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Zank über Potsdamer Synagogen-NeubauAlles Reden nützte nichts

Die Brandenburger Landesregierung stoppt einen Synagogen-Neubau, weil sich die jüdischen Gemeinden weder über Architektur noch Nutzung einig werden.

Von der Inneneinrichtung ist man in Potsdam noch weit entfernt: Deckenleuchter in der Synagoge in der Berliner Rykestraße. Bild: dpa

Der Neubau der Synagoge in Potsdam ist nach jahrelangem Gezänk über das Bauprojekt vorerst gescheitert. Die Brandenburgische Landesregierung aus SPD und Linke entschied sich jetzt, „keinen Auftrag für den Baubeginn einer Synagoge in Potsdam zu erteilen“.

Als Grund nannte das zuständige Kulturministerium, dass es nicht gelungen sei, eine Einigung über die Architektursprache sowie die Nutzung des geplanten Gotteshauses unter den drei zerstrittenen jüdischen Gemeinden herbeizuführen. Diese wiesen die Schuldzuweisung am Montag postwendend zurück.

„Eine Verständigung der jüdischen Gemeinden in Potsdam ist gegenwärtig trotz aller Bemühungen nicht zu erreichen“, sagte Kulturstaatssekretär Martin Gorholt. Lediglich eine der drei Gemeinden stehe sowohl zu dem Architektenentwurf als auch zur Trägerkonstruktion, so Gorholt weiter. Unter diesen Vorzeichen könne das Bauvorhaben nicht durchgeführt werden. Trotz der verfahrenen Situation halte man aber an dem Ziel fest, „dass in der Landeshauptstadt eine Synagoge als Heimstatt jüdischen Lebens entsteht“. In der kommenden Legislaturperiode solle ein neuer Anlauf ins Auge gefasst werden.

In Brandenburg gibt es als einzigem Bundesland in der Republik keine Synagoge. 2005 haben darum das Land und der jüdische Landesverband sich auf den Bau eines Gotteshauses in der Nachbarschaft zum Stadtschloss verabredet. Beschlossen wurde auch, dass Brandenburg das Projekt „Neue Synagoge“ mit rund fünf Millionen Euro finanziert und diese mit 300.000 Euro Betriebskosten jährlich unterstützt. Realisiert werden sollte der Entwurf des Berliner Architekten Jost Haberland, der ein modernes Gotteshaus mit schönen, schnittigen Kuben, einem großen Entrée und Gemeindesaal plante.

2011 kam es darüber zwischen den jüdischen Gemeinden und mit dem Land zum Konflikt: Während Brandenburg und die Stadt Potsdam sich ein „offenes Haus“, quasi ein Gemeindezentrum für alle Mitglieder der Religionsgemeinschaft wünschten, konnten sich deren religiöse Interessenvertreter – darunter die Synagogengemeinde oder die Gesetzestreue Gemeinde – nicht über die Nutzung, Funktion des Gemeindesaales sowie die Gestaltung des Gebäudes einigen.

Streit über „sakralen Charakter“

So ist etwa die Synagogengemeinde auf eine sakrale Wirkung bedacht, andere streiten sich über die Lage des Gebetsraumes oder lehnen die Nutzung als offenes Gemeindehaus ab.

Enttäuscht zeigte sich Gorholt auch darüber, dass trotz „vieler Gesprächsrunden und einer Überarbeitung der Planung, die den sakralen Charakter des Gebäudes deutlicher herausstellt“, keine Einigung erzielt werden konnte. Die neuen Architekturpläne seien im Mai dieses Jahres vorgestellt worden und hätten „in Potsdam große Zustimmung gefunden“.

Die Entscheidung der Landesregierung kritisierten am Montag Mitglieder der jüdischen Gemeinden in Potsdam scharf. Es sei „eine Chuzpe“, der Religionsgemeinschaft die Schuld für das Scheitern des Baus in die Schuhe zu schieben. Vielmehr trage Staatssekretär Gorholt selbst die Verantwortung „für das Scheitern der eigenen Strategie“, polterte Ud Joffe, Vorstand der Synagogengemeinde. Es sei Gorholt nicht gelungen, die drei Gemeinden gegeneinander auszuspielen.

Joffe kündigte an, die Synagogengemeinde werde nun „die Initiative ergreifen“ und für das jüdische Gotteshaus eigene Planungen vorlegen.

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