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Essay Islamischer StaatDen Blick von Kobani lösen

Kommentar von Karim El-Gawhary

Der IS ist nicht alles. In der arabischen Welt erleben wir eine beispiellose Säkularisierung. Alte Strukturen kehren ebenfalls zurück.

Krieg in der Luft: Ein US-Kampfjet über der türkisch-syrischen Grenze. Bild: dpa

I m Westen herrscht IS-Hysterie. Wer nicht blind alle möglichen militärischen Gegenmaßnahmen absegnet, dem wird unterschwellig vorgeworfen, dem Völkermord an Kurden, Christen oder Jesiden einfach zuzusehen. Denn die Medien finden, dass in Kobani die Entscheidungsschlacht stattfindet. Entsprechend wird die Türkei in Talkshows fast routinemäßig in einen Krieg nach Syrien geschickt. Einen Krieg, dem sich bisher alle anderen internationalen Streitkräfte verweigert haben. Und die Kurden werden zu neuen Helden aufgebaut.

Gleichzeitig klopfen wir uns auf die Schulter, der bessere Teil der Menschheit zu sein. Das ist zu billig. Denn um einen Gegner bekämpfen zu können, muss man ihn zuallererst verstehen. Und um den Islamischen Staat (IS) zu verstehen, muss man in einem Geschichtsbuch blättern, nicht im Koran, und die Nachrichten der letzten Jahre aus Syrien und dem Irak Revue passieren lassen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Den IS zu verstehen bedeutet nicht, ihm Verständnis entgegenzubringen. Es ist nur die Voraussetzung dafür, eine zielgerichtete Gegenstrategie gegen den Terror zu entwickeln. Von dieser fehlt bislang jede Spur.

Militärisch mag der IS punktuell durch „Luftschläge“ aufzuhalten sein. Doch er wird sich dem jeweiligen militärischen Druck anpassen und kann sich jederzeit auf eine Guerillastrategie verlegen und Anschläge durchführen. Das wird geflissentlich ignoriert, denn erneut hängt man im Westen der Fantasie nach, mit militärischer Kraft, vermeintlich präzisen Luftangriffen und Drohneneinsätzen die geopolitische Landkarte verändern, ja befrieden zu können. Das hat schon im letzten Irakkrieg offensichtlich nicht funktioniert. Vielmehr ist der IS ja ein Ergebnis dieses Versuchs, militärisch Kräfteverhältnisse von außen und gemäß den eigenen Interessen zu verändern.

Einer rein militärischen Strategie sind also Grenzen gesetzt. Bleibt der Versuch, dem IS politisch die Basis zu entziehen. Er ist ein Produkt zweier Entwicklungen. Zunächst eines brutalen Krieges in Syrien, dem die internationale Gemeinschaft seit vier Jahren weitgehend uninteressiert zusieht und der manchen Syrer so weit gebracht hat, in verschiedenen IS-Milizen einen Heilsbringer zu sehen. Dazu kommt die Lage im Irak, in der die alte sunnitische Elite des Landes vom politischen System ausgeschlossen wird. Was folgt daraus?

taz.am wochenende

Früher hat er Opern komponiert, heute entwirft Ingolf Gabold Erfolgsserien wie „Borgen“ oder „The Killing“. Ein Gespräch über richtig gutes Fernsehen und wie man es macht, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 1./2. November 2014. Außerdem: Wie eine Abgeordnete und ein Lobbyist um das Waffenrecht in einem US-Bundesstaat ringen. Und: Joschka Fischer im Interview. Am Kiosk, //taz.de/%21p4350%3E%3C/a%3E:eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Blick auf den Konflikt in seiner Gesamtheit

In Syrien muss eine ernsthafte politische Alternative zu Assad aufgebaut werden, um den Krieg endlich zu beenden. Im Irak müssen die Sunniten wieder mit an Bord genommen werden, die in den letzten Jahren jegliches Vertrauen in das politische Nachkriegssystem seit der US-Invasion verloren haben. Beides ist schwierig und braucht vor allem eines: viel Zeit.

