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Kommentar Ende des GefahrengebietsSieg oder Niederlage?

Jan Kahlcke
Kommentar von Jan Kahlcke

Es ist keine gute Idee, die Polizei selbst über ihre Befugnisse entscheiden zu lassen. Denn sie neigt dazu, ihre eigenen Interessen über die der Allgemeinheit zu stellen.

Gefährliches Hamburg: Vorne das Dach der Roten Flora Bild: dpa

D as größte Gefahrengebiet aller Zeiten wird als Lachnummer in Geschichte eingehen. Als die Hamburger Polizei vollmundig verkündete, sich in einem Gebiet mit der Einwohnerzahl einer mittleren Stadt „unbefristet“ Sonderbefugnisse einzuräumen, hätten selbst Optimisten nicht gedacht, dass sie nach gerade mal sechs Tagen den Schwanz einziehen würde.

Ist das nun eine schmachvolle Niederlage – respektive der strahlende Sieg, als den die radikale Linke ihn feiern wird? Die Behauptung der Polizei, das Gefahrengebiet habe seinen Zweck erfüllt, gehört jedenfalls in die Abteilung plumpe Propaganda. Es seien zuletzt weniger „potenzielle Gewalttäter angetroffen“ und gefährliche Gegenstände sichergestellt worden, heißt es da. Um dieser Darstellung zu folgen, muss man schon sehr auf die seherischen Qualitäten der Beamten vertrauen – und sich ihrer Einschätzung anschließen, wonach Klobürsten gefährlich sind.

Tatsächlich sind seit Ausrufung des Gefahrengebiets die Proteste nicht abgerissen. Immer wieder kam es dabei auch zu kleineren Scharmützeln. Polizei und Anwohner sind einander ein paar Tage lang gehörig auf die Nerven gegangen. Der einzige „Erfolg“ der Polizei ist, dass sie Ausschreitungen im Zaum gehalten hat – die es ohne sie nicht gegeben hätte.

Warum das Gefahrengebiet dann auf drei Gefahren-Inselchen eingedampft wird? Die Polizei hat sich in mehrerlei Hinsicht verhoben: Wohl kaum jemand hat darunter so sehr gelitten wie die Beamten selbst. Sie haben in der vergangenen Woche wieder einmal tausende Überstunden angehäuft. Das wäre wohl kaum wesentlich länger durchzuhalten gewesen. Und dann beginnt auch noch die Wirtschaft zu murren: Der Hotel- und Gaststättenverband witterte Stornierungen, die USA warnen – Schlagzeilen, die man sich im Rathaus nicht so wünscht.

600 Radler

Eine Gruppe von bis zu 600 Menschen ist am Donnerstagabend durch Teile des ehemaligen Gefahrengebietes im Hamburger Stadtteil St. Pauli geradelt. Laut Polizei fuhr die Gruppe rund eine halbe Stunde lang durch das Viertel. Die Aktion richtete sich möglicherweise gegen das Gefahrengebiet, das von Samstag bis Donnerstag in Teilen der Stadtgebiete St. Pauli, Altona und Sternschanze eingerichtet worden war, vermutete ein Polizeisprecher. Die Aktion sei friedlich geblieben, auch abseits davon habe es in der Nacht zum Freitag keine besonderen Vorkommnisse gegeben.

Nicht zuletzt geriet auch die Innenbehörde in die Defensive, was die Begründung angeht: Seit die Polizei ihre Darstellung des Angriffs auf die Davidwache in zentralen Punkten revidieren musste, steht sie im Verdacht, die Fakten aus taktischen Gründen frisiert zu haben. Bislang hat sie noch nicht einen einzigen Beweis dafür gebracht, dass ein konzertierter Angriff auf die Wache überhaupt stattgefunden hat. Daran zweifelt inzwischen sogar die bürgerliche Presse.

Wenn das Sechs-Tage-Gefahrengebiet etwas beweist, dann, dass es keine gute Idee ist, die Polizei über ihre eigenen Befugnisse entscheiden zu lassen: Sie neigt dazu, ihre eigenen Interessen über die der Stadt zu stellen. Das ist eine Fehlkonstruktion im Hamburger Polizeigesetz. Sie gehört dringend korrigiert. Ein guter Prüfstein für Koalitionsverhandlungen nach der nächsten Wahl.

