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Verzögerte LehrerprüfungBefangenheit ja, Diskriminierung nein

Einer aus Aserbaidschan stammenden Referendarin wird die Exams-Teilnahme und damit der Eintritt in den Schuldienst verwehrt. Vor Gericht erstreitet sie eine Nachprüfung – die auf sich warten ließ

Auf dem "langen Weg vom Asylbewerberheim ins Lehrerzimmer" gestoppt: Leyla N.. Bild: Christian Wyrwa

HAMBURG taz | Zuerst lief alles glatt. Leyla N., 1998 aus Aserbaitschan nach Deutschland eingewandert, wurde als politischer Flüchtling anerkannt, erwarb die deutsche Staatsbürgerschaft und absolvierte ein Lehramtsstudium, das sie an der Universität Flensburg mit der Note 2,8 im ersten Staatsexamen erfolgreich abschloss. Bereits 2010 wurde ihr eine Lehrerinnenstelle an der Haupt- und Realschule Bruchhausen-Vilsen zugesagt, vorausgesetzt sie bestehe das Zweite Staatsexamen.

Hier nun endet die Geschichte der erfolgreichen Integration einer Migrantin: Die Stelle konnte die heute 45-Jährige, die inzwischen in Nienburg an der Weser lebt, nicht antreten. Kurz vor dem Ziel wurde ihr die Abschluss-Prüfung zum Zweiten Staatsexamen verwehrt. Der Hauptgrund: Das in Hildesheim ansässige „Niedersächsische Institut für schulische Qualitätsentwicklung“ (NLQ) bewertete eine schriftliche Examensprüfung als „mangelhaft“. „Auf dem langen Weg vom Asylbewerberheim ins Lehrerzimmer wurde ich auf den letzten Metern gestoppt“, sagt Leyla N. dazu.

„Russische Babuschka“

Seit gut zwei Jahren kämpft die in Baku geborene Frau vor Gericht um die Korrektur der Benotung, die ihr den Weg in den Schuldienst versperrt und der nach ihrer Auffassung „eine Diskriminierung aufgrund meiner Herkunft“ zugrunde liegt. So erinnert Leyla N., die hervorragend Deutsch spricht, dass eine ihrer Prüferinnen behauptet habe, man könne sie ja kaum verstehen und sich zudem darüber mokierte, dass sie lieber Röcke als Hosen trage. Auch im Schulalltag fühlte sich die Referendarin oft herabgewürdigt, etwa von einem Kollegen, der sie als „russische Babuschka“ bezeichnete.

Vor Gericht erzielte die alleinerziehende Mutter bislang immerhin einen Teilerfolg. Ende September entschied das Verwaltungsgericht Hannover, dass eine der Mangelhaft-Beurteilungen ihrer Examensarbeit nicht haltbar sei. Richter Uwe Wagstyl stellte fest, dass die zuständige NLQ-Prüferin „mehrfach bestimmte Ausführungen in der Hausarbeit nicht zur Kenntnis genommen“ und damit die Arbeit falsch bewertet habe. „In den Formulierungen der Prüferin“ gebe es „zwar Anhaltspunkte für eine Befangenheit (...), aber keine Anhaltspunkte für eine Diskriminierung wegen der Herkunft“, wischte Wagstyl den Rassismusvorwurf allerdings vom Tisch.

Ein unabhängiges Gutachten über die Benotung spricht da eine andere Sprache. So kommt die Erziehungswissenschaftlerin Mechthild Gomolla von der Hamburger Universität zu dem Schluss, bei der Bewertung der Arbeit von Leyla M. seien „gegen ihre Person gerichtete negative Vorbehalte und eine Verkettung von Versäumnissen und aversiven Handlungen zum Tragen“ gekommen, „die man kaum anders als als Diskriminierung bezeichnen kann“. Die Kulturwissenschaftlerin Ildikó Klein-Bednay von der Universität Münster nahm sich die offiziell als mangelhaft eingestufte Hausarbeit von Leyla N. ebenfalls gutachterlich vor und bewertete sie mit einer 2+.

Urteil verschleppt

Als Konsequenz aus der Fehlbenotung legte das Gericht im September fest, dass „die Beurteilung durch einen anderen Prüfer, der bislang nicht am Prüfungsverfahren beteiligt war, neu erstellt werden muss“. Das ist auch dreieinhalb Monate nach dem Gerichtsbeschluss nicht geschehen, die Nachprüfung wurde noch nicht einmal beauftragt.

Anfang dieser Woche hat sich die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingeschaltet und das Kultusministerium aufgefordert, „die Überprüfung der Hausarbeit alsbald“ zu veranlassen, um dem Eindruck entgegenzuwirken, „dass ausländische Lehrkräfte in Deutschland nicht erwünscht sind“. Nun folgte die Kehrtwende: Das Niedersächsische Kultusministerium und das Hildesheimer Institut sagten Mitte der Woche zu, das gerichtlich angemahnte Gutachten „in Kürze“ in Auftrag zu geben.

Damit steht die Tür zum Eintritt in den Schuldienst wieder einen Spalt offen für Leyla N. Die streitbare Frau betont: „Ich kämpfe um meine persönliche Lebensplanung, und ich will auch beweisen, dass Migrantinnen nicht nur Pizza backen, sondern auch akademische Berufe ergreifen können.“

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3 Kommentare

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  • HS
    Herr Schäfer

    Nun, in Deutschland wird man zum Lehrer ausgebildet, es ist eine Lehrerausbildung und kein akademischer Beruf. Immer wieder ist diese Verwechslung zu lesen.

  • WK
    wann kommt die professionelle interkulturelle öffnung der schulen?

    Von allem was ich aus verschiedenen Bundesländern höre braucht es da noch viel externe Unterstützung. An vielen Stellen auf verschiedenen Ebenen ist die professionelle interkulturelle Öffnung der Schulen nicht gewollt; Widerstände sind massiv. Von bundesweiten oder auch ernstgemeinten landesweiten Strategien für die interkulturelle Öffnung der Schulen ist nix zu spüren. Hier und da gute Pilotprojekte - das reicht nicht!

    Ich freue mich über weitere Berichte zu diesem Thema.

    • B
      Bawü
      @wann kommt die professionelle interkulturelle öffnung der schulen?:

      ... problematisch ist (und da ist es egal, ob es sich um eine akademische oder nicht-akademische Ausbildung handelt) in Deutschland die Uneinheitlichkeit in der Lehrerausbildung. Dadurch kommt es zu einem Fehlen von professionellen Standards auf Seiten der Ausbilder. Speziell im Bereich der sogenannten zweiten Phase der Lehrerausbildung (nach dem abgeschlossenen Studium). Dort herrscht leider viel "Eigensinn" und Eigenmächtigkeit der Lehrenden und Prüfenden. Ach ja: Ich kenne diesen Bereich selber sehr gut und bin über die Geschichte dieser Frau nicht all zu überrascht... :-)