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Armutsjob ZeitungszustellerEin Job wie Flaschensammeln

Zeitungszusteller gehören zu den Armutslöhnern in Deutschland: Vier Cent bekommt Irina Feldmann pro „gesteckter“ Tageszeitung.

Großer Stapel, kleiner Ertrag. Bild: boing / photocase.com

BERLIN taz | Hausnummer 18, das sind fünf Abonnenten auf einen Schlag. Immerhin. Irina Feldmann* sucht einen Schlüssel aus ihrem dicken Bund heraus und schließt die Eingangstür auf zum Mietshaus in Berlin-Köpenick. Sie steckt eine Fußballzeitung und vier Tageszeitungen in die Briefkästen des Neubaus. „20 Cent verdient“, sagt die Botin. Es kann schlechter kommen.

Zum Beispiel in der Nummer 24, etwa 20 Meter Wegstrecke entfernt. Nur zwei Abonnenten bekommen dort eine Zeitung, in einem Aufgang mit zwanzig Briefkästen. Hinlaufen, Schlüssel heraussuchen, aufschließen. Die Namen auf den Briefkästen mit den Namen auf dem Tourenzettel vergleichen. „Kowalski“ und „Meier“ haben abonniert.

Feldmann faltet die Zeitungen mit geübtem Griff zusammen und schubst sie in die Kästen hinein. Tief hinein, denn „anstecken“, so dass das Papier klaugefährdet herausragt, ist nicht erlaubt. Zwei Zeitungen, das macht 8 Cent Zustellerverdienst.

Zeitungsboten

Zeitungsboten sind bei Zustellagenturen beschäftigt. Die Agenturen wiederum arbeiten für Vertriebsgesellschaften, die im Auftrag der Zeitungsverlage tätig sind.

Die Bezahlung erfolgt nach Stücklohn, der je nach Siedlungs- und Abonnentendichte unterschiedlich hoch ausfallen kann. In Berlin liegt der Trägerlohn pro Abonnementzeitung etwa zwischen 4 und 10 Cent. Da es immer weniger Abonnenten gibt für die gleiche Strecke, müsste der Stücklohn eigentlich steigen - tut er aber meistens nicht.

Manche Agenturen rechnen den Stücklohn nach dem Computersystem "Sabris" aus, das die Zahl der Abonnenten und die Kilometerlänge der Tour berücksichtigt. Das System wird von der Gewerkschaft Ver.di kritisiert, weil es angeblich mit unrealistischen Vorgaben arbeitet.

Einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde müssten Agenturen für ihre Angestellten in Zukunft umsetzen. Die Frage ist, welche Stückzahl an gelieferten Zeitungen sie dafür von den Boten verlangen werden. (bd)

Beträge sind das wie beim Sammeln von Pfandflaschen. Dabei handelt es sich hier um einen Arbeitsplatz. Aber wer wissen will, warum in einem sogenannten Hochlohnland Leute um vier Uhr früh für einen Stundenlohn von 3 Euro brutto aufwärts Zeitungen durch die bitterkalte Nacht tragen und mit klammen Fingern in Briefkästen stecken, der sollte sich Geschichten anhören wie die von Feldmann, eine von 4.000 ZustellerInnen in Berlin.

Feldmann zieht seit sieben Jahren frühmorgens ein bis zwei Stunden durch die kopfsteingepflasterten Straßen im Ortsteil Köpenick, weit im Berliner Osten, wo sie auch wohnt. Meist schiebt die 48-Jährige das blaue Wägelchen der Zusteller vor sich her. Manchmal fährt sie die Strecke auch mit dem Auto ab. Eine Gegend mit Mietshäusern in Plattenbauweise, wo Arbeiter, Angestellte, Rentner, Arbeitslose leben. Viele Arbeitslose. Die weißen Blechbriefkästen in den kahlen Hausfluren sehen überall gleich aus. Wenigstens muss man hier nicht – wie in manchen Berliner Altbauten – die Wohnungen einzeln abklappern, weil es keine Briefkästen unten im Flur gibt.

Feldmann steht in der Früh um halb vier Uhr auf. Am Vorabend geht sie um neun Uhr ins Bett. Einen „Tatort“ bis zu Ende gucken ist bei diesem Rhythmus nicht drin. „Man gewöhnt sich dran“, sagt die Botin.

