Studie zur Stressbelastung von Eltern: Die Depression nach dem Karriereknick
Laut DAK-Gesundheitsbericht meistern Hamburger Eltern Stress gut. Gesundheitliche Folgen hat die Doppelbelastung von Beruf und Familie jedoch langfristig.
HAMBURG taz | Das Ergebnis lässt aufhorchen: Berufstätige Eltern leiden nicht mehr unter Stress als erwerbstätige Kinderlose und sie sind zudem eine der gesündesten Gruppen der Gesellschaft. Das zeigt der aktuelle Gesundheitsreport der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK), deren bundesweite und speziell Hamburger Erhebungen diesmal vor allem die 25–39-Jährigen in den Fokus nehmen. „Die Menschen in der Rushhour des Lebens, wo sich die Ansprüche aus Familie und Beruf ballen, haben eine gute Work-Life-Balance“, verpackt die Hamburger DAK-Landeschefin Regina Schulz die Botschaft des Reports in Anglizismen.
Ohnehin sind die 25- bis 39-Jährigen nicht nur seltener krankgeschrieben als ihre älteren, sondern auch als ihre jüngeren Kollegen, die vor allem die typisch winterlichen Atemwegserkrankungen leichter mal umwerfen. Zwar weist der vom Berliner IGES-Institut erarbeitete Report nicht aus, ob Eltern oder Kinderlose in diesem Alter seltener krank werden, doch die Elterngruppe fühlt sich überraschenderweise seltener überfordert. „Kinder und Karriere führt nicht zu mehr Stressbelastung“, lautet eines der zentralen Ergebnisse der Studie.
So hat im Hamburger Vergleich die Gruppe der Eltern weit öfter das Gefühl eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatleben gefunden zu haben als die Gruppe der Kinderlosen und glaubt auch seltener, die Partnerschaft zu vernachlässigen. Nur die Zeit für sich selbst, für ausreichend Schlaf und sportliche Aktivitäten bleibt bei den Hamburger Eltern öfter mal auf der Strecke. Unterlassungssünden, die erst langfristig auf die Gesundheit schlagen.
Voll im Funktionsmodus ist die Rushhour-Generation laut DRK-Report zwar erstaunlich robust im Umgang mit Krankheit und Stress, nicht aber zufrieden mit den Bedingungen, unter denen ihnen der Spagat zwischen Karriere und Kindererziehung gelingt. Die Wunschliste an die Arbeitgeber ist lang: Bessere Teil- und Gleitzeitangebote stehen ganz vorne, aber auch Kinderbetreuungsangebote am Arbeitsplatz stehen weit oben.
Doch während es an betrieblichen Betreuungsangeboten mangelt, hat Stundenreduzierung im Job noch immer eine Bremswirkung auf das weitere Fortkommen. „Teilzeit heißt nach wie vor Karrieresackgasse“, weiß Volker Braisch von der „Väter GmbH“, einer Hamburger Unternehmensberatung, die sich auf das Thema familienfreundliche Arbeitsstrukturen aus Vätersicht spezialisiert hat: „Es gibt keine Karriere in Teilzeit.“ Laut der DAK-Befragung sehen auch mehr als die Hälfte der Hamburger Mütter und jeder vierte Vater ihr berufliches Fortkommen durch die eigenen Kinder entscheidend gehemmt.
Schwierig: Der Wiedereinstieg
„Der nicht geglückte berufliche Wiedereinstieg nach der Elternzeit führt oft zu psychischen Erkrankungen“, weiß Baisch aus der eigenen Beratungstätigkeit. Und waren sind in Hamburg auch im vergangenen Jahr wieder der häufigste Grund, warum ArbeitnehmerInnen vom Arzt arbeitsunfähig geschrieben werden. Ob Depression, Angststörung oder Burnout – bundesweit verursachten nur in Hamburg seelische Leiden mehr Fehltage als etwa Rückenleiden oder Atemwegserkrankungen. „Hamburg erneut Spitzenreiter bei psychischen Leiden“, titelt deshalb die DAK-Erklärung.
3,5 Prozent der Hamburger DAK-Mitglieder waren 2012 im Schnitt krankgeschrieben, 3,7 Prozent waren es 2013. Damit stieg der Krankenstand in Hamburg leicht, lag aber immer noch unter dem Bundesschnitt: Der kletterte von 3,8 auf 4,0 Prozent.
Von den zeitweise arbeitsunfähigen Hamburgern waren 2013 19,6 Prozent wegen psychischer Erkrankungen krankgeschrieben, wegen des Muskel-Skelett-Systems waren es 18,7, wegen des Atmungssystems 17,1 Prozent.
„Eine Langzeitstudie zeigt sogar, dass die Zahl der psychischen Erkrankungen seit der Jahrhundertwende in Hamburg um knapp 60 Prozent gestiegen sind“, sagt DAK-Landeschefin Schulz: „Die hieraus resultierenden Fehltage sind ein ernsthaftes Problem in der Stadt.“
Deshalb fordert die DAK ein stärkeres „betriebliches Gesundheitsmanagement“ und einen „Kulturwandel“ in den Unternehmen. Eltern mit ihren privaten Verpflichtungen dürften nicht mehr „als Störenfriede“ im Arbeitsprozess wahrgenommen werden. Stattdessen müssten sich Arbeitsalltag und Aufstiegschancen endlich stärker nach ihren Bedürfnissen richten.
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