Streit um den Straßen-Soli: Albig, das PR-Schlitzohr
Nach zwei Jahren im Amt will Torsten Albig nicht mehr Regierungschef in Kiel sein. Deshalb jetzt der Tumult um die Autofahrerabgabe.
B ERLIN taz Der Parteichef in China, der Ressortchef im Urlaub, die Straßen urlauberpickepackevoll – gab es einen besseren Zeitpunkt für Torsten Albig? Dem Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein ist Kiel nach nicht mal zwei Jahren im Amt zu piefig geworden.
Albig will zurück nach Berlin. Hier hat er als Sprecher von Exfinanzminister Peer Steinbrück gelernt, wie PR läuft: Eine politische Idee kann noch so bescheuert sein, man muss nur das richtige Wann finden, um eine „Debatte“ zu entfachen. Manchmal hilft das Sommerloch, auch Ostern kann dem Bekannterwerden nützen.
Albig weiß, dass selbst die eigene Partei den 100 Euro schweren Schlagloch-Soli für Autofahrer für völlig banane hält – es gibt dafür keine Grundlage im großkoalitionären Denken oder im Koalitionsvertrag, dem Regierungsplan bis 2017. Ähnlich wie SPD-Familienministerin Manuela Schwesig mit ihrem Vorschlag zur 32-Stunden-Woche für junge Eltern macht Albig aber auf einen Systemfehler aufmerksam.
Bei Schwesig sind es überlastete Mamas und Papas, bei Albig unreparierte Brücken und Autobahnen, ein Milliardenloch im Infrastrukturwesen. Kluge Vorschläge wären etwa eine entfernungsabhängige Maut auch für Kleinlastwagen auf allen Straßen wie in der Schweiz – sie verpesten die Luft richtig – oder gar Geld für die Stilllegung von Straßen gewesen – der Trend geht ja mittelfristig weg vom Individualverkehr, nicht hin.
Albig wählte lieber die Provokation statt realem Handeln, plädierte für Unbehagen und Aufmerksamkeit in den Köpfen von Millionen Autofahrern. Die nächste Osterlochdebatte läuft bereits: Was tun mit den vielen Steuermilliarden? Die „kalte Progression“ eindämmen? Logisch auch hier: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wird alle Vorstöße einkassieren. Das sorgt auch jedes Mal für etwas Wirbel.
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