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Beschuss des Gaza-StreifensDie Medikamente werden knapp

In Gaza gehen die Vorräte an Betäubungsmitteln und Antibiotika zur Neige. Ausreisen dürfen nur Palästinenser mit doppelter Staatsbürgerschaft.

Notlage in Gaza: Schwere Verletzungen innerer Organe können hier nicht behandelt werden. Bild: reuters

JERUSALEM taz | Leere Medikamentenlager und zur Neige gehende Treibstoffvorräte drohen, den Betrieb in den ohnehin überlasteten Krankenhäusern von Gaza vollends zusammenbrechen zu lassen. „Wir verlieren jetzt schon Menschenleben“, berichtet Medhat Abbas, Generaldirektor des Gesundheitsministeriums in Gaza, auf telefonische Anfrage. Rund ein Viertel der Arzneivorräte seien schon nach der ersten Woche kriegerischer Auseinandersetzungen aufgebraucht. „Wir haben nicht genug Betäubungsmittel, es mangelt an Verbandszeug, sterilen Handschuhen und Antibiotika.“

Gay Inbar, Sprecher des israelischen Koordinators für die Palästinensergebiete, weist jede Verantwortung von sich. „Israel ist nicht die UNO,“ sagt er. „Wir liefern keine humanitären Hilfsmittel, sondern ermöglichen nur ihren Transport in den Gazastreifen.“ Für Bestellungen sei die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah verantwortlich.

Sieben Lastwagen, beladen mit Arzeimitteln und medizinischer Ausrüstung, seien am vergangenen Freitag aus dem Westjordanland geliefert worden, berichtet Inbar am Telefon, darunter 500 Blutkonserven. Mehr habe weder die Palästinensische Autonomiebehörde noch eine internationale Hilfsorganisation geschickt.

Der Vorwurf, Israel würde Lieferungen verweigern, sei unbegründet. „Es gibt nicht einen einzigen mit Hilfsmitteln beladenen Lastwagen, den wir nicht durchlassen.“ Seit Beginn der Kämpfe sind nach Angaben der Armee „4.400 Tonnen Lebensmittel, 900 Tonnen Gas und 3,2 Millionen Liter Diesel“ in den Gazastreifen transportiert worden.

Zivilisten in der Falle

Die akute Notlage macht jedoch Lieferungen nötig, die über das Normale hinausgehen. In den Krankenhäusern werde rund um die Uhr operiert, sagt Abbas. Weil es täglich nur etwa zwölf Stunden Strom gibt, müssen die Generatoren in Betrieb genommen werden, und die brauchen Treibstoff.

Ausgerechnet eine Hamas-Rakete traf Berichten des rechts-religiösen israelischen Hörfunksenders „Arutz 7“ zufolge Sonntagnacht eine Stromleitung, durch die aus Israel kommender Strom in den südlichen Gazastreifen fließt. Die Mitarbeiter des Unternehmens zeigten „wenig Eile“, die Leitungen wieder zu reparieren, heißt es. Regierungschef Benjamin Netanjahu habe die Firma angehalten, niemanden wegen der Reparaturen in Gefahr zu bringen.

„Unsere Situation war schon vor den Luftangriffen miserabel“, sagt Abbas. Die Ärzte seien dazu gezwungen, die eingelieferten Fälle „nach Dringlichkeit zu selektieren“. Schwere Verletzungen innerer Organe können im Gazastreifen nicht behandelt werden.

Elf Personen wurden deshalb zur Behandlung nach Ägypten gebracht. Für die Öffnung des Grenzübergangs in Rafah seien langwierige bürokratische Prozesse nötig, sagt Abbas und meint, dass „die Grenze eigentlich die ganze Zeit über offenbleiben müsste“.

