Maut, Gesundheitskarten, DHL-Drohnen: Dichtes Überwachungsnetz
Es gibt eine Reihe von Technologieprojekten, die nützlich erscheinen. Doch mit ihnen entsteht eine Infrastruktur, die leicht zu missbrauchen ist.
Der Paketversender DHL hat es richtig gemacht. Er hat sich für seine Versuche, Waren per Drohne zu transportieren, einen Weg vom Festland zur Insel herausgesucht. Dauert sonst länger, und falls das Fluggerät doch herunterkommt, ist der Schaden überschaubar. Transportiert werden Medikamente, das ist wichtig, vielleicht sogar überlebensnotwendig. Und der Konzern hat die Drohnen unternehmensgelb gefärbt und mit zahlreichen Rundungen versehen, sodass sie eher nach harmlosem Kinderspielzeug aussehen als nach Kriegsgerät.
Kann man so ein Projekt ablehnen? Kann man nicht. Und das ist im Interesse aller, die mit Drohnentransport eines Tages Geld verdienen wollen. Amazon zum Beispiel oder Google. Genau die, die auch ausdauernd Interesse an unseren persönlichen Daten zeigen und speichern, was ihnen auf die Server kommt.
Es sind nicht nur die Drohnen. Derzeit wird eine Reihe von Projekten debattiert, umgesetzt oder getestet, die auf den ersten Blick nützlich oder zumindest nicht übermäßig problematisch erscheinen. Erst auf den zweiten Blick wird klar: Hier reicht eine kleine Änderung im Gesetz, in Hard- oder Software – und schon wird eine ehemals unkritische Technologie zu einem Überwachungsnetz.
Beispiel Pkw-Maut. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) betont zwar, dass auf den Strecken gefertigte Aufnahmen nicht mutmaßlicher Mautpreller sofort gelöscht werden, doch im Gesetzentwurf liest sich das anders. Was für ein Fest wäre das für Ermittler oder Geheimdienste: eine Übersicht fast aller Fahrzeuge, die auf Autobahnen unterwegs waren, samt Ort, Tag, Uhrzeit. Gleich für die vergangenen zwei Jahre? Oder fünf?
Der Schalter lässt sich umlegen
Oder die elektronische Gesundheitskarte. Damit sollen neu behandelnde Ärzte gleich Einblick in die Krankheitsgeschichte des Patienten bekommen. Dass die noch freiwillige Speicherung der Daten irgendwann einmal nicht mehr so freiwillig sein könnte, dass, was online übertragen wird, viel zu oft mitlesbar ist, dass es schon Ideen gibt, Daten von Fitness-Trackern mit den Gesundheitsdaten zu verknüpfen und eine dezentrale Speicherung ganz schnell zu einer zentralen werden kann – ab wann lässt sich von einem gläsernen Patienten sprechen?
Überwachungsdrohnen gibt es schon. Eingesetzt von Polizisten auf Demos oder von Paparazzi über Promi-Villen. Es kann sein, dass es abgesehen davon bei Paketdrohnen bleibt. Es kann auch sein, dass Dobrindt sein Maut-Gesetz noch korrigiert. Und dass die elektronische Gesundheitskarte nie über ihr Rumpfstadium hinauskommt. Aber die zweckentfremdbare Infrastruktur wird dichter – und das über die Googles und Facebooks hinaus. Und der Schalter, der aus einer nützlichen Technologie eine überwachende macht, lässt sich jederzeit umlegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen