahren, dreimal wären ältere Omas und Opas mir unter die Räder gekommen und einmal hat mich ein entgegenkommender Mopedfahrer beim Linksabbiegen mit dem Twizy übersehen und nicht erhört. E-Autos sind nicht zu leise, sondern der Umgebungslärm ist zu laut!!

    Ursache und Wirkung nicht vermischen...

  • Die Kommentare hier sind ja wohl wirklich - naja.

     

    Im Quito / Equador fuhren vor 17 Jahren recht neue Elektrobusse von Daimler.

    Ich war leider zugegen, als ein Mensch umgefahren wurde, das war damals kein Einzelfall. Die Busse waren im "allgemeinen Stadtgeräusch" einfach nicht zu hören.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Wolfgang:

      Ein viel höheres Unfallrisiko geht von den verstöpselten Ohren der Smartphoner aus, die gesenkten Hauptes auf ihren Fetisch starren und nicht mehr mitbekommen, was um sie herum vorgeht.

  • R
    Ridicule

    Was ein alter Hut!

     

    Als die Straßen noch allgemeine Verkehrsflächen waren; z.B. in Caracas - des mittags:

    die " jungen Männer" der Firma Blohm vorm Café;

     

    plötzlich - eine mordslaute Autohupe=>alles spritzt beiseite;

    => fröhlich radelnd ein con'leche-niño breit grinsen

    auf nacktemFahrrad

    - bis auf die riesen LKW-Ballonhupe.

  • M
    Matthias

    Welch ein lächerlicher Unsinn. Erstens sind Elektroautos überhaupt nicht geräuschlos. Zweitens würde niemand auf die Idee kommen Fahrradfahrern so ein Brummgerät aufzuzwingen. Und drittens ist es die Unachtsamkeit, die Unfälle verhindert. Wenn ich Fußgänger bin und weiß, daß ich eine Hör- oder Sehbehinderung habe, dann benutze ich doch Ampeln und latsche nicht irgendwo auf die Straße. Aber auch viele Autofahrer sind deutlich zu unachtsam und ignorieren oftmals die Vorfahrt von Fußgängern, zum Beispiel beim Abbiegen oder ähnlichen Situationen.

     

    Diese dümmliche EU-Richtlinie klingt für mich nach dem Werk von Lobbyisten, die versuchen die Elektromobilität zu sabotieren.

  • Und nochmal: Statistische Korrelationen sind keine Kausalitäten, Beobachtungsstudien liefern keine Beweise.

     

    Machen Sie sich mit dem letzten Absatz doch nicht lächerlich!

  • M
    marcus55

    Lieber unter 30 km/h automatische Fußgängererkennung/Bremse einbauen, darüber muss man auch am Abrollgeräusch ein Auto erkennen. Die Idioten die nicht gucken und auch mit Radfahrern Unfälle provozieren dürfen gerne der Evolution anheim fallen.

    • @marcus55:

      Die "Idioten" sind meist Kinder und Alte.

  • E
    ekim

    So ein Käse, ich will kein dauerndes "Fiep Fiep Fiep" in meiner Straße. Das Argument, dass Fußgänger gefährdet werden könnten, lass ich nicht gelten. Die verlassen sich leider viel zu oft auf ihr Gehör, wenn sie auf die Fahrbahn treten. Und wenn dann ein Fahrrad kommt, statt eines Autos, dann schepperts... Passiert mir ständig, zum Glück konnte ich immer ausweichen. Aber wie lernt man schon im Kindergarten: Erst links gucken, dann rechts, dann nochmal links und ERST DANN über die Straße gehen. Hilft auch super dagegen, von einem Elektroauto überfahren zu werden.

  • D
    Dauergast

    Per EU-Dekret verordnete "Brummgeräusche" werden dem Elektroauto den Todesstoß versetzen - und genau das ist vermutlich die Absicht dieser Lobbyisten und Bürokraten:

     

    Wer schon mal eines gefahren ist, der weiß, dass das herrlich ruhige Dahingleiten und das damit verbundene Fahrgefühl ein wesentliches Pro-Argument für diese Zukunftstechnologie ist. Wenn das Ding nun aber schlechte Geräuschimitate von sich geben muss (oder gar im Rückwärtsgang piept wie ein Gabelstapler), wird man es auch noch dem größten Liebhaber verleiden.

    Und die braucht es nun mal, bis eine kritische Masse und die damit einhergehende (Lade-)Infrastruktur erreicht ist. Rein ökonomisch gesehen rechnen sich Elektroautos für Otto-Normalverbraucher derzeit bekanntlich noch lange nicht.

     

    Ein weiteres Beispiel dafür, wie wir uns durch vermeintliche Rücksicht auf "Kinder", "Alte" (oder wer den Spießern sonst gerade noch als Argument für ihre Kontrollfantasien herhalten muss) die Welt Stück für Stück weiter zur Hölle machen...

  • E
    EVfreund

    Solange es keine Richtlinien/Gesetze gibt, die ein Ohrstöpselverbot für Fussgänger, Fahradfahrer oder anderweitig öffentliche Fahr- und Gehwege benutzenden Verkehrsteilnehmern/innen regeln, solange ist eine Gefahrdiskussion von EVs nicht relevant !

  • Unfallgefahr durch zu leise Autos? Naja, bei der hierzulande üblichen Fahrweise ist das nicht verwuderlich. Eine Menge Abhilfe würde hier umsichtiges Verhalten der Autofahrer bringen... einfach draufzuhalten und davon ausgehen, daß der Fußgänger oder Radfahrer schon wegspringen wird, geht halt nicht...

  • LU
    Lachnummer Umweltausschuss

    Künstlicher Verkehrslärm? Das hat doch selbst bei den Amis vor ein paar Jahren nur Gelächter ausgelöst. Nun kommt dieser Schwachsinn auch zu uns.

     

    Hilfe, wir werden amerikanisiert!