Die Aufstocker

4 Cent Stücklohn gibt es pro Zeitung. Die neue Tour macht sie noch nicht lange, sie ist mit nur 60 Abonnenten in 40 Aufgängen „wenig beliebt“, meint die lebhafte Frau mit den warmen braunen Augen und den von der Kälte geröteten Wangen.

In einer Stunde 60 Zeitungen „stecken“, wie es im Zustellerjargon heißt: Das macht für sie inklusive Nachtzuschlag 3 Euro Stundenlohn. Bei sechs Zustelltagen in der Woche sind das 72 Euro im Monat. Ein Hungerlohn, klar, aber „80 Prozent der Zusteller sind Aufstocker“, schätzt Feldmann. Wer Hartz IV bekommt, für den zählt jeder Euro. 100 Euro darf man hinzuverdienen, ohne dass das Geld vom Jobcenter angerechnet wird.

Auch Feldmann bekommt Leistungen nach Hartz IV. Die Zeiten waren mal besser für sie. Ihre alte Tour zum Beispiel, so erzählt sie, brachte mit 120 Zeitungen und Kilometergeld etwa 175 Euro im Monat als Hinzuverdienst. Die gelernte Betriebswirtin, Ehefrau und Mutter zweier Kinder arbeitete damals tagsüber zusätzlich als Disponentin im Büro einer Holzfirma. Ihr Mann hatte einen Job bei der Bahn. Ohne den Hinzuverdienst durch das Zeitungsaustragen „hätten wir uns kein Auto leisten können“, erzählt Feldmann. Von Hartz IV war damals in der Familie nicht die Rede.

Eine Branche im Umbruch

Doch irgendwann kamen die Probleme. Als ihr Mann erkrankte, pflegte Feldmann ihn bis zum Tode. Ihr Bürojob ging verloren, ein neuer war nicht in Sicht, auch keine Tätigkeit anderswo. „Man wird ja auch älter“, sagt sie, „und bei Aldi, da nehmen sie doch keinen mehr über 40.“

Nur das Austragen der Zeitungen, das blieb. Wenngleich auch nicht mehr zu den alten Bedingungen. Denn Abonnenten gedruckter Zeitungen gibt es immer weniger in Zeiten des Onlinejournalismus, die Branche ist im Umbruch, und so bleiben immer weniger Zeitungen auszutragen pro Kilometer und pro Treppenhaus – bei einem Stücklohn, der zumindest bei Feldmann „immer gleich blieb“.

Nach einer Pause beim Zustellen, auch aus gesundheitlichen Gründen, verlor sie die längere Tour. Jetzt hat sie nur noch die 2-Kilometer-Runde im eigenen Stadtteil, die niemand sonst machen möchte. Wer steht schon gerne für 3 Euro auf.

Der nächste Aufgang, in dem noch zwei Mieter Zeitungen im Abo haben, ist die Nummer 32. Für den Neubau gibt es einen Generalschlüssel von der Degewo, der passt auf alle Degewo-Häuser im Bezirk. „Praktisch“, sagt Feldmann. Da muss man den Schlüsselbund nicht im schummrigen Laternenlicht durchforsten nach dem richtigen Straßennamen und der Hausnummer.

Ja keine Namen verwechseln!

„Ich verdiene mein Geld an der frischen Luft“ lautet der Spruch, mit dem die Vertriebsgesellschaft BZV um neue Zusteller wirbt. Das immerhin stimmt. Frische Luft und Bewegung. Bis vor Kurzem ging Feldmanns Schäferhund mit auf Tour, jeden Morgen. „Das war praktisch die Gassirunde“, erzählt sie. Der Hund ist inzwischen gestorben.

In der Nummer 40, einem Treppenhaus mit zwei sehr langen Reihen von Briefkästen steht auf der Namensliste neben „Heinz Storkfeld“ eine eilig hingetippte Warnung an die Zustellerin: „Achtung! Nicht bei Stolle stecken!“ Man kann die Leidensgeschichte von Storkfeld ahnen, der die Nase davon voll hatte, seine Zeitung am Morgen bei Stolle herauszuklingeln und bei der Agentur die Mahnung auf dem Tourenzettel erwirkte.

Namen zu verwechseln ist für Zusteller so abträglich wie vom Regen nasse Zeitungen in Briefkästen zu stopfen. „Reklamationen sollte es nicht allzu viele geben. Sonst ist man den Job los“, sagt Feldmann.