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Jan Kahlcke
Redaktionsleiter
Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück
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21 Kommentare

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  • F
    Fritz

    Die Masse der Bevölkerung soll doch zumindest virtuell wieder langsam daran gewöhnt werden, dass Menschenrechte verachtungswürdige Sozialromantik darstellen und Bürgerrechte ohne große Probleme ignoriert werden können – zugunsten eines höheren Ideals: der Sicherheit einer selbsternannten Elite, die sich doch nur selbst als Herrschaft des Volkes wähnt.

  • G
    Gast

    Kleine Korrektur der Polizeimeldung - wir sind 2,5 Stunden mit dem Rad unterwegs gewesen. Und das nicht nur in St.Pauli, von Rathausmarkt bis Ottensen waren wir überall. Dem hat man seitens der Polizei auch über den vollen Zeitraum Aufmerksamkeit geschenkt. Redet man das klein um zu verbergen dass sie nicht wussten was sie tun sollen??

  • M
    M.M.

    Korrektur: Es wurde nicht nur eine halbe Stunde geradelt sondern ganze 2 Stunden! Wohlbemerkt obwohl die Polizei versucht hat die Demo durch Blockaden zu stoppen. Die Demo war friedlich und äußerst Erfolgreich. Gegen Gefahrengebiete, Gegen Polizeistaat und gegen Polizeigewalt --> Für die Kennzeichnungspflicht der Beamten,für eine Novellierung des Polizeigesetzes und eine externe, unabhängige Kontrollinstitution der Polizei.

  • "...keine gute Idee ..., die Polizei über ihre eigenen Befugnisse entscheiden zu lassen". Aha, und wer soll über die Eingriffsbefugnisse der Polizei entscheiden? Soll die Polizei jedes Mal den Innenminister anrufen und fragen, ob sie verdächtige Personen kontrollieren dürfe? Oder noch besser, auf einen Beschluss der Bürgerschaft warten? Klar kann es auch Fehlentscheidungen geben, aber eine "Gefahrenzone" stellt für sich genommen keinen besonders großen Eingriff in die Bürgerrechte dar und betrifft nur die Menschen, die sich tatsächlich was zu Schulden kommen lassen. Ich wurde jedenfalls nur ein einziges Mal kontrolliert, obwohl ich mich allabendlich in der Schanze aufhalte. Ich empfand es nicht als Problem, einem Polizisten meinen Perso zu zeigen, nachdem er mich höflich darum bat und den Grund dafür erklärte. Ich sage nur: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.

    • M
      Max
      @Pablito:

      Ich sehe schon, mit demokratischen Grundprinzipien hat es da jemand nicht so.

      Polizei = Exekutive = AUSFÜHRENDE

       

      Das bedeutet keine Entscheidungsgewalt, keine politische Instanz, sondern ausführendes Organ

    • @Pablito:

      Schon mal was von Gewaltenteilung gehört?

  • Hamburg war und ist nicht gefährlich und die überwiegende Mehrheit der Demonstranten ist es auch nicht - Ausnahmen bestätigen hier nur die Regel. Altona liegt zentral und ist sehr gut erreichbar, deshalb finden dort mehr Demonstrationen statt als im Rest der Stadt. Ein weiterer Grund dafür besteht darin, dass Altona auch der Teil Hamburgs ist, der dereinst den Ruf der Stadt als weltoffenes, tolerantes Tor zur Welt begründet hat. Vom Rest der Stadt kann man das nämlich so eher nicht behaupten. Was hier sehr gefährlich ist, das sind selten dämliche, austauschbare Politiker, die sich gern wie Gutsherren aufführen, eine selbstverliebte Polizeiführung, die am liebsten nach Gemütslage entscheiden möchte und eine Presse, für die Kritik und Recherche schlimme, geschäftsschädigende Fremdworte sind und die deshalb lieber öde Hofberichterstattung macht, diffuse Stimmungen und Vorurteile befördert und gern auch mal gezielte Falschmeldungen raushaut, wenn's der Auflage dienlich sein könnte.

    Wer von einem Umsturz auf den Straßen Hamburgs träumt, der wacht wahrscheinlich in diesem Leben nicht mehr auf. Für sowas braucht man einen kühlen Kopf, klar definierte Ziele, eine gute Strategie, eine zuverlässige Erfolgskontrolle und nicht zuletzt eine ausreichende Unterstützung aus allen Teilen der Bevölkerung.

