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Momente eines historischen HalbfinalsEinsam und geschockt

Im Halbfinale spielten die Brasilianer wie von Gott verlassen. Und das schwarz-rot-goldene Publikum war vor allem eines: stumm.

„Mein Gott! Mein Gott! Warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34; Mt 27,46). Bild: ap

Nicht Neymar hat gefehlt, nicht Thiago Silva hat gefehlt, Gott hat gefehlt. Weder hatte er seine Hand im Spiel, noch hat er seinen Fuß in das Spiel der Auserwählten gesetzt. Ausgerechnet ihnen ist er nicht erschienen. Ihnen, die Gott vor, während und nach dem Spiel durch Bekreuzigen und erhobene, vorher geküsste Zeigefinger, mit Blicken zum Himmel und Händen vor den Augen aufs Heftigste beschwören. Er verweigerte ihnen seine Hilfe, wo er doch einen Stammplatz auf ihren T-Shirts, ihren Unter- und Oberarmen und ihrer Ersatzbank hat.

1:7. Das ist ein Halbfinalergebnis, an das jene Verwegenen, die das vorher tippten, selbst nicht glaubten. Und niemand, nicht das brasilianische Team, nicht die Zuschauer im Stadion und nicht die vor den Fernsehern, konnte glauben, was da mit den Brasilianern auf dem Platz passierte. Sie spielten nicht, als seien sie von Gott inspiriert und beseelt. Sie spielten wie von Gott verlassen. Die Schmerzen, die die Spieler und die Fans beim Anblick dieses 1:7 haben, müssen jene sein, die Jesus an seinem gnädigen Vater zweifeln ließen: „Mein Gott! Mein Gott! Warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34; Mt 27,46).

In diesem 1:7 lässt Gott sich nur noch lutheranisch als Deus absconditus denken, als verborgener Gott, dessen Pläne unerforschlich und mit rationalen Kategorien nicht zu fassen sind. Mit der auch schon einige hundert Jahre in der Welt seienden, Gott verteidigenden Idee des Deus absconditus werden sich die Brasilianer kaum trösten können. Auch die Frage der Theodizee, wie das Böse in die Welt kommt, wenn Gott doch voller Liebe ist, bleibt für sie ungeklärt.

Dass Gott eine Schwäche für Fußball hat, daran können die Brasilianer nur noch durch den historisch letzten theologischen Kniff in der Frage nach Gottes Gerechtigkeit festhalten: Gott ist ein Werdender. Danach hat er sich gänzlich aus dieser Welt entfernt, weil seine Allmacht den Menschen keinen Platz gelassen hat, sich zu entfalten. Gott teilt also seine Macht mit den Menschen. Und die machen dann mitunter Unglaubliches damit. Und dieses Unglaubliche hat seit Mittwochabend ein neues Synonym: 7:1. (DORIS AKRAP)

***

Keine Fachsimpelei in der U-Bahn, im Bus am Morgen danach, in der Bäckerei. Gelegentlich ein: Hast du auch gesehen? Keine gesprochene Antwort, nur ein Nicken. Nicht dieses Einandernacherzählen, die Freistöße, das Werden und Gelingen der Tore. Mehr ein gemeinsames Schweigen mit offenen Mündern.

Vor vier Jahren, in Südafrika, schwärmte man noch nach dem 4:0 gegen Argentinien, die dicke Hose Diego Maradonas auf ewig zerknittert. Es war, als habe das deutsche Publikum an Sekt geschlürft und, Selters gewohnt, ein „Lecker, lecker“ ausgebracht.

Dieses Halbfinale war ein Schock, der das Publikum stumm gemacht hat. Und sogar echtes Mitgefühl erregt hat – mit den Brasilianern. Wer wollte schon über eben Traumatisierte gewonnen haben? Die alte psychoanalytische Wahrheit, der Anblick schierer Schönheit mache nur staunen, nicht sprechen, kommt mal wieder zu sich.