Andere kassieren mit

Feldmann ist im Minijob bei der örtlichen Zustellagentur beschäftigt, die wiederum als Subunternehmer fungiert für die Berliner Vertriebsgesellschaft BZV, die wiederum von den Verlagen für die Zeitungen Zustellgebühren bekommt. Nur ein Bruchteil der Zustellgebühren, die die Verlage pro Abonnent an die Vertriebsfirmen zahlen, kommt allerdings als Stücklohn bei den Zustellern an. Zwischendrin kassieren andere mit.

Doch irgendwas dagegen unternehmen ist nicht einfach in einer Branche, in der sich die Subunternehmer verdünnisieren können, wenn es heikel wird. In Berlin streikten mal ein paar ZustellerInnen. Da machte einfach deren Agentur dicht, berichtet Feldmann.

Sie kennt natürlich Kolleginnen, eine ist sogar eine Freundin, die trägt auch aus, hat Kinder und keinen Mann, „die stockt auch auf“, berichtet die Botin. Und es gibt den 75-jährigen Rentner, der viel länger brauche als die anderen, schildert sie. So jemand würde bei einem festen Stundenlohn rausfliegen aus dem Job, ist Feldmann überzeugt. Aber mit der Vergütung über einen Stücklohn kann es den Zustellagenturen egal sein, wie lange der alte Herr braucht fürs „Zeitungstecken“. Hauptsache, die Blätter sind bis sechs Uhr im Kasten. Das ist die Deadline.

4 Cent Stücklohn, damit steht Feldmann unten in der Lohnhierarchie. In den westlichen Stadtvierteln liegen die Stücklöhne höher – die Agenturen gehen davon aus, dass sich im Osten eher AusträgerInnen zu den niedrigen Löhnen finden lassen. Das erfährt man von Vertriebsleuten, die nicht namentlich zitiert werden wollen. Wie überhaupt Zustellagenturen und Vertriebsmenschen lieber nicht offen über Löhne und Arbeitsbedingungen sprechen.

Niemand in der Branche redet offen

Schließlich gibt es immer noch Leute, die man ein bisschen mehr auspressen kann: In Berlin-Neukölln flog mal ein Zusteller auf, der Afrikaner ohne Arbeitserlaubnis zu geringen Cent-Beträgen für sich Zeitungen verteilen ließ, berichtet der Vertriebsmann. 10 Prozent der Trägerstellen seien dauerhaft unbesetzt, die Fluktuation im Job sei hoch. Er hofft jetzt auf die Rumänen und Bulgaren, die seit Januar als Minijobber angestellt werden dürfen und schon in den Zustellagenturen vorstellig geworden sind. Gut deutsch sprechen müsse man ja nicht für den Job, „nur die Buchstaben, die muss man natürlich kennen“.

Nach einer Stunde hat Feldmann ihre Tour geschafft. In der vierten Straße im Aufgang Nummer 12 muss sie die Zeitung für „Ilse Laschek“ in den Briefkasten von „Wolfgang Maier“ stecken. Steht so auf dem Zettel.„Die ist wohl zu ihrem Freund gezogen“, bemerkt die Botin.

Als Feldmann die Nummer 12 verlässt, müsste sie eigentlich wie bei den anderen Aufgängen die Haustür wieder hinter sich zuschließen, zweimal sogar. Die Hausverwaltungen verlangen das so, aus Sicherheitsgründen. „Doch das macht keiner“, sagt die Trägerin. Kostet zu viel Zeit. Ein bisschen Freiheit muss man sich nehmen, auch als Botin.

Altpapier ist neuerdings attraktiv

Feldmanns Tour endet in der Nähe ihrer Wohnung. Praktisch. „Lange Anfahrtswege lohnen sich für die Zusteller nicht“, sagt Feldmann. Der Fahrer der Agentur hatte den Stapel Zeitungen am frühen Morgen an ihrer Haustür abgeliefert.

Früher, so erzählt die Austrägerin, legten Fahrer die Stapel manchmal einfach im Hauseingang ab, wo sich die Zusteller dann für ihre Touren bedienten. Aber diese Zeiten sind vorbei, seitdem man Altpapier in der Stadt für 8 Cent das Kilo an Sammelstellen verkaufen kann. Zeitungsstapel werden schnell geklaut von Leuten, die mit jedem Cent rechnen müssen. Die Fahrer liefern die Blätter jetzt in abschließbare Depots oder den Zustellern direkt ins Haus.

