piwik no script img

NRW wirft seinen Nachwuchs raus

Flüchtlingskinder können noch so gut in der Schule sein: Bei der Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen wird die Integration nicht berücksichtigt. Solchen Kindern würde auch die NRW-Bleiberechtsregelung nicht helfen

+++ Familie Eke aus Marl +++ Sara (13) und Hanida (17) können kein Türkisch. Doch spätestens ab Weihnachten müssen sie es lernen – sie werden samt ihrer Mutter und zwei weiteren Geschwister in die Türkei abgeschoben. Ihre Mitschüler und Lehrer sind geschockt: „Sara und Hanida sind die besten in ihrer Klasse“, so ihr Rektor. Sara gewann die Kreismeisterschaft mit ihrem Fußball-Verein, Hanida strebt das Abitur an. Weil die fünfköpfige kurdisch-libanesische Familie bei der Einreise teilweise falsche Personalangaben machte, entzog ihr die Ausländerbehörde die Aufenthaltsberechtigung. Der Vater, der mit der Familie vor 20 Jahren einreiste, kann als einziger bleiben – weil er mit einer deutschen Frau ein Kind hat. Letzte Hoffnung ist ein Antrag an die Härtefallkommission – doch Marls Bürgermeisterin will die Entscheidung nicht abwarten.

+++ Met Iberdemaj aus Herne +++ Der in Deutschland aufgewachsene Kosovare ist am 2. Oktober „freiwillig“ ausgereist, um seiner Abschiebung zuvor zu kommen. Der 22-Jährige spricht fließend deutsch und war seit Jahren im Jugendparlament Hernes aktiv. Er hatte eine feste Zusage für eine Lehrstelle. Weder ein Antrag bei der Härtefallkommission, noch die Protestaktionen seiner MitschülerInnen und anderer BürgerInnen aus seiner Region konnten seine Abschiebung nicht verhindern.

+++ Familie Idic aus Düsseldorf +++ Noch geht Semra Idic (17) in die zwölfte Klasse eines Gymnasiums, doch das Abitur wird sie in Deutschland wohl nicht mehr machen können. Wenn sie Glück hat und die Behörden gnädig sind, darf sie mit ihrer Mutter und den drei jüngeren Geschwistern, die alle hier geboren sind, vielleicht noch bis März bleiben – aber nur wenn die Mutter in den nächsten Tagen die Zustimmung zur „freiwilligen Ausreise“ unterschreibt und mit der Rückkehrberatung des Roten Kreuzes kooperiert. Semras Vater wurde bereits Anfang November nach Belgrad abgeschoben – nach mehr als 13 Jahren in Deutschland. Die Familie ist ein Musterbeispiel für Integration: Beide Eltern haben immer gearbeitet und ihre Kinder ohne staatliche Hilfe ernährt. Bis ihnen die Düsseldorfer Ausländerbehörde Anfang 2004 die Arbeitserlaubnis entzog.

+++ Familie Isik aus Oberhausen +++ Die Mitschüler von Seda Isik (11) sind empört: „Seda gehört zu uns“, sagen sie. Mit einer Unterschriften-Aktion wollen die Fünftklässler gegen die drohende Abschiebung ihrer Freundin und deren Familie protestieren, die seit 2000 in Deutschland lebt. Das wird die Behörden kaum beeindrucken, denn Asylantrag und Folgeantrag der kurdischen Familie sind abgelehnt. Am 12. Dezember sollen die Eltern mit ihren drei Kindern in die Türkei abgeschoben werden. NAW, SUG

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen