Theater am Bauhaus Dessau: Gesucht wird der neue Mensch
Eine gelungene Ausstellung über die Bauhausbühne bezeugt in Dessau einmal mehr die gute Arbeit des Leiters Philipp Oswalt. Trotzdem soll er gehen.
Wenn dieser Tage das Stichwort Bauhaustheater fällt, denkt man wohl zuerst an das Schauspiel „Dorgerloh gegen Oswalt“. Es ist ein machtpolitisches Drama, bei dem ein sachsen-anhaltischer Kultusminister (Stephan Dorgerloh) versucht, den Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau (Philipp Oswalt) aus dem Amt zu werfen. Im ersten Akt ist das dem Minister mit Hilfe der ihm folgenden Vertreter der Stadt Dessau und dem Bund im Stiftungsrat auch gelungen.
Die fünfjährige, Ende Februar auslaufende Amtszeit Oswalts wurde gegen alle Gepflogenheiten nicht verlängert und die Stelle neu ausgeschrieben. Der zweite Akt ist allerdings noch offen.
Denn bis auf den politisch besetzten Stiftungsrat waren sich alle einig, dass Oswalt in Dessau einen guten Job gemacht hat: der wissenschaftliche Beirat der Stiftung Bauhaus, der aus Protest geschlossen zurücktrat, die Belegschaft, die sich für ihren Direktor verwendet und schließlich die publizistische Öffentlichkeit, die Oswalt bescheinigt, das Bauhaus in Dessau zu neuem Leben erweckt zu haben.
„Bauhaus tanzen. Ein Bewegungsstück": Voraufführung 8. Februar, Bauhausbühne Dessau; 18. April, Uferstudios in Berlin; 3. Mai, Bauhausbühne Dessau
Ausstellung: Stiftung Bauhaus Dessau; bis 21. April 2014, täglich 10-17 Uhr. Katalog 36 Euro
Vielleicht bekommt die Handlung aber noch eine komische Wendung. Nämlich dann, wenn Oswalt sich selbst wieder bewerben sollte und mangels Alternative zurück ins Amt gewählt wird. Einen ähnlichen Fall gab es bei der Klassik Stiftung in Weimar in Person des Präsidenten Hellmut Th. Seemann. Ob Oswalt sich wieder bewirbt, darüber schweigt er sich aus. Die Bewerbungsfrist endet am 31.Januar.
Experimentierfeld Bühne
Derweil kann man sich am Dessauer Bauhaus mit älteren Darbietungen der Bauhausbühne beschäftigen. Die Ausstellung „mensch raum maschine“ thematisiert Bühnenexperimente aus den 1920er Jahren. Zentrale Figur ist der Bauhausmeister Oskar Schlemmer, der die Bauhausbühne von 1923 bis 1929 leitete und als Experimentierfeld ansah. Gegeben wurde der neue Mensch.
Seltsamerweise gerieten Schlemmers Bühnenstücke dabei ziemlich abstrakt und mechanisch. In seinem „Triadischen Ballett“ ließ er die Spieler in grotesken Puppenkostümen auftreten, die den Bewegungsspielraum extrem einengen – mehr als Stehen, Gehen und die Arme heben war da kaum möglich. In Schlemmers „Stäbetanz“ hatten die schwarz vermummten Schauspieler überdimensionale Latten an den Gliedmaßen, die gleichsam abstrakte Konstellationen in den Raum zeichneten.
Einheit von Kunst und Technik
Von Dramatik im klassischen Sinne konnte auf der Bauhausbühne also keine Rede mehr sein. Vielmehr hat Schlemmer die Schemata der klassischen Proportionslehre aus seinem anatomischen Zeichenunterricht einfach mit einem Motto des Bauhausdirektors Walter Gropius gekreuzt: „Kunst und Technik – eine neue Einheit“. Ins Dreidimensionale weitergetrieben sieht das Ergebnis aus, als wäre das schematische Idealbild des Menschen auf eine präzise und ermüdungsfreie Maschine übergegangen.
Nicht umsonst beginnt die Ausstellung mit einem „Prolog“ zur entfesselten Technik im Maschinenzeitalter, bestückt mit Schnipseln aus Filmen wie „Metropolis“ und der Fotocollage „Berlin“ von Bauhausmeister László Moholy-Nagy: Der Mensch taucht da bestenfalls nur noch als Teil der Masse auf.
Vision „Totaltheater“
Walter Gropius sollte 1926 selbst ein „Totaltheater“ entwerfen, auf dessen drehbarer Bühne nicht nur für die Massen gespielt, sondern auch mit der Masse hätte agiert werden können. Ein Modell dieses nicht realisierten Entwurfs steht in der Ausstellung, die im übrigen mit Skizzen, Filmen, Zeichnungen und Fotografien von über 70 Künstlern aufwartet. Neben historischen Beiträgen gibt es zeitgenössische Umsetzungen, die die Themen der Bauhausbühne neu interpretieren. Dazu gehören etwa auch Rekonstruktionen der Schlemmer’schen Figurinen von der Universität São Paulo.
Dass sich der Gestaltungswillen des historischen Bauhauses auch auf die Bühne richtete, liegt an der Nähe der Bühne zum „Bau“, der das erklärte Ziel aller Tätigkeit am Bauhaus war. Die Bühne schien prädestiniert, den modernistischen Impetus, buchstäblich alles neu zu machen – „vom Teelöffel bis zur Stadtplanung“ –, schon mal in nuce vorwegzunehmen. Das hieß: zu experimentieren.
Tatsächlich muten diese Versuche wie Grundlagenforschung an. Es wurde reduziert, isoliert und abstrahiert. Die völlige Abwesenheit von Wortkünstlern am Bauhaus, etwa Dramatikern, führte dazu, dass man sich auf bildnerische Elemente des Schauspiels wie Farbe oder Bewegung konzentrierte. Die Dessauer Ausstellung zeigt etwa einen Apparat für „Reflektorische Lichtspiele“, ein hölzerner Kasten mit verstellbarem Gestänge, der farbige Lichtformen projizieren konnte und wechselnde abstrakte Bilder erzeugte.
Dass solche mehr forschenden Darbietungen beim Publikum ein Flop werden konnten, scheint Schlemmer wohl selbst geahnt haben: „Es ist nicht zuletzt die Frage, inwieweit der technische Aufwand dem erzielten Effekt entspricht, nämlich wie lange das rotierende, schwingende, sausende Spielwerk, einschließlich aller Variationen der Formen, der Farben und des Lichts, zu interessieren vermag.“ Ob solch abstrakte Bühnenspektakel, ohne sichtbare Menschen, ohne Worte und ohne Handlung heute noch etwas zu sagen haben, wird man demnächst in der Neuinterpretation der Bauhaustänze in Berlin und Dessau selbst beurteilen können.
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