Es ist jetzt fünf Uhr morgens an diesem Wintertag. „Es ist Zeit für einen starken Kaffee“, sagt Feldmann. Zu Hause wartet die Wohnstube und eine druckfrische Berliner Tageszeitung. Die kriegt sie umsonst.

* Namen aller Beteiligten geändert

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38 Kommentare

 / 
  • D
    Dux_Monacensis

    @BETRIEBSRATSVORSITZENDE ZEITUNG:

    Wäre Deine Rechnung keine Milchmädchenrechnung, so wärest Du ein Kandidat für den Olypiasieg. Wo ist denn das Eldorado, in dem Du Zeitungen austrägst? Doch nicht etwa in München? In München kommt auch der schnellste Jogger oder Sprinter über 8,50 € pro Stunde nicht mehr weit hinaus. Diese Zeiten sind längst vorbei. Wer etwas anderes behauptet, kann entweder nicht rechnen oder er verrichtet einen großen Teil seiner Arbeit kostenlos.

  • D
    Dux_Monacensis

    @DJ_RAINBOW:

    Mag ja sein, dass die taz "auf fremdem Arsch durchs Feuer reitet", aber immerhin: sie reitet. Von anderen Zeitungsverlagen kann man das leider nicht behaupten. In der "Süddeutschen Zeitung", der "FAZ", dem "Tagesspiegel" usw. wirst Du Berichte über den Skandal im eigenen Hause vergeblich suchen.

  • D
    DJ_rainbow

    Was zahlt denn die taz den Zustellern?

     

    Bzw.: Wer stellt denn außerhalb Berlins die taz zu?

     

    Um es mit Martin Luther zu sagen: "Auf fremdem Arsch ist gut durchs Feuer reiten."

     

    Kehrt doch erst mal vor eurer eigenen Tür, da hat sich genug Mist angesammelt.

  • X
    XHQ8N-C3MCJJ-RQXB6-WCHYG-C9WKB

    Empfehlung: Jeder Gutmensch bestellt sein-e physische-s/-n ZeitungsAbo-s ab, hört morgens (auch mobil) Radio u./o. liest fürderhin die ihm nolens volens (trotz untersagender Briefkasten- Aufkleber) gesteckte-n "Kostenlose Zeitung-en" seiner Region inklusive Tonnen von 'sehr informativen' Werbebeilagen – deren AusträgerInnen dürfen zumindest tagsüber und in einem flexiblen Zeitfenster mit unschlagbar hoher Nicht-Abonnentendichte auch konsequent rechtswidrig verteilen; Und bei diesem Job müssen die VerteilerInnen auch nicht: "nur die Buchstaben (....) kennen".

    Und inbezug auf die print-taz wäre ohnehin zu überlegen, ob sie nicht lieber eine Nachmittags-, Abend-Zeitung sein sollte, um auch nur ein wenig aktueller sein zu können, denn derzeitig sind deren Inhalte, Beiträge, Themen unvermeidbar immer von (vor-)gestern – bestenfalls.

    • SE
      sake easoeso
      @XHQ8N-C3MCJJ-RQXB6-WCHYG-C9WKB:

      Die "print-taz" ist in ihrer unausgedruckten Form seit vielen Jahren eine Abend-Zeitung: die kann für 12,95 Euro abonniert werden und kommt jeden Tag vor 21 Uhr ins heimische E-Mail-Postfach oder man/frau kann sie auf taz.de selbst downloaden.

       

      Ich arbeite tagsüber und höre dann kein Radio oder lese intensiv Nachrichten im Web. Ich finde die Digitaz am Abend vollkommen ausreichend aktuell.

  • HP
    Henry P.

    Danke für den Artikel. Die Zusteller werden ja oft vergessen, weil man sie in der Nacht nicht sieht. Dabei sind täglich Zigtausende Menschen unterwegs bei jedem Wetter, damit die Abonnenten ihre Zeitung pünktlich zum Frühstück erhalten.

    Leider werden hier die Bedingungen immer schlechter und dieser Knochenjob immer schlechter bezahlt.