Es ist, als habe das schwarz-rot-goldene Publikum, und nicht nur dieses, in den Deutschen viel mehr als fließbandkalte Dienst-nach-Vorschrift-Mentalität entdeckt. Sondern, nun ja, das Graziöse, das in jeder Kür, nicht in der Pflicht aufscheint. Worte, einige Worte. Wortlos alle, die diese Partie genießen wollten. Und konnten. (JAN FEDDERSEN)

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9 Kommentare

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  • 8G
    88862 (Profil gelöscht)

    Liebe Schreiber dieses überflüssigen Artikels,

    wenn ihr Gott kennen würdet, dann wüsstet ihr, dass ihm das Ergebnis eines Fußballspiels ziemlich egal ist. Ihm sind andere Dinge wichtig, wie z.B. Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Wenn die gläubigen Brasilianer da gerade am Lernen sind, hat die Sache ihr Gutes.

    Und wenn wir hier schon die Bibel zitieren, dann auch folgendes:

    "Ja, meine Pläne sind nicht wie eure Pläne, auch sind eure Wege nicht wie meine Wege, sagt der HERR, denn wie der Himmel hoch über der Erde ist, so sind meine Wege hoch über euren Wegen und meine Pläne hoch über euren Plänen." (Jesaja 55,8+9), und:

    "Wenn ihr mit eurem ganzem Herzen suchen werdet, werde ich mich für euch finden lassen“, spricht der HERR. (Jeremia 29,13+14)

    • @88862 (Profil gelöscht):

      OH WEH!!!!! Eine Schande ist, dass man sich im 21.Jahrhundert noch immer mit solchen ignoranten "göttlichen" Auswüchsen von Wahrheitsanspruch auseinandersetzen muss!

      Wirklich schlimm! Gibt es da nichts von "ratiopharm"?

      • 8G
        88862 (Profil gelöscht)
        @DDHecht:

        Lieber DDHECHT, im 21. Jahrhundert sollten wir gelernt haben, tolerant mit anderen Überzeugungen umzugehen. Ich möchte dich ermutigen, es einmal zu versuchen. Mit gutem Willen geht es auch ganz ohne Ratiopharm ...

    • @88862 (Profil gelöscht):

      Ich bin sehr beeindruckt, dass sie wissen ob Gott ein Fußball Fan ist oder nicht.

      Nun ist er aber ohne Zweifel allmächtig und da sie offenbar einen guten Draht nach oben haben, wäre es möglich , nur dieses eine Mal, dass er am Sonntag über seinen Schatten springt und uns einen Sieg über Argentinien beschert.

      Das würde mich und die vielen Millionen hier unten echt glücklich machen. Es ist schon so lange her, dass man sich hier mal so richtig freuen konnte, besonders sportlich.

      Es ist wichtig und so nah kommt unsere 11 dem Titel sobald nicht wieder.

      Also, halleluja DFB und Amen und so weiter.

      Bitte, bitte!!!!!

    • @88862 (Profil gelöscht):

      Ach, du kennst also Gott? Is ja irre. Und wie ist der so, also so privat? Wenn er nicht gerade wahnsinnig beschäftigt damit ist, Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit in die Welt zu tragen mein ich. Aber vielleicht solltet ihr eure privaten Plauderstunden etwas herunterfahren, denn wenn man sich so in der Welt umguckt, könnte Gott ruhig noch so ein paar Extraschichten voller Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit fahren. Und vielleicht die albernen Ausreden stecken lassen.

      • 8G
        88862 (Profil gelöscht)
        @Christian:

        Ja, ich kenne Gott, wie jeder Christ. Denn das ist der eigentliche Kern des Christseins, Gott persönlich zu kennen. Und wie Gott privat so ist? - voller Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Deswegen lohnt es sich ja, ihn zu kennen. Dass der Rest der Welt da lieber andere Wege geht, gehört zur Freiheit, die Gott den Menschen gelassen hat. Sie dürfen tun, was sie wollen ...

  • "Männer sollen weinen". Das haben die Brasilianer ihrer feministischen Mannschafts-Psychologin abgenommen.

     

    Das haben sie jetzt davon.

    • @Ruth Teibold-Wagner:

      Genau, die Brasilianer haben sieben Tore kassiert, nicht weil sie schlecht verteidigt haben, sondern weil sie zu emotional und "feministisch" waren. Weltbilder sind wohl wie Meinungen, jeder hat eins.

      • @Christian:

        Mit dem Verstand ist leider anders als mit den Weltbildern.

        Der Artikel war im Übrigen spottschlecht.