  • U
    uiuiuitiffy

    bitte richtig informieren bevor sie einfach wild drauf losschreiben... woher weißt du denn das jegliche taten von linksradikalen begangen wurden?

  • G
    Gast

    Ein Sieg für alle Hamburger wäre das Ende von vermummter Gewalt. Schaden tut sie hauptsächlich Kleinunternehmern, die nicht wissen wie sie kaputte Scheiben, verbrannte Autos usw finanzieren sollen.

    • U
      uiuiuitiffy
      @Gast:

      sind denn scheiben von kleinunternehmen kaputt gegangen? das ist eine ernsthafte frage, weil ich davon nichts gelesen habe...

  • IW
    Immer wieder

    Sehr schöner Tiefschlag gegen die SPD im letzten Satz, der impliziert, dass die SPD nach der nächsten Senatswahl nicht wieder die absolute Mehrheit erringen wird und sich in Koalitionsverhandlungen begeben muss.

     

    Wer hat uns verraten? - Sozialdemokraten!

  • D
    Darja

    Also die Einrichtung von Gefahrengebieten fande ich richtig. Auch in meinem Bekanntenkreis habe ich nur Zustimmung dazu gehört. Ich wurde einmal kontrolliert, hat mich nicht gestört.

    • U
      uiuiuitiffy
      @Darja:

      um ein gefahrengebiet einzurichten, sollte doch auch eine gefahr existieren... bisher konnte sie nicht nachgewiesen werden und wurde scheinbar bewusst herbeiphantasiert.

  • U
    Unbequemer

    Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Taz sympathisiert mit gewalttätigen/kriminellen Linksradikalen. Ob der Angriff nun "konzentriert" oder weniger konzentriert war, ob er an der Polizeiwache erfolgte, oder 200m weg. Das ist purstes Gesundbeten der eigenen Lieblinge der Gewalt. Was für endzeitliche Forderungen könnte man lesen, wären die Gewalttäter "rechts" gewesen. Die Taz ist und bleibt ein Blatt für Sympathisanten und Aktivisten linker Gewalt mit verschrobener Sicht.

    • @Unbequemer:

      Ähm... Ja, nee, schon klar

      Soviel zu verschrobener Sicht

    • V
      Verständnisloser
      @Unbequemer:

      Ja und Mopo, Bild und Abendblatt sind neutral oder was? Nein die sympathisieren lieber mit dem radikalen "Freund und Helfer". Finde es schon irrwitzig, dass eine Zeitung, die mal kritisch hinterfragt und nicht einfach unreflektiert reproduziert dann direkt als Sympathisant von Linksradikalen dargestellt wird. Bist wohl schon dein Leben lang an BILDMeinung gewöhnt, so dass es dir schwer fällt mal deine Strukturen zu durchbrechen und zu hinterfragen. Wenn man selbst nicht dabei war ist es schwierig sich ne Meinung zu bilden!

  • J
    joe

    Wieso warten bis nach der nächsten Wahl??? Die SPD-HH muss jetzt die Kurve kriegen und aufhören, die CDU und Schill kopieren zu wollen - ansonsten gewinnt das nächste mal wieder das Original statt der Kopie.

    • @joe:

      Für mich gibt es da eh nur einen verschwindend geringen Unterschied.

      Naja gut, die Buchstaben...

      ...aber sonst ?

      Etwas politisch linkes wäre doch mal ne Abwechslung? ;)

  • Und genau jetzt gerade wieder eine Fahrradkolonne und Polizeisirenen...

    Von mir aus könnte das Spielchen noch ein Paar Tage weitergehen. Solange bis die Polizei richtig in den Seilen hängt und das nicht so schnell wieder vergisst.

    • VS
      viel spaß!
      @T. Gas Yrrag:

      Da wär ich auch gern dabei gewesen:) Critical mass Touren machen immer wieder richtig Spaß. Hamurg hat wohl die europaweit größte kritische Masse. Eine gute Idee diese jetzt öfter durch die Gefahrengebiete zu radeln. Weitere Infos: http://criticalmass-hh.de/

      • F
        Fahrradfahrerin
        @viel spaß!:

        Sorry aber das hatte mit der Criticalmass nix zu tun. Und die Runde ging ca 2 Stunden Kreuz und quer.

        Nicht immer nur die Polizeimeldungen abschreiben, gell.