    In Bremen wurde z.B. gerade die Zustellung an Fremdfirmen ausgelagert, nachzulesen im Blog der Zeitungszusteller Bremen: www.zeitungszusteller-bremen.de

  • Z
    Zeitungsbote

    1. Der Artikel ist sehr gut recherchiert und klar und interessant geschrieben (einhellige Meinung aller Kollegen)

    2. Die geringen Zusteller-Löhne sind ein Teilproblem der in Dtl gängigen Niedriglohnpolitik - weshalb wohl wird über die Einführung von Mindestlöhnen gestritten?

    3. Für viele "Aufstocker" ist die Zeitungszustellung eine Chance, den oft sinnlosen Maßnahmen (MAE etc.) der BA zu entgehen

    4. Die Zustellagenturen gehören seit 1994 den großen Verlagen (Ullstein, Berliner Verlag, Tagesspiegel), die sich durch dieses "outsourcing" - wie bei solchen Vorgängen üblich - eines Teils ihrer Belegschaft und damit auch ihrer Verantwortung entledigten

    5. Zeitungen "stecken" ist eine Tätigkeit ohne Zukunftsperspektive: zum Leben zu wenig - fürs Jobcenter oft noch zu viel, und in ein paar Jahren dank Digitalisierung völlig obsolet ;)

  • PH
    Peter Haller

    @KLAUSK

    "Ich würde dem Flaschensammeln den Vorzug geben, ermöglicht es doch eine freie Zeiteinteilung und bei entsprechendem Fleiß einen auskömmlichen Zusatzverdienst."

     

    Da isses wieder, des Deutschen liebstes Wort : FLEISS

    Ja,ja, ohne Fleiss kein Preiss !

    Nur ist es z.B. in meiner Gegend z.Zt. leider so, dass sich die Flaschensammler quasi die Klinke in die Hand geben und auch mit dem grössten Fleiss sich leider keine Flaschen mehr finden lassen ! (ich mein jetzt mal die, aus Glas oder Plastik ).

    Und wenn ich dann eine alte Frau sehe, welche ganz verschämt in Mülleimern nach Pfandflaschen stöbern muss, dann kommt mir die Galle hoch.

     

    Soviel zum auskömmlichen Zusatzverdienst !!!!! Ich wünsche dir, dass du mal darauf angewiesen sein wirst !!

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Peter Haller:

      Oh, Peter Haller!

      Den Wunsch kann ich aufgrund höheren Alters (Jg.1947) und auskömmlichem Einkommen (Ruhegeld) zurückgeben, und zwar ohne die sieben (!) nicht gerade charmanten Ausrufungszeichen.

      (Übrigens: Mein Kommentar bezog sich auf Dribbuschs Überschrift, die ja den Vergleich anstellte - nicht ich.)

  • A
    Arne

    "Doch irgendwann kamen die Probleme. Als ihr Mann erkrankte, pflegte Feldmann ihn bis zum Tode. Ihr Bürojob ging verloren, ein neuer war nicht in Sicht, auch keine Tätigkeit anderswo. 'Man wird ja auch älter', sagt sie, 'und bei Aldi, da nehmen sie doch keinen mehr über 40.'"

     

    Das ist der eigentliche Skandal. Der Job des Zeitungsaustragens war früher für Studenten oder sonstwie Leute, die eben noch etwas zusätzllich verdienen wollten, nicht für Menschen, die das zum Überleben machen müssen.

     

    Das Thema der älteren Arbeitnehmer, die ab 40 (!!) spätestens auf solche Tätigkeiten dank HartzIV angewiesen sind, weil es private Gründe gab, den bisherigen Job mal eine Zeit ruhen zu lassen, ist der Skandal. Wir reden viel zu viel von Jugendarbeitslosigkeit und noch immer viel zu wenig über die Perspektiven über 40jährigen. Vor ein paar Jahren waren es noch die Ü60, die sich abserviert fühlten, dann wurden es die über 50jährigen und jetzt sind es die über 40jährigen.

  • I
    Ingo

    Wieviel Cent pro Zeitung wären notwendig, um einen guten Stundenlohn zu erreichen? Also: Wieviel Zeitungen schafft denn ein Zusteller im Schnitt? Bei Bezirken mit vielen Einfamilienhäusern sind die Wege ja tendenziell noch weiter - auch wenn ich vermute, dass dort dann mehr Leute eine Zeitung abonniert haben.