Aber mithilfe von schnellen Lösungen lässt sich dem IS das Wasser nicht abgraben. Bildlich gesprochen bedeutet das: Wir sollten dringend unser Teleobjektiv in Richtung Kobani abschrauben und stattdessen zum Weitwinkelobjektiv greifen, um endlich die Region als Ganzes in den Blick nehmen zu können.

Drei Dinge haben den IS groß werden lassen. Er entstand erstens, weil die despotischen arabischen Regime vor allem ihrer Jugend keinerlei Perspektiven bieten, aktiv ihre Gesellschaft mitzugestalten. Außer für Syrien und den Irak gilt das insbesondere für das Auslaufmodell der Ölmonarchien. Viele arabische Regierungen haben den Extremismus, den sie nun zu bekämpfen vorgeben, durch ihre repressive Politik gefördert.

Nun setzen die Golfdespoten medienwirksam ihre Luftwaffe gegen die IS-Stellungen ein, die Vereinigten Arabischen Emirate gar mit einer Pilotin als PR-Gag. Und der ägyptische Präsident Sisi vermarktet Ägypten dreist als Bollwerk gegen den IS.

Das alles darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Repression durch arabische (Militär)regime und die islamistische Militanz sich gegenseitig bedingen und hochschaukeln. Die arabischen Despoten sind der wichtigste Wegbereiter des IS.

Zweitens sind die Erfolge der Dschihadisten auch ein Ergebnis westlicher Politik und jahrzehntelanger kolonialer und postkolonialer Demütigung der Region, in der das Selbstbewusstsein der Menschen auf dem Nullpunkt angelangt ist. Das ist die Basis, auf der religiöse Rattenfänger erfolgreich eine Utopie vermarkten können, die die Zeit um Jahrhunderte zurückdrehen möchte.

Jahrelang hat der Westen die arabischen Diktatoren im Namen der Stabilität hofiert und sieht sie trotz des von ihnen ausgehenden Terrors weiterhin als Partner in der Terrorbekämpfung. Dabei sind genau diese Regime nicht Teil der Lösung, sondern Teil des (Terror)problems.

Das bringt uns zum dritten Faktor des Erfolgs des IS. Er wurzelt auch im herrschenden gegenwarts- und zukunftsvergessenen religiösen Diskurs, der einst entstand, um marode Öldespotien am Golf und allen voran Saudi-Arabien mit ideologischem Überbau zu versorgen.

Alle drei Faktoren befruchten sich natürlich gegenseitig. Die Einflussnahme des Westens war ja nur so groß, weil er sich seit Jahrzehnten auf Despoten stützt, die seine Interessen lokal vertreten und als Garanten der Stabilität auftreten. Saudi-Arabien, eines der autokratischsten Länder der Region und das wohl frauenfeindlichste der Welt, ist bis heute einer der wichtigsten Verbündeten der USA und Europas in der Region. Umgekehrt sind die arabischen Herrscher so erfolgreich, weil das Denken der Menschen ohnehin von religiösen Vorstellungen dominiert ist, also die von diesen ausgehende Ideologie lange Zeit nicht herausforderte. Der westliche Stabilitätswunsch, die arabischen Repressionsapparate und die Beschäftigung der Menschen mit erzkonservativen religiösen Formeln und Verhaltensregeln hatten ein gemeinsames Ziel: den Status quo zu wahren. Das wird mit Blick auf den gegenwärtigen Zustand der Region oft unterschätzt.

Rückkehr alter Konzepte

In vielerlei Hinsicht ist also das, was wir derzeit in der arabischen Welt erleben, ein Aufbäumen des Alten. Wir haben den IS mit seiner anachronistischen Weltsicht, die den Arabern verspricht, alles werde gut, wenn nur ein Kalifat entstünde, das die Epoche des Propheten Mohammed kopierte, die vor 1.400 Jahren zu Ende gegangen ist. Gleichzeitig erleben wir die Neuauflage autokratischer Regime wie in Ägypten.

