Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Nordkoreas Führer Kim Jong Un taugt vor allem zum Dynastie-Maskottchen, die grüne Partei noch lange nicht als neue Freiheits-FDP.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Putin lässt 13.000 Soldaten aus dem Grenzgebiet der Ukraine abziehen.
Und was wird besser in dieser?
Jetzt dauert das wieder Tage, bis das hiesige Politfeuilleton raushat, warum das besonders mies und aggressiv ist.
Bundeskanzlerin Merkel könne nicht mit Messer und Gabel essen, soll Helmut Kohl gesagt haben. Autor Heribert Schwan zitierte diese und weitere Aussagen des Exkanzlers, obwohl Kohl sie nicht autorisiert hat. Recht so?
Gorbatschow sei „Experte für Public Relations“, wie auch Goebbels einer gewesen sei; Rita Süssmuth ein „Auslaufmodell“ – zu vitaleren Zeiten hatte Kohl ein paar Hitsingles noch selbst ausgekoppelt. So verwundern Ton und Gestus des Restes nun nicht: Hier spricht ein Mensch, der die Welt in Untergebene und Feinde teilt. Bismarck gewinnt in seinen hinterlassenen Briefen, Wilhelm II. steuerte mit seinen Memoiren Belege erschütternder Schäbigkeit bei. Und Kohl kann einem herzlich wumpe sein; er stand halt in der Gegend rum, als der Ball zur Wiedervereinigung vor seinen Fuß plumpste. Viele fleißige WDR-Mitarbeiter beeindruckt, dass ein Vorgesetzter 600 Stunden in Oggersheim auf dem Sofa verbrachte und dafür nun privat noch mal die Hand aufhalten darf. Mein lieber Schwan.
Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un wurde seit Wochen nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Sollte die Kim-Dynastie tatsächlich vor dem Ende stehen?
Von allen marktgängigen Verschwörungstheorien gefällt mir die der Süddeutschen besonders, wonach Kim Jong Un auch tot noch viele Jahre segensreicher Führung Nordkoreas bevorstünden; schlicht als Dynastiemaskottchen für das Regime und alle, die es gern stabil haben in der Region.
Die EU hat das bislang geheime TTIP-Verhandlungsmandat veröffentlicht. Werden die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen jetzt transparent?
Wird ein Gebrauchtwagenkauf transparent, wenn ich die Kundenbrieftasche sehe – die Forderung des Verkäufers jedoch geheim bleibt? Die Eurogrünen hatten das Mandat schon vor einem Jahr geleakt – und kommentiert, was bei dem erhabenen Feiertagsschwurbel auch nottut.
Doch die Forderungen der Amis dürfen nur handverlesene Abgeordnete im Lesesaal angucken, offiziell kennt sie nicht mal die Bundesregierung.
Nach „Fuck EU“ und Snowden-Asyl wäre das eine hübsche Spielwiese für russische Dienste, hier einfach mal sachdienliche Erkenntnisse rauszuhauen.
Die Grünen wollen nach einem Leitantrag zum kommenden Parteitag künftig im Bundestag „Stimme für Freiheit und Selbstbestimmung“ sein. Sind die Grünen nun also doch eine grüne FDP?
„Erweiterte Gerechtigkeit“ kann ich als Enkelchen der Geschlechterdebatte lesen, „Ökologie“ noch recht klar als urgrünen Ansatz. Die neuen Stichworte „Freiheit und Selbstbestimmung“ hingegen malen den Charme rhetorischer Heißluftballone an den Horizont. Hinter „Selbstbestimmung“ allerdings darf man das Gegenteil der dritten Traditionswurzeln der Grünen argwöhnen, das Gegenteil des Pazifismus: mit der Bundeswehr anderen Völkern unsere Idee von Selbstbestimmung vorbeibringen. Das ist, gemessen an Westerwelles „No“ zum irrigen Libyen-Krieg, deutlich un-FDP und aggressiver.
Patrick Modiano hat den Literaturnobelpreis bekommen. Wie lange müssen die Daueranwärter auf den Preis, Philip Roth und Bob Dylan, denn noch warten?
Gingen Liedtexte, müssten auch Graphic Novels, also literarische Comics, eine Chance haben. Und eben Autoren, denen man vorhalten kann, dass sie auch viel gelesen werden. Hätte ich nix gegen.
Die Bravo erscheint ab nächstem Jahr nur noch alle zwei Wochen. Werden Dr. Sommer & Co. den Sprung ins digitale Zeitalter schaffen?
Die sind doch längst da! Was bei YouTube an Schminktäschchenauspackerei und Pubertätsgeprolle höchste Zustimmung generiert, steht in der Tradition der Bravo und hat sie längst beerbt.
Also die Bravo-Leserschaft landet deutlich weniger orientierungslos in der Zukunft als die Fankreise anderer klassischer Medien.
Und was machen die Borussen?
Frei. Man könnte sagen, dass die Nationalelf mit sechs Angriffsspielern und deutlicher Überlegenheit so verliert, als hätte sich die Dortmunder Spielidee auch dort durchgesetzt. So was sagt man aber nicht.
Fragen: LAM, MIEP
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