Sprachkontrolle in Berlins Schulen: Eltern wollen Neuanfang
Die Sprachlerntagebücher der Kitas sollen an Grundschulen weitergegeben werden. Das klappt aber nur bedingt: Offenbar sperren sich Eltern dagegen.
Sie sehen aus wie ein Mittelding aus Freundschaftsbuch und Fotoalbum: die Sprachlerntagebücher, die für jedes Kita-Kind in Berlin seit 2007 geführt werden. In den grünen Mappen wird detailliert verzeichnet, welche Fortschritte das Kind in seiner Sprachentwicklung macht und wie es dabei gefördert wurde. Dabei fließen teils auch sehr persönliche Informationen ein – über den familiären Hintergrund des Kindes, auch Fotos oder Zitate der Kinder werden gesammelt.
Es gab deshalb vor allem von Eltern Proteste, als die Senatsverwaltung für Bildung vor zwei Jahren beschloss, dass die Dokumentation künftig bei der Einschulung der Kinder von den Kitas an die Grundschulen weitergegeben werden soll. Der Landeselternausschuss Kita lehnte den Plan aus datenschutzrechtlichen Gründen ab. Und auch der Berliner Datenschutzbeauftragte äußerte Bedenken.
Die sind nun immerhin behoben. Seit diesem Schuljahr wandert zumindest ein Teil des Sprachlerntagebuchs mit den SchulanfängerInnen an deren jeweilige Grundschule – bereinigt von allen privaten Informationen und nur mit schriftlicher Einwilligung der Eltern, so die Bedingungen des Datenschutzbeauftragten. Zudem, erläuerte Alexander Dix am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz dazu mit Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), solle das Tagebuch nach dem ersten Halbjahr an die Eltern zurückgegeben werden. Daten aus dem Buch dürfen zudem nicht elektronisch gespeichert werden.
Als „Meilenstein“ sowohl in datenschutzrechtlicher Hinsicht wie auch für die Zusammenarbeit zwischen Kita und Schulen lobte Senatorin Scheeres am Montag diese Regelung. Dass nun den Lehrkräften einige Informationen aus dem Sprachlerntagebuch zur Verfügung stünden, ermögliche diesen, sich ein besseres Bild ihrer neuen SchülerInnen und eventuell nötiger Förderung zu machen – und früher damit anzufangen. Ob Scheeres „Meilenstein“ auch die skeptischen Eltern überzeugt hat, bleibt allerdings offen: Wie viele Mütter und Väter der gut 22.000 ErstklässlerInnen, die in diesem Jahr eingeschult wurden, der Weitergabe überhaupt zugestimmt haben, weiß die Senatsschulverwaltung nicht.
Kitaleiterin Christine Paschke weiss es – jedenfalls für ihre Einrichtung an der Kastanienallee: Nur bei einem von 28 auf die Schule wechselnden Kindern hätten die Eltern der Weitergabe zugestimmt. Es sei teils die Angst davor, dass die Aufzeichnungen das Kind stigmatisieren könnten. Teils fehle die Überzeugung, dass die Schule mit den Informationen wirklich arbeite. Auch Paschke selbst hält nicht viel von Scheeres‘ Regelung. Es sei gerade der am wenigsten aussagekräftige Teil des Sprachlerntagebuchs, der weitergegeben werden könne: die so genannte „Dokumentation“, in der ErzieherInnen Fragen zum Entwicklungsstand des Kindes kurz beantworten oder gar Antworten nur ankreuzen. Engere Zusammenarbeit zwischen Kitas und Schulen sei wichtig, so Paschke: „Aber ob das nun der richtige Weg ist?“ Lehrer- und ErzieherInnen sollten lieber mehr Stunden dafür zur Verfügung gestellt bekommen, sich vor dem Übergang der Kinder persönlich zu treffen.
Auch die Berliner GEW-Vorsitzende Sigrid Baumgardt findet den Informationsaustausch zwischen Kitas und Grundschulen wichtig. Eltern sollten besser darüber aufgeklärt werden, dass dieser „positiv wirken kann“. Noch besser aber, so Baumgardt, sei „die verlässliche gute Zusammenarbeit zwischen Grundschule und Kita“.
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