Dort sucht man in diesen ungewissen Zeiten die Rettung im alten, bereits gescheiterten Konzept der Allmacht der Militärs – wie zur Ära Gamal Abdel Nassers vor einem halben Jahrhundert. Und dann sind da noch die Golfmonarchien, die versuchen, ihre hoffnungslos überalterten autokratischen Strukturen zu retten, und über ausreichend Petrodollars verfügen, dieses rückschrittliche Projekt zu finanzieren. Alt ist, nebenbei bemerkt, auch der internationale Ansatz, der immer noch meint, in üblicher Manier die Dinge allein mit militärischen Einsätzen lösen zu können.

Am Ende werden sich all diese alten Strategien als Sackgasse erweisen. Keine von ihnen kann den Menschen eine wirkliche Perspektive bieten, weder die repressiven Staaten noch die militanten Islamisten. Während sich das Alte allerorten aufbäumt und mit aller Härte zuschlägt, ist eine Situation entstanden, aus der etwas Neues geradezu entstehen muss. Wie das genau aussieht, wie blutig, wie repressiv es wird und wie lang es dauert, bis es sich durchsetzt, kann derzeit niemand sagen. Aber es wird kommen. Am Ende der Geschichte des arabischen Wandels wird kein Feldmarschall Sisi und kein Kalif al-Baghdadi stehen.

Schon jetzt zeichnet sich aber ab, dass der Einfluss Europas und der USA auf die Region abnimmt und der der Regionalmächte zunehmen wird; dass das Militär in der arabischen Welt als politische Ordnungsmacht nicht mehr funktioniert; dass auch der Ölreichtum die Golfdespoten nicht vor dem Anbrechen neuer Zeiten retten wird; dass im Kampf gegen den IS schon jetzt neue Bündnisse eingegangen werden, sei es mit der kurdischen PKK – die nun als Bollwerk gegen den IS gefeiert wird, die aber immer noch auf der europäischen Terrorliste steht – oder mit dem Iran. Der wird sich allem Anschein nach rasant vom internationalen Paria zum Bündnispartner gegen die Dschihadisten wandeln. Alles befindet sich im Fluss.

Und zu guter Letzt macht der Wandel auch nicht vor dem religiösen Denken halt. In einer WIN/Gallup-Umfrage beschrieb sich 2012 fast jeder fünfte in Saudi-Arabien Befragte als „nicht religiös“. 5 Prozent bezeichneten sich gar als Atheisten. Anfang des Jahres wurden in Saudi Arabien neue weitreichende Antiterrorgesetze erlassen. Laut denen macht sich nicht nur strafbar, wer fortan in den Dschihad nach Syrien oder dem Irak zieht. Auch wer „die Fundamente der islamischen Religion infrage stellt, auf denen das Land basiert“, kann zukünftig als Terrorist bestraft werden.

Die einen ziehen in den Dschihad, um die Zeiten des Propheten wiederaufleben zu lassen, die anderen stellen die Autorität der Religion infrage. Das sind zwei Seiten derselben Medaille. Es lohnt sich, sie auch mal umzudrehen.

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38 Kommentare

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  • …much all weesen -

     

    aber das -

     

    "…Der IS ist nicht alles. In der arabischen Welt erleben wir eine beispiellose Säkularisierung. Alte Strukturen kehren ebenfalls zurück.

    …"

     

    ist hoffentlich nicht die Logik

    des Geschehens.

  • "Jahrelang hat der Westen die arabischen Diktatoren im Namen der Stabilität hofiert"

     

    Das ist ein Euphemismus: Sie wurden nicht nur hofiert, sondern bei Bedarf - wie der Shah von Persien - auch gegen eine unbotmäßige Regierung in den Sattel gehoben.

     

    Neuerdings begnügt man sich damit, Regierungen mit den gleichen Jihadisten zu stürzen, die man dann mehr oder weniger ernsthaft bekämpft. Denn zur Ausbeutung von Ressourcen benötigt man keinen funktionierenden Staat - die läßt sich auch durch einen Trupp Blackwater-Söldner absichern. Und letztlich ist egal, ob Kurden, ISIS oder Abu Schlagmichtot das Öl liefern.

     

    Natürlich werden dabei auch strategische Ziele nicht aus den Augen verloren. Die russische Basis in Tartus, das unbotmäßige Regime in Teheran. Nicht etwa, weil in Teheran Menschenrechte verletzt würden - das hat beim Schah nun keinen gestört - sondern weil sie die Frechheit besaßen, erfolgreich den vom Westen eingesetzten Despoten zu vertreiben.

     

    "In Syrien muss eine ernsthafte politische Alternative zu Assad aufgebaut werden, um den Krieg endlich zu beenden."

     

    Uns so bleibt der Artikel doch bei der alten Strategie. Wie wäre es statt dessen mit einer Alternative zur saudischen Theokratie? Oder einfach damit, Diktatoren und Warlords - auch den Kalifen in Istanbul mit seinen eigenen Träumen von einem neuen osmanischen Reich - nicht mehr mit Waffen auszurüsten?

     

    Das würde das ISIS-Gespenst recht schnell austrocknen. Es wäre aber schlecht fürs Geschäft und würde den westlichen stzrategischen Zielen nicht dienen.

  • Vielen Dank !!

  • Warum wird in diesem Essay nichts über die Situation in Rojava (Nordsyrien) gesagt, über die demokratische Autonomie, die dort verteidigt wird und über die Wandlung der PKK von einer stalinistischen Kaderpartei zu einer libertären Befreiungsbewegung mit starken Anleihen von Bookchins Öko-Anarchismus? Und v.a. kein Wort über die wachsende Solidarität der internationalen Linken für Rojava, auch in Deutschland. Letzte Woche hat eine großangelegte Solidaritätskampagne begonnen mit z.T. prominenten UnterstützerInnen, aber davon kein Wort in der taz: http://rojava-solidaritaet.net/aufruf/

    • @alextext:

      Weil viele Araber partout kurdenfeindlich sind und nur ihre eigene Ethnie sehen.

       

      Von einer beispiellosen Säkularierung zu sprechen ist zudem ein Witz, der Dogmatismus und die religiöse Radikalität ist heute in der islamischen Welt tausend mal schlimmer als in den 60ern/70ern.

      • @Tron1981:

        Endlich einer der es auf den Punkt bringt und das mal 100.

         

        Jeder der eine Idee hat in der arabischen Welt, nimmt den Ansatz seines Vorgängers und dreht die Schraube noch ein wenig weiter.

         

        Das kann keine Zukunft haben.

  • "In einer WIN/Gallup-Umfrage beschrieb sich 2012 fast jeder fünfte in Saudi-Arabien Befragte als „nicht religiös“. 5 Prozent bezeichneten sich gar als Atheisten"

     

    Super, vielleicht kann man dem religiösen Wahn ja doch noch den Garaus machen!

    • @tommy:

      Gut das ich nur Umfragen traue die ich selber fälsche.

  • Die Erklärungsansätze, die in diesem Artikel verfast worden sind, werden seit Tagen Erdogan und c.o. stark veröffentlicht. Der Verfasser richt stark nach arabischer Nationalismus. In diesen Tagen stört die türkische und arabische Nationalisten sehr, dass Projekt Kobane eine interkulturelle und interreligiöse, basisidemokratische soziale Gebilde in den Vordergrund rückt. Es ist nicht richtig, die Entstehung einer Islamo-Faschistischen Ideologie nur von dem Irakkrieg abhängig zu machen.

