Mikroplastik im Bier: Potenziell tödliche Fasern
Winzige Plastikteilchen kommen über Lebensmittel zurück zum Menschen. Das zu beenden, müsse ein Millenniumsziel sein, fordern Regierungsberater.
BERLIN taz | Plastikpartikel können Bier und Mineralwässer verunreinigen Das zeigten NDR-Recherchen erst diese Woche: Kein einziges der Getränke im Test – Mineralwässer großer Discounter sowie Pilsener und Weißbier namhafter Brauereien – war frei von Rückständen. Auch in Milch und Honig wiesen Forscher sie schon nach. Einen Grenzwert gibt es derzeit nicht.
„Mikroplastik stellt auch für Menschen eine Gefahr dar“, sagt Stephan Pflugmacher-Lima. Der Professor für Ökotoxikologie an der Technischen Universität Berlin hat in Experimenten mit Muscheln herausgefunden, dass sich Plastikfasern im Gewebe anreichern und in hoher Konzentration zum Tod führen können.
Damit wird eine Forderung besonders interessant, die der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) nun erstmals formuliert: „Die Freisetzung von Plastikabfall soll bis 2050 weltweit gestoppt werden.“ Das steht in dem Papier „Zivilisatorischer Fortschritt innerhalb planetarischer Leitplanken“, das der WBGU der Bundesregierung am Mittwoch präsentierte.
Umweltschutz gehört zur Armutsbekämpfung
Es ist ein Vorschlag, wie es mit den 2015 auslaufenden UN-Millenniumszielen weitergehen kann. Einzelne Ziele – wie die Halbierung der Zahl der absolut Armen – wurden erreicht, aber längst nicht alle. So verhandelt man derzeit, wie sie fortgeschrieben werden können. Im September 2015 soll der UN-Millenniumsgipfel in New York den Katalog verabschieden, der die internationale Entwicklungszusammenarbeit bestimmen wird.
Die Armutsbekämpfung gefährde, wer ökologische Grenzen überschreitet – warnt der WBGU. Er empfiehlt auch: „Die Erwärmung des Klimasystems sollte auf zwei Grad begrenzt werden.
Daher sollen die globalen CO2-Emissionen aus fossilen Quellen bis etwa 2070 vollständig eingestellt werden.“ Oder: „Die Produktion von Kernbrennstoffen für Kernwaffen und Kernreaktoren soll bis 2070 gestoppt werden.“ Bekannte Forderungen, aber die Idee, den Plastikmüll einzudämmen, ist noch nicht in die Debatte aufgenommen.
280 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr
„In einigen Meeresregionen sammelt sich der Plastikmüll in gewaltigen Strudeln, so im Nordostpazifik nördlich von Hawaii“, erklärt WBGU-Sprecher Benno Pilardeaux. Die Plastikproduktion habe sich seit den 1950er Jahren weltweit mehr als verhundertfacht. Heute betrage sie mehr als 280 Millionen Tonnen pro Jahr. 20 Prozent des Plastiks werde in Europa hergestellt.
Ein Teil des Kunststoffs landet in der Umwelt. Auch aus neueren Quellen: Kosmetikfirmen rühren Plastikpartikel in Peelings oder Zahnpasta. Sie sollen als Schleifmittel für eine bessere Reinigung sorgen. Aus Fleecepullovern lösen sich pro Waschgang etwa 2.000 Plastikfasern ab, die durch die Kläranlage hindurchrauschen, schätzt die Umweltorganisation WWF.
Noch sei „das völlige Ausmaß negativer Effekte nicht absehbar“, schreiben die WBGU-Experten. Doch müsse gegengesteuert werden. Das heißt: Auf Plastik verzichten, es recyceln oder biologisch abbaubare Alternativen nutzen. Das Bundesumweltministerium werde die Forderung unterstützen, sagte eine Sprecherin.
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