Ähnlich wie im Krieg vor fünf Jahren sitzt die zivile Bevölkerung regelrecht in der Falle. Israel ließ Anfang der Woche nur einige hundert Palästinenser mit doppelter Staatsbürgerschaft ausreisen. „Die Blockade erstickt die Menschen im Gazastreifen“, sagt Ashraf Abushaban vor Reportern am Allenby-Übergang Richtung Jordanien. Für ihn sei es eine „sehr schwierige Entscheidung gewesen, wegzugehen, denn er habe seine Mutter zurücklassen müssen. „Wenn man in einem Gefängnis lebt, wird man wütend und nervös,“ zitiert ihn die Zeitung Haaretz.

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32 Kommentare

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  • Ihnen fehlen anscheinend die Basisinformationen, dass Hamas Medikamente konfiziert, damit sie nicht die Zivilbevölkerung erreichen.

    Das grösste Kapital, das Hamas an Propaganda- Ware anzubieten hat, sind seine unterdrückten Menschen in Gaza.

    Umso mehr Leid, umso höher der Druck auf Israel

  • Wo lebt man hier, auf Mars? Medikamente sind in Gaza seit Jahren knapp und die Menschen sterben an Krebs, da die israelische Uran-Waffen und Phosphor das Land verseucht haben.

    mundderwahrheit

  • Ich plädiere dafür, dass eine UN-Truppe in Gaza einmarschiert, um die Bewohner Gazas und Israel vor der Hamas zu schützen.

    • @Soquette:

      Abbas hatte die bessere idee: UN-schutztruppen, um die palästinenserinnen vor Israel zu schützen.

      die bräuchten allerdings ein sehr robustes mandat....

      • @christine rölke-sommer:

        Die UN soll der Hamas helfen?

        • @Soquette:

          lesen!

          "UN-schutztruppen, um die palästinenserinnen vor Israel zu schützen."

  • Man sieht, das mit der Zwei-Staaten-Lösung funzt nicht.

    Die palästinensische Autonomiebehörde ist nicht in der Lage ausreichend Medikamente bereit zu halten bei einer Isolation, die angesichts der Bombadierungen Israels durch die Hamas jederzeit einsetzen kann. Es wird klar gesagt, dass schon vorher nicht ausreichend Medikamente da waren. Dafür Raketen.

     

    Israel sollte eher versuchen, sich mit den neuen Machthabern in Ägypten zu einigen, wer die Schutzfunktionen für die Bevölkerungen im Gaza-Streifen wo übernimmt. Die palästinensische Autonomiebehörde ist gescheitert.

    • @Age Krüger:

      isolation?

      das nennt sich belagerung, und zwar zu lande, zu wasser und aus der luft und verbunden mit permanenten angriffen auf spielende kinder, fischende fischer, irgendwelche verdächtigen menschen und alle, die zufällig grad danebenstehen.

      was krankenhäuser da betreiben, das nennt sich kriegsmedizin. kriegsmedizin unter belagerung ist nicht planbar, schon garnicht auf jahre hinaus. und dieses elend geht schon seit jahren so. auch eine deutsche oder israelische oder.... 'autonomiebehörde' würde daran scheitern.

      was sagt uns das?

      mir sagt es, dass sie scheitern soll. weil, wie der eine so nett sagt, Israel doch nicht die Uno sei (zu deutsch: das sozialamt der ganzen welt).

       

      Ihre Ägypten-idee ist lustig: von hamas zu as-Sisi als schutzherrn *kopfbatsch*

      • @christine rölke-sommer:

        Dass Ägypten zur Zeit keine ideale Lösung ist, ist mir auch klar. Es geht ja auch nur um die kurzfristige aktuelle Situation, aber selbst da würde Ägypten nicht gerade als besonders vertrauensvoller Partner erscheinen, um die Belagerung aufzuheben.

        Die Bevölkerung da bräuchte selbst Hilfe.

    • @christine rölke-sommer:

      ...sondern?

       

      "DIME ist eine Granate, deren Wirkung auf einen kleinen Radius konzentriert ist."

       

      Um ggf. die Kollateralschäden klein zuhalten? Für die Israelis wäre es doch sicher ein leichtes, dort etwas anderes -größeres- abzuladen...

