Chef von indischem Magazin verhaftet: Vergewaltigung im Fahrstuhl
Der Chefredakteur des linken Magazins „Tehelka“ soll eine Kollegin vergewaltigt haben. Die Folge sind Rücktritte und ein Glaubwürdigkeitsproblem.
Der Gründer und Chefredakteur des indischen Investigativmagazins Tehelka („Sensationell“) ist am Samstag nach seiner Vernehmung in Goa verhaftet worden. Tarun Tejpal wird von einer Redakteurin des Wochenmagazins vorgeworfen, sie vor drei Wochen bei einer Konferenz des Blattes in Goa zweimal im Fahrstuhl eines Hotels vergewaltigt zu haben. Tejpal ist einer der einflussreichsten Journalisten Indiens und eine Ikone.
Seit Bekanntwerden der Vorwürfe verließen bereits sechs Journalisten das unter Linksintellektuellen hoch angesehene Blatt, darunter das Opfer. Zuletzt trat am Donnerstag Redaktionsmanagerin Shoma Chowdhury zurück. Die feministische Autorin und Vertraute Tejpals reagierte damit auf Vertuschungs- und Verzögerungsvorwürfe. Das Opfer hatte sich ihr als erste anvertraut, doch Chowdhury hatte die Vorwürfe gegen Tejpal erst öffentlich gemacht, als diese bereits im Internet kursierten.
Auch eine betriebsinterne Beschwerdekommission soll Chowdhury verspätet berufen haben. So eine Kommission ist seit einer Gesetzesänderung vorgeschrieben, mit der die Regierung auf die tödliche Gruppenvergewaltigung einer Studentin im Dezember reagierte.
Tehelka hatte mehrfach über diesen und andere Vergewaltigungsfälle geschrieben und Konsequenzen gefordert. Eine der damit befassten Redakteurinnen war das jetzige Opfer. Der 50-jährige Tejpal entschuldigte sich zunächst bei der Kollegin, sprach von seinem bedauerlichen „Fehlurteil der Situation“ und dass es wohl keinen Konsens, wie von ihm angenommen, gegeben habe. Zugleich erklärte er, für sechs Monate seinen Führungsjob bei Tehelka aufzugeben.
Sie flehte ihn an, sie nicht anzufassen
Die junge Kollegin widersprach ihrem früheren Chef vehement. Sie schrieb in E-Mails, aus denen indische Medien zitieren, wie sie ihn angefleht habe, sie nicht anzufassen. Doch er habe sich darauf berufen, ihr Chef zu sein.
Wie will Tehelka, dessen Motto „frei, fair, furchtlos“ lautet, je wieder glaubwürdig Kritik üben, fragen sich viele. Im Jahr 2000 als Online-Newsportal gestartet, wurde Tehelka mit verdeckten Ermittlungen über Korruption bekannt. Redakteure gaben sich mit versteckter Kamera als Waffenhändler aus, von denen Politiker Schmiergelder nahmen. Das stürzte die damalige von der hindunationalistischen BJP geführte Regierung in die Krise.
Aus Rache wurde Tehelka zwei Jahre durch eine aufwändige Steuerprüfung quasi lahmgelegt. Mehr als 200 Prominente, unter ihnen Literaturnobelpreisträger V. S. Naipaul und die Schriftstellerin Arundhati Roy, gaben 2004 Geld für eine Neugründung von Tehelka – zunächst als Tageszeitung, später als Wochenmagazin. Tejpal machte sich parallel dazu einen Namen als Autor von Romanen voll sexueller Phantasien.
Der Fall hat nicht nur große medienpolitische Bedeutung. Bisher waren Behörden nämlich oft untätig gewesen, obwohl Vergewaltigungen angezeigt worden waren. Doch die rechte BJP-Landesregierung ließ sich die Chance zur Rache nicht entgehen und ließ Ermittlungen gegen Tejpal einleiten, ohne dass das Opfer Anzeige erstattet hatte. Nun wird dem Opfer deshalb vorgeworfen, sich an einer Konspiration der BJP im Vorwahlkampf zu beteiligen. Arundhati Roy nennt dies eine „zweite Vergewaltigung“.
Im Zuge des Skandals sind Journalisten, darunter Ex-Tehelka-Mitarbeiter, bei Recherchen jetzt auch auf finanzielle Unregelmäßigkeiten Tejpals gestoßen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen