Kolumne Konservativ: Sex um des lieben Friedens willen
Konservative daten immerzu Konservative, Progressive Progressive. Dabei müssen wir, um die Welt zu retten, mit Leuten schlafen, die wir nicht mögen.
S chlafen Sie doch mal mit einem Konservativen. Falls Sie sich selbst als konservativ verstehen, dann bandeln Sie bitte mit einem Progressiven oder Linken an. Danke, ganz lieb. Sie dienen damit dem Weltfrieden.
Diesen robusten Einstieg kann ich erklären. Politologen der Universität Miami haben im vergangenen Jahr fast 3.000 Profile Heterosexueller auf amerikanischen Dating-Seiten untersucht. Sie wollten herausfinden: Beeinflusst das politische Selbstverständnis der Suchenden ihre Partnerwahl?
Bereits in einer früheren Studie 2011 wollen die Forscher Erstaunliches herausgefunden haben: Für Frauen auf Partnersuche sei es wichtiger als für Männer, ob der potenzielle Partner raucht, welche Figur er hat und welcher Ethnie er angehört. Insbesondere männliche „liberals“, also Progressive, maßen der Figur einer Frau weniger Gewicht bei.
Daraus lassen sich mehrere Schlüsse folgern: Frauen sind ein klitzekleines Bisschen rassistischer als Männer. Und Progressive, die auf Moppelige stehen, drücken bei schlanken Frauen auch mal ein Auge zu.
Für die neue Studie haben sich 3.000 Suchende politisch selbst eingeordnet: unter anderem als „very liberal (1,6 Prozent) und „liberal“ (8,8 Prozent). Im Deutschen kommen dem die Worte „progressiv“ oder „linksliberal“ am nächsten. Mehr als die Hälfte definierte sich als „middle of the road“. Als „conservative“ bezeichneten sich 15,5 Prozent, als „ultra conservative“ 1,5 Prozent.
Die Politologen haben untersucht, wer wessen Profil anklickt. Im Magazin Political Behavior kommen sie zum Ergebnis: „Progressive wie Konservative suchen in überwältigendem Maße Partner, die ihnen in den allermeisten Eigenschaften ähneln.“ Konservative landeten bei Konservativen, Progressive bei Progressiven.
Das bereitet den US-Politologen Sorgen. Schon heute bekämpfen sich Demokraten und Republikaner bis zur Handlungsunfähigkeit. Wenn nun über Generationen immerzu politisch ähnlich Denkende zueinanderfinden, führe das zu einer „immer stärkeren politischen Polarisierung“.
Deshalb müssen Sie mit politischen Kontrahenten schlafen. Um des Friedens Willen. Nur: Wie finden Sie heraus, mit wem Sie Sex haben müssen? Deutsche verorten sich ja gern in der vage definierten „Mitte“. Die „Mitte“ ist das deutsche „middle of the road“. Findet denn niemand, dass, wer mitten auf der Mitte der Straße fährt, alle anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet?
So gesehen, sind stumpf baggernde Männer Boten des Friedens. Wenn sie Frauen ansprechen, ignorieren sie Charakter, Vorlieben und Worte ihres Gegenübers. Aus einem Freund von mir sprach große Weisheit, als er sich eines Kneipenabends von mir verabschiedete, um in einem Club Frauen anzuquatschen. Er sagte: „Es muss auch ohne Sympathie gehen.“ Für sein zivilgesellschaftliches Engagement gebührt ihm Dank.
Sehen Sie daher mangelnde Anziehung oder Sympathie fürs Gegenüber positiv. Gegenseitige Abneigung trägt zum gesellschaftlichen Frieden bei, wenn sie nicht nur am Ende einer Beziehung steht. Sondern auch am Beginn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Wirtschaft im Wahlkampf
Friedrich Merz und die Quadratur des Kuchens
Ministerpräsidentenwahl in Sachsen
Der Kemmerich-Effekt als Risiko