Radikal-Religiöses aus Ratzeburg: Standesbeamter diskriminiert Lesben
Einem lesbischen Paar in Ratzeburg wird nahegelegt, sich anderswo trauen zu lassen.
HAMBURG taz | Fast hätte ein homophober Standesbeamter Lara Fabinski und Nadine Böttcher den Hochzeitstag vermiest. Anstatt letzte Details der heutigen Trauung im Ratzeburger Rathaus zu besprechen, habe der Beamte die Frauen am Montag angerufen, um ihnen mitzuteilen, dass er mit „ihrer Lebensweise nicht konform gehe“, erinnert sich Fabinski. Trauen wollte der Mitarbeiter die Frauen deshalb lieber nicht.
Zwar hätten die 34-Jährige und ihre Verlobte ein Recht auf eine Verpartnerung, beglückwünschen werde er das Paar aber keinesfalls, habe der Standesbeamte gesagt. Dabei sei auch das Wort „abartig“ gefallen. „Das war für uns so kurz vor der Hochzeit der absolute Supergau“, sagt Fabinski, die in Ratzeburg für die CDU im Stadtrat sitzt.
Der Beamte habe seinen Anruf selbst sogar als fair bezeichnet: Denn die Frauen könnten ja für 40 Euro Verwaltungsgebühr zu einem anderen Standesamt wechseln.
„Das geht natürlich nicht“, sagt der Ratzeburger Bürgermeister Rainer Voß (parteilos), und ergänzt: „Ein Beamter muss eine Dienstleistung ohne Bewertung ausführen.“ Zudem solle die Trauung in einem würdigen Rahmen stattfinden – einfach durchziehen und aufs Gratulieren verzichten, geht also nicht. Mit dem Mitarbeiter konnte Voß bisher nicht über den Vorfall sprechen – der hat sich bis Weihnachten krankgemeldet.
Paragraf 175
Durch den Paragrafen 175 konnte bis zum Jahr 1969 Sexualität zwischen Männern mit Gefängnis bestraft werden. Erst 1994 wurde der Paragraf abgeschafft - seitdem ist Homosexualität erlaubt.
Die Verurteilungen schwuler Männer nach diesem Paragrafen wurden aber nie aufgehoben.
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland fordert deshalb seit Jahren eine Rehabilitierung der betroffenen Männer.
Im schleswig-holsteinischen Landtag sprachen sich die Grünen für Entschädigungen sowie für die Aufhebung aller Urteile aus. Die Koalitionsparteien SPD und SSW unterstützten dieses Vorhaben.
In dieser Woche war er selbst für eine kranke Kollegin eingesprungen, die die Trauung mit Fabinski und Böttcher geplant hatte. „Ich kann nur versprechen, dass so etwas nicht wieder passiert“, versichert der Bürgermeister. Er entschuldigte sich persönlich bei den Frauen. Seit der Einführung der Lebenspartnerschaft für lesbische und schwule Paare im August 2001 seien in Ratzeburg 14 derartige Hochzeiten gefeiert worden – ohne Beschwerden.
Fabinski vermutet einen religiösen Hintergrund für die Diskriminierung. Von Bekannten habe sie gehört, dass der Beamte ein Anhänger der Zeugen Jehovas sei. Die Religionsgemeinschaft lehnt gleichgeschlechtliche Partnerschaften ab. Auf der Website „Jehovas Zeugen“ heißt es: „Als Gott die Menschen erschaffen hat, legte er fest, dass Sex nur für Mann und Frau gedacht ist.“ Lesben und Schwule sollten demnach ihre Sexualität unterdrücken. Weder der Beamte noch die Gemeinde nahmen Stellung.
Der Fall in Ratzeburg sei in ganz Deutschland ein Einzelfall, schätzt Konstanze Gerhard vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD), der die Ehe für alle fordert und die Lebenspartnerschaft kritisiert. Der Standesbeamte habe sich völlig falsch verhalten: „Er darf zwar alles denken, aber es auf keinen Fall zu dem Paar sagen.“
Mit Unterstützung des LSVD entwickelte der schleswig-holsteinische Landtag im Januar einen Aktionsplan gegen Homophobie und für Gleichberechtigung. „Gerade deshalb dürfen hier solche Diskriminierungen nicht vorkommen“, sagt Gerhard, die bei ihrer eigenen Hochzeit gute Erfahrungen mit dem Standesamt in Kiel gemacht hat. „Es war ein ganz toller Moment, als die Standesbeamtin in der weiblichen Form von Lebenspartnerin gesprochen hat“, sagt sie.
Auch Lara Fabinski und Nadine Böttcher wollen sich ihre Hochzeit nicht verderben lassen. Die Trauung übernimmt nun eine Standesbeamtin, die dafür extra aus dem Urlaub gekommen ist. „Jetzt soll es erst recht richtig bunt werden“, kündigt Fabinski an. 200 Luftballons in Regenbogenfarben will sie vor dem Rathaus mit Freunden und Familie steigen lassen und im Sommer folgt die kirchliche Trauung. Da werde es keine Probleme mit dem Pastor geben, sagt Fabinski: „Der ist mein Cousin.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Steinmeiers Griechenland-Reise
Deutscher Starrsinn
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“
Rechtsruck in den Niederlanden
„Wilders drückt der Regierung spürbar seinen Stempel auf“
Koalitionsverhandlungen in Potsdam
Bündnis fossiles Brandenburg
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig