Ende von „Verbotene Liebe“: Voll Neunziger
Volljährig, aber nicht erwachsen geworden: Nach knapp 20 Jahren setzt die ARD die Vorabend-Soap „Verbotene Liebe“ ab. Zeit für einen Abschiedsbrief.
Liebe Verbotene Liebe,
es wundert dich vielleicht, nach so vielen Jahren von mir zu hören, doch bevor du Anfang 2015 für immer gehst, möchte ich mich von dir verabschieden, denn du hast mir einst sehr viel bedeutet.
Es war klar, das dieser Moment kommen würde. Die Zeiten ändern sich nun mal, und dass du nicht alt werden würdest, war spätestens klar, als deine bodenständige große Schwester „Marienhof“ vor drei Jahren den Sendeplatz um 18.25 Uhr räumen musste – denn obwohl sehr unterschiedlich, seid ihr doch aus dem selben Holz geschnitzt.
Ihr seid deutsche Vorabendserien – ein Fernsehformat aus dem letzten Jahrtausend, das so gar nicht ins digitalisierte 21 Jahrhundert passt. Es liegt nicht an dir, liebe VL, es liegt an uns, den Zuschauern. Wir setzten uns einfach nicht mehr montags bis freitags um 17.55 vor den Fernseher. Das ist zu „last century“.
Wir möchten auch nicht mehr zugucken, wie auf Schloss Lahnstein geliebt und intrigiert wird, wir wollen dort selbst wohnen. Darum gucken wir lieber Quizduell oder sonstige Ratespielchen-Sendungen, bei denen man reich werden kann und die in Zukunft deinen Programmplatz einnehmen werden. Oder wir gucken, wie Leute singen, tanzen oder auf und ab laufen, um reich zu werden – oder wir laufen gleich mit. Wir haben einfach keine Zeit mehr für dich.
Wie alles anfing
Dabei fing alles so schön an, damals, 1995. Jan und Julia, Zwillinge, nach der Geburt getrennt, stießen auf dem Flughafen mit ihren Gepäckwagen zusammen und feierten später zusammen ihren 20. Geburtstag. Eine Liebe, die nicht sein darf. Meine Freunde und ich haben mitgelitten. Beim „Forbidden“-Gucken war man selten allein. Selbst auf der Verhütungsbox im Bad prangte ein „Verbotene Liebe“-Aufkleber.
Was ich an dir mochte, liebe VL, war das vollkommen groteske Szenario, in dem sich deine Dramen abspielten, eine imaginäre Düsseldorfer High Society. Fast so schön wie bei Denver Clan. Du hattest Ligne Clarisse, Champagner, Sushi und Schwarzwälderkirschtorte im Programm, nur ab und an durch die bürgerliche Butterkuchenwelt der Familie Brandner gebrochen. Auch das mit dem Herzschmerz konntest du richtig gut, und dafür möchte ich dir danken. Aber auch für deine Zicken.
Um nicht gänzlich im Kitschmeer zu versinken, hast du die Welt der Von Anstettens auf Schloss Friedenau durch an Garstigkeit kaum zu übertreffenden Intrigantinnen bereichert, jahrelang, während fast alle anderen Charaktere hopsgegangen sind. Soweit ich weiß, liebe VL. Denn nach ein paar Jahren, ich glaube es waren vier, haben wir uns aus den Augen verloren.
„Forbidden love goes straight to your heart“
Die Arbeitszeiten wurden länger, der neue Freund fand dich uninteressant, der Nachwuchs nahm keine Rücksicht auf eine halbe Stunde hirnlosen Kitsch. Und du, liebe VL, hast dir auch einfach keine Mühe mehr gegeben. Du hast dein Personal derart lieblos ausgewechselt, dass der sporadische Zuschauer gänzlich verwirrt zurückblieb. Wo ist jetzt? Wer war noch mal? Ist die nicht? Bei all den gleich aussehenden Barbiepuppen blickte doch niemand mehr durch. Und die Männer – nee, das ging gar nicht.
Da kam das Internet gerade recht. Was da an Serien geboten wird! Damit kannst du, liebes Vorabendprogramm, einfach nicht mithalten. Ich muss es dir so hart sagen, denn wir kennen uns zu lange, um uns gegenseitig etwas vorzumachen. Darum lasse ich dich jetzt gehen, doch deine Melodie „Forbidden love goes straight to your heart“ wird in mir weiterklingen.
Für immer. Deine Julia
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