     

    Daraus wüßte man dann, wieviel Cent pro Zeitung der Zusteller bekommen müßte. Ob das die Taz dann an den Zusteller weiterreichen könnte, ohne dass die Unternehmen dazwischen etwas davon abgreifen, will ich nicht ausschließen, aber schwierig wäre das sicher schon.

     

    Wenn die Taz dann die zusätzlichen Kosten von einem oder zwei Euro pro Monat an die Abonnenten weiterreicht, werden die meisten das sicher mittragen, aber wie sieht das bei anderen Zeitungen aus? Würde das allgemein sich verteuern, wieviele Leute würden dann ihr Abo kündige? Wenn dann Zeitungen nur noch im Internet gelesen statt gedruckt werden, gibt es gar keine Arbeit mehr für die Zusteller.

    • BZ
      Betriebsratsvorsitzende Zeitung
      @Ingo:

      @Ingo Leider kann man den Stundenlohn pauschal nicht ausrechnen. Denn jeder läuft ne andere Geschwindigkeit. Je schnellerr man ist, desto mehr verdient man. ich selber habe ca 13,9Cent inklusive aller Zulagen, wie Arbeitskleiderzulage, Nachtzuschlag usw. habe einen Bezirk mit fast nur Einfamilienhäuser und sehr sehr vielen Treppen. Ich bin recht schnell und habe ca 12€/Stunde. Allerdings nur, wenns nicht regnet, kein Glatteis ist und bei Zeitungen ohne viel Werbung drin

  • K
    Klartext

    Flaschensammeln ist kein Job!

     

    Flaschensammeln ist Flaschensammeln. Die Tätigkeit ähnelt höchstens dem Sammeln von Almosen.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Ich würde dem Flaschensammeln den Vorzug geben, ermöglicht es doch eine freie Zeiteinteilung und bei entsprechendem Fleiß einen auskömmlichen Zusatzverdienst.

    Nicht vergessen: Der Umwelt tut's auch gut, im Ggs. zur Zeitungszustellung. Unsere Zusteller schmeißen die schwarzen Packbänder einfach auf's Trottoir...

    • P
      Praxis
      @571 (Profil gelöscht):

      Das stimmt nicht repräsentativ mit der freien Zeiteinteilung. Flaschensammler gibt es viele, das schafft Konkurrenz. Zeitplan gibt es dazu noch durch Reinigungsbetriebe. Sind die schneller, sind die Flaschen abgeholt. In meinem nächsten Park überbieten sich Sammler bei den Zeiten, sodass mehr Nachttouren stattfinden.

  • BZ
    Betriebsratsvorsitzende Zeitung

    Es ist leider so, wir Zusteller stehen eben am Ende der Lohnkette, schließlich wollen alle dran verdienen. Da hilft nur eins, EINEN BETRIEBSRAT GRÜNDEN!!! Ich bin selber BR-Vorsitzende, wir verdienen um einiges mehr, haben aber auch sehr darum kämpfen müssen. Es ist doch nicht so, dass an jeder Ecke jemand steht , der morgens um 3 oder 4 aufstehen will.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Betriebsratsvorsitzende Zeitung:

      Bei kontinuierlich schrumpfenden Auflagen der Printmedien liegen die Zustellpunkte irgendwann so weit auseinander, dass sich das Geschäft nicht mehr lohnen kann.

      Was dann?

      • DP
        Die Post ist da
        @571 (Profil gelöscht):

        Post-Verschickung mit weniger Aktualität: taz.die tagdanachzeitung

        • 5G
          571 (Profil gelöscht)
          @Die Post ist da:

          Kann ich nur bestätigen. Vor allem betroffen waren Montage und Samstage. Irre, wenn die Wochenendtaz am Montag im Kasten war. Die landete gleich im Altpapier.

          Etwas besser wurde es später, als nach zahlreichen Reklamationen die taz per Zusteller kam.

          Aber, wie gesagt, nur "etwas".

  • R
    reblek

    Die taz wird zum Beispiel in Dortmund von den Bot(inn)en der Ruhr Nachrichten "gesteckt", einem in keiner Hinsicht sozialen Unternehmen.

