piwik no script img

Prozess im Todesfall Diren DedeRückhalt für die Eltern

Vater und Mutter des getöteten Hamburgers sind zum Gerichtsverfahren in die USA gekommen. Viele Einwohner der Stadt Missoula äußern ihr Mitgefühl.

Der Tatort: die Garage, in der Diren erschossen wurde. : dpa

MISSOULA taz | Der Prozess im Fall Diren Dede hat im US-Bundesstaat Montana eine Welle der Solidarität mit der Familie des Opfers ausgelöst. Dutzende Bürger von Missoula, wo der Hamburger Austauschschüler im April von einem Hausbesitzer erschossen wurde, spendeten Blumen, selbst gebackene Kekse, Restaurantgutscheine und Bargeld für Celal und Gülcin Dede, die das Gerichtsverfahren in der Universitätsstadt beobachten.

Mit der Solidaritätsaktion folgten die Menschen in Missoula einem Facebook-Aufruf der im ganzen Bundesstaat bekannten Juristin Beth Brennan. „Ich kann nicht ändern, was Diren angetan wurde“, schrieb sie in ihrem Post. „Aber alle von uns können zeigen, dass Montana mehr sein kann als der Ort, an dem ihr Sohn starb.“

Der Bremer Rechtsanwalt Bernhard Docke, einer der Rechtsbeistände der Dedes, berichtete der taz, er sei im Restaurant von einer älteren Frau angesprochen worden, die erklärte, die ganze Stadt schäme sich für das, was geschehen sei. Als er und sein Kollege Andreas Thiel später nach der Rechnung fragten, sagte die Bedienung, ein anderer Gast habe bereits bezahlt. „Wir sind hier wärmstens empfangen worden“, sagte Docke.

Celal und Gülcin Dede besuchten am Wochenende die Big Sky Highschool, an der Diren sein Austauschjahr verbracht hatte. Dort und bei einem privaten Treffen mit Freunden und Mitschülern sei ihnen große Anteilnahme entgegengebracht worden, sagte der Vater des getöteten Jungen.

Der Fall Diren

Am 27. April 2014, kurz nach Mitternacht, drang der Hamburger Austauschschüler Diren in der Stadt Missoula in Montana in eine unverschlossene Garage ein. Er wurde vom Besitzer überrascht. Dieser schoss insgesamt vier Mal auf den 17-Jährigen und traf ihn zwei Mal. Diren verstarb wenig später im Krankenhaus.

Die Staatsanwaltschaft hat den Hausbesitzer Markus K. wegen Mordes angeklagt, weil er Selbstjustiz begangen habe. Er habe Dieben eine Falle gestellt und geschossen, statt die Polizei zu rufen.

Der Angeklagte behauptet, er habe sich, seine Lebensgefährtin und den nicht einmal ein Jahr alten Sohn in Gefahr gesehen. Geschossen hat der 30-Jährige nach eigenen Angaben aus Angst.

Die zwölfköpfige Geschworenen-Jury entscheidet autonom über Schuld und Unschuld des Angeklagten. Der Richter legt gegebenenfalls nur noch das Strafmaß fest. Theoretisch kann K. zum Tode verurteilt werden. Diese Strafe wird in Montana aber nur sehr selten verhängt.

Die Eltern waren nach fünf Gerichtstagen erschöpft und sehnten sich nach ihrem Sohn. Am Montag hatte der Richter sie vor den verstörenden Autopsie-Fotos gewarnt, die am Nachmittag den Geschworenen gezeigt wurden. Gülcin Dede verließ daraufhin den Gerichtssaal.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem angeklagten Hausbesitzer Markus K. vor, den 17-jährigen Diren vorsätzlich in seiner Garage erschossen zu haben. Seine Anwälte dagegen argumentieren, er habe seine Familie schützen wollen. Sie hatten im Vorfeld vergeblich versucht, eine Verlegung des Prozesses zu erreichen – mit dem Argument, im vergleichsweise liberalen Missoula seien die Menschen gegen den Angeklagten voreingenommen.

Am dritten Tag der Hauptverhandlung argumentierte eine Anwältin von Markus K., die Polizei habe von Anfang an schlampig gearbeitet, statt zu untersuchen, ob die Angst des Angeklagten vor Einbrechern berechtigt war. In Montana und vielen anderen US-Bundesstaaten dürfen Hausbesitzer tödliche Gewalt anwenden, sofern nachvollziehbar ist, dass sie um Leib und Leben fürchten. Das noch vor Weihnachten erwartete Urteil der zwölf Geschworenen muss einstimmig fallen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen