piwik no script img

Konjunktur in der EurozoneDer Patient zuckt wieder

Die Konjunktur soll in diesem Jahr wieder etwas in Schwung kommen. Doch die Arbeitslosigkeit bleibt weiterhin auf Rekordniveau.

Hier soll Wachstum herkommen: aus dem Hafen von Rotterdam. Bild: reuters

BRÜSSEL taz | Keine neue Krise, aber wirklich besser wird es auch nicht: So lässt sich die Konjunkturprognose der EU-Kommission für 2014 zusammenfassen. Zwar soll die Eurozone etwas schneller wachsen: EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn schraubte seine Prognose gegenüber Herbst 2013 leicht von 1,1 auf 1,2 Prozent hoch. Das reicht aber nicht, um die Rekordarbeitslosigkeit spürbar abzubauen. Die Quote sinkt nur minimal von 12,1 auf 12,0 Prozent.

Immerhin soll es keinen neuen Krisenschub geben. Das Risiko, dass die Währungsunion wegen der umstrittenen Austeritätspolitik in die Deflation – sinkende Preise und damit eine neue Krise – abrutscht, sei „äußerst gering“, so die Kommission. Sogar das krisengebeutelte Griechenland soll aus dem Gröbsten raus sein und wieder wachsen – um 0,6 Prozent. Für 2015 erwartet die Kommission sogar ein Plus von 2,9 Prozent.

Allerdings hat die Brüsseler Behörde weder die Europawahl noch die Stresstests für die Banken auf dem Zettel. Wenn im Herbst die Ergebnisse der Stresstests und möglicherweise neue Milliardenlöcher in den Bankbilanzen bekannt werden, könnte das zu neuen Schocks an den Märkten führen, fürchten Experten. Auch ein Vormarsch der Populisten und Nationalisten bei der Europawahl im Mai könnte für neue Turbulenzen sorgen.

Doch Rehn lässt politische, soziale und finanzielle Risiken außen vor. Er geht einfach davon aus, dass der eingeschlagene Kurs neoliberaler Reformen fortgesetzt wird – auch nach der Europawahl. Dann wird alles gut, so der finnische Liberale.

Lob sprach Rehn vor allem dem neuen italienischen Premier Matteo Renzi aus, der ein liberales Schockprogramm für sein Land versprochen hat. Auch Portugal wurde lobend erwähnt, schließlich soll das ärmste Land Westeuropas im Sommer den Eurorettungsschirm verlassen.

Auf Ärger muss sich hingegen Frankreich einstellen. Das Haushaltsdefizit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone wird sich laut EU-Kommission in diesem und dem kommenden Jahr auf 4,0 Prozent beziehungsweise 3,9 Prozent der Wirtschaftsleistung verschlechtern. Damit liegt Paris weiter deutlich über dem EU-Grenzwert von 3,0 Prozent. Auch das Wachstum bleibt wohl weiter schwach.

Ganz anders in Deutschland: Europas größte Volkswirtschaft soll mit 1,8 und im kommenden Jahr 2,0 Prozent überdurchschnittlich kräftig zulegen. Die Neuverschuldung bereitet auch keine Sorgen, nachdem das Statistische Bundesamt gestern seine Schätzung für 2014 korrigierte und einen ausgeglichenen Haushalt meldete.

Wie die EU für nachhaltiges Wachstum sorgen will, ließ Rehn unbeantwortet. Gerade die wirtschaftlich schwächsten Staaten hätten ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessert, was die Exporte anschiebe, erklärte er. Doch die Binnennachfrage hinkt hinterher. Erst wenn die Arbeitslosigkeit sinkt, dürfte sich das ändern. So lange ist der Aufschwung in Europa vom Export abhängig – also vom Rest der Welt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • S
    Stephan

    Was ist denn nun mit der Alternative zur Messlate 'Wirtschaftswachtum'? Ich gebe ja gerne mein ganze Geld aus in der EU. Aber nicht für Ware, für die ich mittels immer sinnloserer Werbung regelrecht gezwungen werde, sie zu kaufen. Ich brauche keinen Scheiß! Für qualitativ gute, langlebige, reparierfähige und ökologisch vertretbare Sachen gebe ich gerne überdurchschnittlich viel Geld aus. Nach diesen Sachen und auch Dienstleistungen muss man lange suchen... und endet manchmal wieder bei einem Hersteller, der sich für ein solches Verhalten wieder mit mehr Gewinnmarge entlohnen lassen will (Ökobonus, 'Nachhaltigkeits'-Mode u.ä.)

    • @Stephan:

      Es gibt den Human Development Index pro Kopf, der nicht nur Einkommen sondern auch Lebenserwartung und Bildung berücksichtigt. Mit mehr Bildung tendenziell auch mehr Verständnis für Qualität, behaupte ich mal.