  • N
    NEU

    Ein Problem sehe ich in den begrenzten Ressourcen auf der Welt. Wenn alle mehr verbrauchen wollen, sind in kürzester Zeit Öl, Gas, Kohle... weg.

     

    Denn was bringt es mehr Geld zu verteilen, wenn am Ende die Ressourcen weg sind oder fehlen. Es war nie eine Geldfrage sondern immer eine Frage der begrenzten Ressourcen.

     

    ...und wer will schon noch mehr Abgase, Lärm, Umweltverschmutzung durch das BGE?!

  • PJ
    Paul Johannes

    Der Letzte in der Kette wird in der "sozielan" Marktwirtschaft IMMER gefressen. Habt ihr das grundprinzip noch nicht verstanden?Laufen bis zum Umfallen und trotzdem nix in der Lohntüte.Das sind die Menschen die am unteren Ende unsere Leistungsskala stehen.Solange es Marktwirtschaft gibt, wird sich an diesem Grundgesezt von : den letzten beißen die Hunde" nICHTS ändern. Auch nicht durch einen gesetzl.Mindestlohn, denn dieser erfordert dann auch immer in irgendeiner Form Mindestpreise, die dann auch jemand bereit sein muß zu zahlen.Mal eben Männerhaarschniit für 6,50 Euro in Südthüringen, ist dann nicht mehr möglich , aber auch verständlich.Nur um auf die zeitungszusteller zu kommen, leider fehlt es den meisten Tageszeitungen an täglichen Abnehmern, auch wieder aus o.g. Gründen.Die wenigsten Menschen können sich Heutzutage noch eine Zeitung für 1,50 Euro am Tag oder mehr leisten. Traurig aber wahr.Zuerst kommt immer das FRESSEN !

    • @Paul Johannes:

      Naja, die Kausalität aus einer ohne Zweifel auseinandergehenden Schere von Arm und Reich in Deutschland mit dem zurückgehenden Konsum von Tageszeitungen würde ich mal ganz stark bezweifeln. Da gibt es zwar eine Korrelation, aber eben keine zwingende Kausalität. Ich will damit nicht sagen, dass es das überhaupt nicht gibt, aber ich würde die gesellschaftlichen Gründe (vor allem: verstärkte Nutzung des Internets als Informationsmedium, Rückgang des täglichen Zeitungslesens allgemein, ...) als weitaus relevanter einschätzen.

  • M
    Mehrzahler

    dem kann ich nur zustimmen! Ich habe ein taz-Abo und wäre sehr gerne bereit 6 Cent am Tag (36 Cent die Woche) mehr zu zahlen um nicht nur das lesen politisch zu gestalten, sondern auch schon den Weg bis zu mir!

    • G
      gast
      @Mehrzahler:

      Die 6 Cent mehr, die Sie bereit sind zu zahlen, bekommt nicht der Austräger sonder dann wohl eher der Gruppenleiter.

  • J
    jan

    Danke für diesen Artikel, es gibt keine Alternative zu gutem und kritischen Journalismus. Wirklich bestürzend fand ich in diesem Zusammenhang die Tasache, dass 60% der Zeitarbeiter CDU gewählt haben. Die Menschenmanipulation in diesem Land ist furchtbar.

    • B
      Blautopf
      @jan:

      "Wirklich bestürzend fand ich in diesem Zusammenhang die Tasache, dass 60% der Zeitarbeiter CDU gewählt haben."

       

      Könnten Sie mir dazu bitte eine Quelle nennen?

    • Z
      Zeitungsbote
      @jan:

      Yep, denn die meistgelesene Tageszeitung unter Zustellern ist - jedenfalls nicht die taz ;-(

  • J
    jew

    meine mutter macht auch so einen zusteller job, aber im ländlichen raum. aber für mich sind das alles kleine beispiele für die vielen sklavensysteme in dieser welt, ist schon krass was menschen alles tun müssen um leben zu können. hier in d. klingt das nur so drastisch, da hier die schere noch nicht so weit auseinander ist, aber die regierung arbeitet daran. da hatten es die hebräer in ägypten natürlich einfacher. diese wurden direkt durch kost und logie bezahlt, hier wird man bezahlt und muss dann sehen wie man damit wohnen und essen kann.