      • @utopia:

        instrumentelle vernunft macht immer mal wieder sprachlos

  • da könnte mal wieder eine entschuldigung fällig sein. oder ist es bereits hamas-affiliation, wenn einer krankenhausdirektor ist?

    http://www.boomantribune.com/story/2014/7/15/51359/6782

  • Susanne Knaul: Auch Ihr aktueller Artikel relativiert schon wieder permanent.

     

    Israels Strategie scheint indessen aufzugehen: das Entziehen der Lebensgrundlagen kann weitergehen.

    Dabei war die Situation im Gaza davor schon desaströs. Jetzt scheinen Nägel mit Köpfen gemacht zu werden.

    Nichts deutet darauf hin, daß sich auch nur irgendwas zum Positiven ändert: da werden keine Außenministerbesuche helfen, keine nichts... während Menschen unsagbar Mangel leiden, leiden und sterben müssen - nur weil es e i n e m Staat - Israel - so in den Strumpf passt.

     

    (Bin mal gespannt, ob diesmal meine Meinung Gnade findet vor der taz-Kritik. Schon so viele Comments von mir wurden inzwischen sang- und klanglos gelöscht, andere viel radikalere (Rechtfertigungs-Auslassungen unverständlicherweise nicht.)

    • @MOTZARELLA:

      "Israels Strategie scheint indessen aufzugehen: das Entziehen der Lebensgrundlagen kann weitergehen. "

       

      Au contraire: Israel liefert den Bewohnern Gazas die Lebensgrundlagen, weil deren polit. Führer die Lebensgrundlage der Bewohner nicht kümmert. Sie investieren die Millionen lieber in den Bau und Erwerb von Raketen und züchten Hass.

  • Israel liefert Strom in den Gazastreifen. Die Hamas beschießt Israel mit Raketen und zerstört die Stromleitung, mit der der Gazastreifen mit Elektrizität versorgt wird. Aber natürlich ist Israel immer in allem Schuld, auch daran, wenn es jetzt in Gaza an Strom mangelt.

    • @yohak yohak:

      Und das Verrückte ist, dass die Hamas während der Reparaturarbeiten eine Feuerpause eingelegt haben, um, nach den Reparaturen, wieder Raketen nach Israel abzuschießen. Das ist doch mehr als absurd. Es ist krank.

    • 1G
      1393 (Profil gelöscht)
      @yohak yohak:

      Israel liefert Strom in den Gazastreifen.

       

      WEIL

       

      Israel mit seiner Völkerrecht brechenden Besatzung verhindert, dass Gaza eigenes in Palästina erzeugten Strom bekommen kann.

    • @yohak yohak:

      und wer sagt mir, dass da nicht wer dem Moshe Feiglin seinen vorschlag umgesetzt hat, 'Asa den strom abzudrehen?

       

      im übrigen sollte Israel sich mit der reparatur beeilen. strom abdrehen/leitung nicht wiederherstellen fällt unter kollektivstrafe auf dem weg zu crime against humanity.

      sorry for that, aber besatzer haben nun mal nicht nur rechte sondern auch pflichten...

      • @christine rölke-sommer:

        Von welchen "Besatzern" reden Sie?

         

        Kann es sein, daß mal wieder kollektive Wahrnehmungsstörungen herrschen?

         

        Die "Palästinenser" wollen Krieg gegen Israel. Und wenn sie dann Krieg haben, beschweren sie sich.

        • @Klaus Ermecke:

          Was "Besatzer" sind müßte man wohl jmd. wie Ihnen, einem Saubermann in Schlips und Kragen, nicht erst erklären müssen. Oder täuscht das? -

           

          Wie zynisch von Ihnen:

          "die 'Palästinenser' wollen Krieg gegen Israel. Und wenn sie Krieg haben, beschweren sie sich"

           

          "kollektive Wahrnehmungsstörungen" haben dann doch wohl hauptsächlich S I E ?

        • @Klaus Ermecke:

          Übrigens: Der sog. "Rechtstaat" Israel hat offenbar aus dem Begriff "Rechtstaat" die erste Silbe politisch verstanden und nicht als juristisch.