    Warum Blicke sollen sich auf Kobane fokussieren: weil die Revolution in Kobane weiblich ist, weil eine basisdemokratische (vergleichbar mit Zapatisten), autonome, patizipative Bewegung ist, weil die Bewegung interkulturell und inter-religiös ist, weil die Kobane alle Flüchtlinge Asyl gewähren unabhängig von ihren ethnischen und religiösen Zugehörigkeit hat. Kobane vermittel, dass die Menschen in Nahosten nicht nur Opfer der Kriesen und Auseinandersetzungen der Großmächte und deren Vertreter in der Region sind, sondern auch Subjekte eine Revolution sind. Biji Berxwedane Kobane

    • @faruk ruha:

      Der Artikel richtet den Blick auf´s Ganze, was auch zu Kobane führte und setzt sich auch kritisch mit der Rolle des Westens, der Großmächte, auseinander. Finde ich gut. Das heißt ja nicht, dass Kobane außen vor gelassen wird. Zur weiteren Legendenbildung "basisdemokratisch" äußere ich mich jetzt nicht...

  • Ja, das ist ein differenzierter Kommentar, vor allem, nachdem in letzter Zeit auch in der taz Kommentare Konjunktur hatte, die Kobane zum Anlass nahmen, den Krieg wieder als eine "Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln" zu sehen und sich dazu verstiegen, "Frieden stiften" als aktives militärisches (!!!) Eingreifen zu verstehen!

  • Seit Jahren der erste halbwegs vernünftige Artikel in der taz zu dem Thema.

    • @fornax [alias flex/alias flux]:

      Genau!

  • Ich habe den Eindruck, dass Sie den Wunsch des Westens nach Stabilität in der Region stark abwerten. Auch dies ist aber meiner Meinung nach eine recht komplexe Frage. Denn damit eine demokratische Gesellschaft stabil sein kann, muss eine weit überwiegende Mehrheit der Menschen dafür sein. Die Weimarer Republik war nicht zuletzt deshalb instabil, weil sie eine erhebliche Zahl entschlossener Gegner sowohl von rechts als auch von links hatte.

     

    Die Menschen müssen ihre Rechte in einem demokratischen Staat kennen; sie müssen verschiedene Meinungen aushalten können, ohne direkt aufeinander zu schießen; und ein genügend großer Teil der Bevölkerung muss die Fähigkeit haben, zwischen verschiedenen Sichtweisen zu vermitteln. All dies sind Fähigkeiten, die gelernt werden können.

     

    Vom Westen finanzierte NGOs können diesen Prozess mit Anwaltschaftsarbeit auf Grassroots-Level unterstützen. Das ist jedoch in der Regel deutlich leichter, wenn im Land stabile, wenn auch repressive Verhältnisse herrschen, als in einem Bürgerkrieg, in dem die Menschen ständig von hier nach dort fliehen müssen, und in dem neue Kampfhandlungen und neue Tode immer neu Hass auf die Gegenseite säen.

     

    Auch hier gibt es sicherlich Grenzfälle, wo die genannte Bildungsarbeit in einem begrenzten Bürgerkrieg leichter ist als unter einem brutalen Diktator. Aber eine ständige Abwertung der Stabilität als solche erscheint mir ideologisch.

    • @Smaragd:

      Stabilität darf natürlich nicht zum Selbstzweck werden. Aber grundsätzlich wird es natürlich kaum zu umgehen sein, mit den Regierenden auch eher repressiver Regime in bestimmten Fragen zusammenzuarbeiten. Nur Waffen liefern sollte man ihnen nicht, weil ja Grund zu der Annahme besteht, dass sie diese zum Niederschlagen von Aufständen einsetzen würden.

  • Sehr geehrter Herr Karim El- G.,

     

    was Sie hier von sich geben ähnelt sehr dem was die Muslimbrüderschaft oder andere religös politische Strömungen von sich geben.

    Den IS so darzustellen is falsch!

    Sie haben nicht mit Yeziden, arabischen Alawiten und Christen aus dem Orient zu tun dem Anschein nach, dann würden Sie auch über den Tellerrand sehen.Alles was der IS tut ist im Namen des Islam und er wird von mindestens 5% bis 10 % der Moslems getragen und das macht 80 bis 160 Millionen Menschen aus.