  • Was zahlt denn die taz an ihre Zusteller? Wenn jetzt die Aussage kommt, das könne man nicht beeinflussen, da bei einem Subunternehmer angestellt, fände ich das herlich enttäuschend. Die taz könnte ja selbstständig darauf hinwirken, dass ihre Zusteller bspws. 10 cent pro Zeitung bekommen. Ich bin mir sicher, dass die Leserinnen und Leser der taz zu diesen 6 cent Mehrausgaben bereit sind, wenn es dann zumindest einen halbwegs menschenwürdigen Stundenlohn gibt.

    • BZ
      Betriebsratsvorsitzende Zeitung
      @Dubiosos:

      Leider verdient man mit 10Cent pro Zeitung immer noch keine 8,50€ in der Stunde.

    • M
      Moritz
      @Dubiosos:

      Die taz kann wirklich nicht die ganze Wertschöpfungskette bis zu allen ZeitungsverteilerInnen zuende beeinflussen.

       

      In Berlin jedenfalls gibt es nur zwei zentrale Verteiler-Betriebe (BZV und einer mit V im Namen), die morgens alles verteilen, so weit ich weiß. Die machen die Preise.

       

      Meinen Zeitungszustellern wollte ich schon des Öfteren mindestens zu Weihnachten ein Danke schön für deren Arbeit geben. Herbe Kritik aus der Familie: "Die Fuscher! So oft, wie die die Zeitung nicht gebracht haben!", kam mir dann entgegen. Tja, bleibt ein Lächeln in Richtung des Lichtstrahls, wenn ich die VerteilerInnen morgens ansehe und sie mit ihrer Bergbaubeleuchtung zum Finden der Briefkästen auf dem Kopf in meine Richtung zurückschauen.

       

      Ich fände große Feiern und einen fleißigen Lobbyverband für diese Berufsgruppe gut.

      • @Moritz:

        Na klar könnte die taz das. Anderen Unternehmen werden auch (völlig zu Recht!) alle Einzelheiten der Lieferkette vorgeworfen (beispielsweise den Handyherstellern ihre Benutzung von Konfliktmineralien und dabei gibt es eine weitaus kompliziertere Lieferkette und Komponentenanzahl als beim Verteilen von Zeitungen).

         

        Die taz könnte sicherlich einen Vertrag mit den Firmen machen, wo sie zu den normalen Beträgen eben noch 6 cent Aufschlag bezahlt und dafür verlangt, dass dies an die Arbeiter weitergereicht wird. Der Firma wäre es doch egal (im Gegenteil, vielleicht verlangen die 7 cent dafür, geben aber 6 cent weiter, machen noch einen cent Gewinn pro Zeitung für null Mehrarbeit).

         

        Und dass die taz nicht nach Tarif bezahlt ist mir schon bekannt - allerdings trotzdem weit über dem Mindestlohn. Und da fände ich es schon solidarisch, wenn die KollegInnen aus der Redaktion (mit auch nicht üppigen Stundenlöhnen wie 15€ brutto pro Stunde) an die Verteiler denken, die gerade mal 3 € die Stunde verdienen.

         

        Außerdem würde ich jetzt grob über den Daumen gepeilt auch mal sagen, dass es bedeutend günstiger ist, die Stücklöhne pro verteilter Zeitung zu erhöhen, als alle Redakteure nach Tarif zu bezahlen. Der teuerste Kostenblock einer Zeitung sind immer noch die Redakteure.

  • D
    David

    Un diese Bedingungen gelten wahrscheinlich auch für die ZustellerInnen der taz, oder?

  • T
    Tim

    212 Zeitungen die Stunde für die 8,50 EUR, das sollte doch zu machen sein.^^

     

    Nein, im Ernst: ein Hoch auf eBook reader/Laptop & co. Wenn man den Job vernünftig bezahlen würde, würden die preise teurer, weniger Abonenten, noch höhere Preise; das ganze ist ein Schach matt. Post ist zu langsam. Am ende bleibt das iPad & Co. Bedruckte Tageszeitungen müssen wissen: Dir Uhr bis zum Mindestlohn tickt. Also eine weitere Uhr. Zumindest wenn man den Mindestlohn nicht durch Stückarbeit umgehen kann.

  • O
    olli37

    Solange die TAZ nicht selber Praktikanten, Aushilfen, usw. min. 8,50 EUR die Stunde bezahlt, geschweige denn Tariflohn für die Festangestellten, sollte man sich erst mal an die eigene Nase fassen.