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Konsequenz aus dem FreispruchLex Mollath wird kommen

Die Regierung lernt dazu: Mit einer Gesetzesnovelle bei der Psychiatrie-Unterbringung will sie künftig die Verhältnismäßigkeit sicherstellen.

Bald weniger besucht? Sportplatz einer Klinik für Psychiatrie. Bild: dpa

FREIBURG taz | Eines hat Gustl Mollath zumindest erreicht. Noch in dieser Wahlperiode wird es eine Reform der strafrechtlichen Psychiatrie-Unterbringung geben. Sein Fall hat die Stimmung in der Gesellschaft gedreht. Bisher galten schuldunfähige Straftäter eher als „irre Monster“, nun sieht man in ihnen auch schutzbedürftige potenzielle Justizopfer. Gustl Mollath hat den Insassen in der forensischen Psychiatrie ein Gesicht gegeben.

Geregelt ist die psychiatrische Unterbringung im Strafgesetzbuch. Wenn eine Straftat im schuldunfähigen Zustand begangen wurde, so ist der Täter zwar freizusprechen und wird nicht nach den üblichen Regeln bestraft. Stattdessen kann das Gericht aber die Einweisung in die Psychiatrie verfügen – als sogenannte „Maßregel der Besserung und Sicherung“. Voraussetzung ist laut Gesetz, dass wegen der psychischen Störung in Zukunft „erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind“ (§ 63).

Anders als eine Strafe ist die psychiatrische Unterbringung nicht befristet. Sie ist vielmehr erst zu beenden, wenn keine Gefahr für die Allgemeinheit mehr besteht – oder wenn „die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre“. Dies muss jährlich überprüft werden. So die bisherige Rechtslage.

Im Koalitionsvertrag heißt es nun. „Wir reformieren das Recht der strafrechtlichen Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern, indem wir insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stärker zur Wirkung verhelfen.“

Im letzten Sommer hat die damalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ein Eckpunkte-Papier vorgelegt, in dem sie eine Reform skizziert. Danach soll die Psychiatrie-Unterbringung auf 8 Jahre begrenzt werden, außer es drohen Taten, „durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden“. Zudem soll schon nach 2 (statt bisher 5) Jahren ein externer Sachverständiger begutachten, der nicht in der Einrichtung arbeitet.

Der jetzige Justizminister Heiko Maas (SPD) hat im März – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt. Die soll noch im Herbst dieses Jahres Änderungsvorschläge präsentieren. „Anschließend wird das Ministerium zügig einen Gesetzentwurf vorlegen“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage der taz. Die Reform soll noch vor der nächsten Bundestagswahl 2017 abgeschlossen sein.

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5 Kommentare

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  • Das Thema Rechtsprechung und Gutachten spitzt sich in unserer zunehmend komplizierter werdenden Welt auf die Frage zu: "Wer richtet eigentlich, der Richter oder der Gutachter?" Es scheint, dass die Richter zunehmend dazu neigen, ihre Urteilsverantwortung auf die angebliche sachlichen Gutachter abzuwälzen. Ein Hauptgrund dürfte die Arbeitsbelastung sein. Kaum ein Richter setzt sich mit einem Gutachten im Kern auseinander und hinterfragt es auf Schlüssigkeit und Stimmigkeit, was eigentlich notwendig wäre, die Zeit aber nicht zulässt. So mutieren Gutachten, als Entscheidungshilfe für den Richter gedacht, den Rechtsstaat ohrfeigend, zu Urteilen! Conclusio: Es kann nur an die Richterschaft appelliert werden, sich die Zeit zu nehmen Gutachten kritisch mit dem gesunden Menschenverstand zu hinterfragen. Die Richterschaft muss ihrer Verantwortung gerecht werden, dass der finale Richterspruch aus eigener Überzeugung des Richters zu erfolgen hat und nicht der Diktion eines Gutachtens nachplaudert.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    "... die Unterbringung wird auf acht Jahre begrenzt." - Für Mollath hätte sich damit nichts geändert. Außerdem werden seine Unterbringungsgründe auch künftig nicht ausgeklammert. Auch sein "Freispruch" ist eher ein Sieg für die bayrische Justiz. Die Staatsanwaltschaft hat sich damit von jeglicher Schuld reingewaschen und alles Mollath in die Schuhe geschoben. Alles nur Schauprozesse zur Volksbelustigung. Das Volk legt Wert auf Unterhaltung, nicht auf Gerechtigkeit. Panem et circenses.

  • Na was ist denn das? Kommen die Eliten mit einfachen Gruppenstraftaten nicht mehr durch, muss man sie nun gesetzlich festschreiben um den Kredit zu sichern. War zu erwarten. Wir daber nichts helfen.

  • Soll das etwa heißen, dass bayrische Amtsträger in Zukunft ihre Modellautos wieder selbst basteln müssen? Wenn da mal nicht ganz neue Härten entstehen. Schaun wir mal!

  • welche konsequenzen haben jetzt eigentlich der richter brixner, die justizministerin merk und die in diesem fall involvierten gutachter zu tragen. gerade die csu ministerin merk hatte ja lauthals getönt dass herr mollath gemeingefährlich sei und er deswegen zu recht weggesperrt sei. das mindeste was von dieser ministerin jetzt erwarten könnte, wäre eine entschuldigung. glaube aber kaum, dass diese dame zu dieser menschlichen geste fähig ist. die csu bonzen in bayern haben ja so und so ein gestörtes verhältnis zu recht und gesetz. wäre mal interessant, was gutachter zum gemütszustand dieser landeslenker zu sagen hätten. die csu - parteienzugehörigkeit setzt offenbar einen etwas getrübten blick für gesetzeskonformes handeln voraus. aktuelles beispiel - haderthauer.