     

    Was wir hier erleben ist der Wahnsinn auf Erden der von Mullahs, Imanen und reichen Arabern gesponsert wird oder wie kann man erklären, das laut UN jeden Moant 1000 freiwilliger der IS beitreten? Hier sind nicht mal die der anderen Fundamentalisten mitgezählt.

     

    Auch wie wenn von Ihnen und verschiedenen Medien auf den IS allein das Problem als Folgeproblem gesehen wird entspricht das nicht der Tatsache, meines erachtens. Dafür lassen Sie zu viele Faktoren außen vor. Es entspricht auch nicht der Tatsache das der Islam verantwortlich ist, sondern was hier in Europa als Salafismus (in Wahrheit Wahhbismus) bekannt ist. Der wiederum zu solchen Ausführungen von Menschenrechten führte: (Das ist der blanke Hohn)

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Kairoer_Erkl%C3%A4rung_der_Menschenrechte_im_Islam

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Glaubensfreiheit_im_Islam

    • @Azad:

      Endlich mal ein durchgereifter Kommentar, der von einem offensichtlich Betroffenen geschrieben wurde. Vielen Dank dafür Azad

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Bomben auf den IS. Unschuldige werden dabei natürlich nicht getroffen. Wenn doch, dürfte sich der Zulauf zum IS sogar noch erhöhen, wenn die Angehörigen der Toten Vergeltung wollen.

  • Ich hätte gerne die Quelle zur Angabe der Atheisten in SA, auf die sich Herr Gawahary bezieht. Vielleicht einfach aus der Washington Post zitiert? http://www.washingtonpost.com/blogs/worldviews/wp/2013/05/23/a-surprising-map-of-where-the-worlds-atheists-live/

     

    Egal- bei einem Drittel nicht originärer Saudi-Bevölkerung ist es keine Kunst auf 5 % Atheisten zu kommen. (Ich bezieh mich auf die Angaben des Central Department of Statistics & Information des Staates.)

     

    Insofern wieder Augenwischerei, m.M. nach.

    • @Florence:

      Nein, die Washington Post benutzt die selbe Quelle ("WIN/Gallup-Umfrage" von 2012) wie der Autor. Hier gibts eine detalliertere Übersicht: http://www.wingia.com/web/files/news/14/file/14.pdf. In Saudi Arabien bestand das Sample aus knapp über 500 Personen die per Telefon befragt wurden.

      • @SchmatZe:

        Das ist also nicht mal professionell und stellvertretend, wenn das Sample so klein ist. Augenwischerei, d.h. hier ein Vormachen von säkularer Tendenz, die es so nicht gibt. Wenn die philippinische Hausangestellte am Apparat war, schon möglich, dass es von ihr eine atheistische Meinungsbekundung gab.

    • @Florence:

      Augenwischerei mit welchem Ziel?

  • Der Autor hat nur vergessen zu erwähnen, dass mit der Ausnahme Tunesiens alle demokratischen Reformbewegungen in den arabischen Gesellschaften gescheitert sind. Selbst die Türkei mit ihrer langen demokratischen Tradition verwandelt sich zunehmend in einen totalitären Staat. Für die meisten Araber stellt sich somit die Frage, ob sie einen Mix aus Monarchie und Militärdiktatur befürworten, oder einen halsabschneidenden islamischen Staat. In Deutschland hat es auch mehrere demokratische Anläufe geben müssen, aber da war die Säkularisierung längst vorbei. Mit den derzeitigen Steinzeit-Islam-Interpretierungen in den arabischen Ländern wird und kann es keine Demokratie geben, und die autokratischen Herrscher sind nicht willens, die jeweilige Staatsreligion zu reformieren, da sie als Herrschaftsinstrument dient. Von daher kann es dem Westen (derzeit) nur darum gehen, größere Massaker und die Entwicklung eines superreichen und mit schwersten Waffen bestückten irren Terrorregimes zu verhindern.