           

          @ Wer die Bevölkerung in Freiluftgefängnis steckt, hat für sie zu sorgen. Seit wann müssen die Gefangenen sich selbst versorgen?

           

          @Frau Knaul: Ich kann Sie beim besten Willen nicht ernst nehmen, erst feiern Sie Israel als der Staat, der sich angeblich gegen Raketen schützen soll und den Netanjahu und seine Bande als Friedensengel, da aber die Realität in Gazastreifen eine ganz andere ist und ihre israelische Propaganda zu offensichtlich war und ist, versuchen Sie hier nun den Vorwurf zu entkräften, man berichte ja von beiden Seiten.

           

          Sie sind aber nur in der Lage aus Tel Aviv oder Jerusalem aus zu berichten, statt in den Gazastreifen zu reisen und mit Menschen dort zu reden, da ist ja zu viel verlangt, von einem Journalisten, der sich ca. 100 bis 150 km weit entfernt vom Gaza aufhält und sich tagein tagaus die objektivsten Medien der Welt, die israelischen Medien, reinzieht und in diesem Rauschzustand über die Schuld und Unschuld, über Notwehr und Widerstand zu berichten.

          Einige Ihrer Kollegen sind weiter als Sie.

           

          Aber warum rege ich mich eigentlich auf, Sie konnten ja recht "überzeugend" die über 170 Morde ausgeführt von einen Gefängniswärtern mit Präzisionswaffen rechtfertigen.

        • @Klaus Ermecke:

          Entschuldigen Sie bitte, dass die Vorrednerin von Besatzungsmacht sprach bzw. von Besatzern, passender wäre bzgl. Gazastreifens natürlich von Gefängniswärter und Gefangnisverwaltung zu sprechen. Hinsichtlich des Westjordanland kann man ruhig von Terrorstaat oder Schurkenstaat namens Israel sprechen oder?

        • @Klaus Ermecke:

          darf ich Sie auch mal in ".." setzen?

      • @christine rölke-sommer:

        Welche Pflichten haben dann die ans Stromnetz angeschlossenen?

        Erste Stromkundenpflicht: den Lieferanten und vor allem seine Angestellten nicht abzuschießen. In Gaza muss man das noch lernen.

        http://www.israelnationalnews.com/News/News.aspx/162033

        • @Senckbley:

          ganz bestimmt nicht die, besatzern die füsse zu küssen.

          das sieht nur besatzer-mentalität so.

          • @christine rölke-sommer:

            Könnten Sie sich bitte hier Ihr AgitProp-Vokabular sparen? In Gaza gibt es keine "Besatzung" - wenn man von der Terrorherrschaft der Hamas über ihre eigenen Leute absieht.

            • @Klaus Ermecke:

              Ausgerechnet Sie mutmaßen weiter oben was von kollektiven Wahrnehmungsstörungen?

              Nun stellt sich heraus:

              Werden Sie persönlich eigentlich von individuellen Wahrnehmungsstörungen heim gesucht oder haben Sie Konzentrationsschwierigkeiten beim Lesen? Oder beides?

              Es ging doch wohl ganz klar um die Frage Ihrer persönlichen, intellektuellen Belastbarkeit. Nämlich für uns alle Mitleser hier, strukturanalytisch nachvollziehbar herzuleiten, warum Sie die Palästinenser in eine modalisierende Funktion, sprich Anführungszeichen gesetzt haben.- Wollten Sie der Peinlichkeit nur stumpf ausweichen, oder herrscht bei Ihnen wirklich eine solche intellektuelle Ödnis, dass Sie nun nicht mehr weiter wüssten?

              (Tipp: vll gibt es in einer VHS Ihrer Nähe ja Kurse in "Begreifen")

  • Warum mischt sich USA und EU nicht ein, um diesen Krieg zu stoppen?

    • @Stefan Mustermann:

      Machen sie doch. USA, Deutschland und weitere Länder schicken doch ihre Aussenminister um einen Friedensplan zu entwickeln..

      Nur die werden selbstverständlich nicht die Eier haben Sanktionen auszusprechen - gegen wen auch immer.