piwik no script img

Berliner SzenenKeine Mark mehr

Vor dem Theater steht ein neues Haus und auch sonst ist alles verrückt. Manche sind im falschen Theater, manche wollen ihr Rückgeld in Mark.

Das Foto undatiert, die Brille könnte von heute sein: Brecht. Bild: dpa

A ls wir zum Berliner Ensemble laufen, steht da plötzlich dieses Gebäude, das aussieht wie ein Stück Kreuzfahrtschiff. Superhässlich. „Was war denn da vorher?“, fragt S. „Weiß nicht“, sage ich, „Platz?“ Ich weiß es wirklich nicht. ’ne Baustelle war da, ganz lange. Und vorher? Luft oder so.

Während wir an der Theaterkasse warten, sagt S.: „Das Stück ist übrigens von dem gleichen Typen, der auch ’Peter Pan‘ gemacht hat.“ „Sicher?“, frage ich. „Dachte, die Dreigroschenoper ist von Brecht. Ziemlich sicher eigentlich.“ S. guckt böse. „Der Regisseur“, sagt er, wobei er eher „Reschissöhööör“ sagt. „Ach der“, sage ich, „toll. Vielleicht schlafe ich wieder ein.“

Wobei ich bei „Peter Pan“ vielleicht gar nicht wegen Robert Wilson eingeschlafen bin, sondern weil das der Abend nach dem Abend war, an dem ich das erste Mal gekokst habe. Meine Kollegin J. hatte die tolle Idee gehabt, mir zum Geburtstag Koks zu schenken, und ich hatte die tolle Idee gehabt, es gleich auszuprobieren. Was ich davon hatte, war eine Nacht Zittern und Zähneklappern.

Ein älteres Paar geht durchs Foyer, beide am Stock. „Wir müssen zum Seitenparkett, wo ist das?“, fragt die ältere Frau die Frau vom T-Shirt-Stand. „Oh“, sagt die, „das haben wir eigentlich gar nicht. Zeigen Sie mal. Oh. Ja. Also, Sie sind im falschen Theater.“ „Na so was“, sagt die ältere Frau, „wo müssen wir denn hin?“ „Sie müssen zum Friedrichstadtpalast“, sagt die jüngere.

Wir gehen nochmal raus, wollen einmal um den Block und landen in der Buchhandlung, wo alles die Hälfte kostet. Wir gucken Bücher, ein älterer Mann bezahlt gerade. „Sagen Sie“, fragt er den Verkäufer, „können Sie mir das in Zweimarkstücken geben? Mein Sohn sammelt.“ „Na ja“, sagt der Verkäufer, Mark hab ich nicht mehr.“ „Nee!“, ruft der Mann, „ach. Euro!“ Der Verkäufer gibt ihm Münzen raus. „Toll“, sagt der Mann, „hier, ein Franzose!“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Margarete Stokowski
Autorin
Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Die Brille auf dem Brecht-Foto hat mehr Style als die meisten Brillen heute und man sieht gleich,- der Mann hatte den Durchblick.

    Wenn Sie gern mit Drogen experimentieren, empfehle ich Ihnen die völlige Nüchternheit - nichts haut mehr rein.