    • @Dorian Müller:

      "...ob sie einen Mix aus Monarchie und Militärdiktatur befürworten, oder einen halsabschneidenden islamischen Staat..."

       

      Das Problem ist, dass die Diktaturen nicht weniger halsabschneiderisch agieren. Folter und Mord wird dort nur nicht zur Propaganda genutzt, wohl aber zur Einschüchterung und Eleminierung aller Andersdenkenden.

      • @Dhimitry:

        Niemand sagt, dass diese Diktatoren nette Menschen waren; ausser vielleicht ex-US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der während seiner ersten Amtszeit unter President Ford einst sagte "Saddam Hussein is a Bastard, but he's our Bastard".

         

        Tatsache ist jedoch leider, dass der Westen (also USA und EU) der dumm-naiven Meinung war, dass durch die arabischen Frühlinge in diesen Ländern stabile Demokratien enststehen würden. Heute wissen wir, dass dies nicht passierte. Die Länder leiden heute unter islamistischen Diktaten oder Bürgerkriegen.

         

        Bei der Entwicklung, die dazu führten, dass die IS heute eine erfolgreiche, brutale Miliz ist, verschweigen die Medien, dass Vladimir Putin vor über drei Jahren schon warnte, die Rebellen in Syrien zu unterstützen. Er hatte die Entwicklung zur heutigen Situation bereits ziemlich genau vorhergesagt. Aber Putin ist halt derzeit in unserer Medienwelt der Bad Guy und da schreibt man sowas halt nicht...

        • @John Doe:

          "atsache ist jedoch leider, dass der Westen (also USA und EU) der dumm-naiven Meinung war, dass durch die arabischen Frühlinge in diesen Ländern stabile Demokratien enststehen würden." Im subsaharischen Afrika sind durchaus einige entstanden, Senegal, Benin, Zambia .... Tunesien würde ich auch dazu zählen. Dann ist irakisch Kurdistan kein Desaster Aber ich gebe Ihnen zT recht: Man hätte sich das sparen können. Oder vielleicht soll man das langfristog sehen. Die Frauen in islamischen Ländern werden betrogen: Kinderheirat mit 12 Jahren an einen 40-jährigen Mann, Zunähen in Somalia usw. Langfristig ändert sich das vielleicht. Siad Barre hatte das übrigens verboten. Geschicht verläuft wahrsch in Schüben mit Rückschlägen, siehe Hitler. Nordkorea ist auch keine success story.

        • @John Doe:

          Angesichts dessen, das sich unter den salafistischen Kämpfern nicht nur in Syrien, Irak usw. Hunderte von Tschetschenen befinden, ist der Verweis auf Putin eher befremdlich.

          Von den circa 40000 Toten im Tschetschenien-Krieg abgesehen.

          • @sb123:

            Warum ist das befremdlich? Das Putin kein "lupenreiner Demokrat" ist, dürfte allen klar sein, ist aber an dieser Stelle irrelevant. Es ist schlicht Fakt, dass er davor gewarnt hat und der "Westen" ihn nicht ernst genommen hat.

             

            Wenn ich stattdessen auf die Aussage eines amerikanischen Presidenten verwiesen hätte, würden sie dies in Anbetracht von 150.000 toten Zivilisten im Irak ebenso befremdlich finden?

            • @John Doe:

              Mann sollte halt bei der Bewertung der Aussage Putins nicht vergessen, das Syrien ein Flottenstützpunktabkommen mit Russland hat und dieses bei einen Sturz Assads obselet würde.

              Andererseits könnte man genau so argumentieren, das die USA nur wegen diese Abkommens so agiert.

              Zu den 150000 toten Zivilisten nur soviel, die meisten wurden bei den Machtämpfen zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden getötet und gingen eben nicht auf das Konto der US-Streitkräfte .http://de.statista.com/statistik/daten/studie/163882/umfrage/dokumentierte-zivile-todesopfer-im-irakkrieg-seit-2003/

              • @sb123:

                Ja, das ist ja durchaus richtig und bekannt, dass Russland enge Beziehungen zum Assad-Regime pflegt. Aber auch das ist letztlich irrelevant, denn es bleibt dabei, dass Putin vor dem erstarken genau der Milizen gewarnt hat, die nun ider Region einen Genozid betreiben.

                 

                Nebenbei - auch das hat "der Westen" vermasselt - hat man nicht die Chance genutzt, Russland bei dem Versuch zu unterstützen, mäßigend auf Assad und seine Schergen zu wirken.

                 

                Zu den 150.000 toten Zivilisten ist es egal, ob es die US-Streitkräfte waren oder der nachfolgende Bürgerkrieg im Land. Die USA sind hauptverantwortlich zu sehen, da sie durch den von ihnen angezettelten Krieg die Region erst destabilisiert haben.

  • D
    D.J.

    Weitestgehende Zustimmung. Vor allem, was die geradezu irrwitzige Rolle des Ketzer- und sogar Hexen-verfolgenden Saudi-Arabien als Verbündetem betrifft, während der allemal relativ liberalere Iran (ja, ich kenne das Land auch von Innen) als Paria gilt.

     

    Sicher, der Artikel richtet sich an ein westl. Publikum. Dennoch ist so etwas zwar richtig, aber vereinfachend:

    "Jahrelang hat der Westen die arabischen Diktatoren im Namen der Stabilität hofiert"

    Bitte die Rolle von Sowjetunion, Russland und China nicht vergessen bei der Stützung von Diktaturen - wenn auch eher säkulare oder halbsäkulare.

     

    Bedauerlich, dass man solche Kommentare kaum noch im Spiegel liest. Da wird das Feld derzeit weitgehend einem Mitbesitzer (der A.) überlassen, um dessen Verstand ich mir mittlerweile wirkliche Sorgen mache.

    • @D.J.:

      Warum sollte man eher Ihnen Gehör schenken als Herrn Augstein? Sie haben keinerlei Referenzen aufzuweisen, er schon.

      • @Dudel Karl:

        Augstein:

        "Es darf kein neuer Rassismus im Schatten der Sorgen erblühen, die sich der Westen über das Scheitern der arabischen Welt macht. Denn wir erleben ja das schmerzhafte Zerbrechen der postkolonialen Staaten. Die meisten Muslime aber leben in Indonesien, Pakistan, Indien und Bangladesch. Die Probleme des arabischen Islam sind nicht unbedingt ihre."

        In all diesen Ländern gibt es ebenfalls radikale islamistische Organisationen, auf deren Konto jedes Jahr Tausende von Toten gehen.

        So viel zu Augsteinschen Kompetnz.

    • 7G
      774 (Profil gelöscht)
      @D.J.:

      Wie schade, daß Sie offenkundig den Iran nicht vom Inneren eines seiner Knäste kennen.

      • @774 (Profil gelöscht):

        Selbstverständlich gibt es im Iran Knäste. Wer aber nur wegen diesen dieses Land einseitig an den Pranger stellen muß bedenken das unser Partner vor Ort, Saudi-Arabien, genauso schlimme Gefängnisse hat und man dort noch viel leichter hinein geworfen werden kann. Kein Land ist perfekt und fehlerfrei, aber Probleme wie die derzeitigen entstehen meist wenn nicht nur Menschen wie Sie, sondern auch Regierungen, Fehler und Mängel verschiedener Länder nicht einheitlich bewerten und beantworten.

         

        Und kennen Sie eigentlich auch die Knäste der USA von innen? Vielleicht sogar die Todeszelle von Huntsville?

      • @774 (Profil gelöscht):

        Diskussionskultur im Stil des TAZ-Forums.

  • Zumindest eine Stimme der Vernunft. Die leider, wie üblich, nicht gehört wird. Vielen Dank für den Kommentar!

  • ne eigentlich gute "Weitwinkelanalyse", ja... Fehlt nur das Chaos von Israel/Palästina...in der Perspektive des Verfassers.... gewollt? Oder?